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Liebe Freunde,

man schreibt über gutes Rasierwasser, man schreibt über Götter und über Barockperücken — und was mögen die Leser? Das Silberfischchen! Deshalb aus gutem Grund eine Fortsetzung des Verkaufshits.

Mein hochgeschätzter Freund Georg T. war darüber so angeregt, dass er weiterforschte und mehr Wissenswertes über diese vergessene Kreatur zu Tage beförderte. Er hat mir seinen Befund über „Lipisma saccarina Linné“ zukommen lassen und diesen möchte ich euch hier nicht vorenthalten.

Gleich an erster Stelle sei verkündet: Das Silberfischchen ist mitnichten ein Schädling! Man könnte es eher als Lästling bezeichnen, in Wahrheit ist es aber ein echter Nützling. Wie das? Es ernährt sich von Kohlehydraten, die es in dunklen und verstaubten Bibliotheken in Bucheinbänden im Kleister findet. Aber auch, jetzt kommt’s, von Schimmelpilzen und Hausstaubmilben, den ärgsten Feinden in unseren geliebten Domizilen! Vor allem für Allergiker wird so das Silberfischchen zum dankbarsten und anspruchslosesten Haustier, das man sich nur wünschen kann. Eine echte Alternative zum Goldfisch im Glas oder zum Labradoodle. Darum: Man töte keine Silberfischchen mehr!

So! Nun bringt uns diese Erkenntnis zu folgenden Überlegungen: Die Gleichzeitigkeit von Lästling und Nützling prädestiniert unseren angenehmen Hausfreund zum Namensgeber eines neuen Begriffes, der Einzug in unseren Wortschatz finden müsste: der „Silberfischling“.

Der Silberfischling bezeichnet einen Gegenstand, ein Lebewesen oder eine Person, bei dem oder der es sich – abhängig von der Betrachtungsweise — gleichermaßen um einen Lästling und einen Nützling handelt. In Bayern kommt dieser Bedeutung eigentlich nur ein einziges Wort nahe (wenn man den Schädling noch dazunehmen dürfte): der Hundling. Ein durchaus unterhaltsamer, gern gesehener Kamerad, der aber nur partiell beliebt ist, weil er eben auch schädelt, ich meine: schadet. Der Hundling, der raffinierte Sauhund, dem die Grenzen zur Legalität herzlich wurscht sind und der gern in fremden Gewässern fischelt.

Womit wir wieder bei unserem Haustier wären. Was der Silberfischling jedoch keinesfalls ist und das macht ihn uns überaus sympathisch: ein Günstling, ein Weichling, ein Schönling. Letzteres liegt allerdings wieder im Auge des Betrachters.

Hier nun noch eine kleine fröhliche Episode aus Zinkls Küche: Es gab eine Zeit, da dachte ich mir, eine ausgewogene Mischung aus Haferflocken, Nüsschen und zerkleinertem Trockenobst aus dem Bioladen, unbesprüht und -befleckt von diversen Schädlingsvernichtungswässerchen, würde sich in meiner Lebensmittelabteilung gut einfügen und eine gesunde Ernährung bieten. Wie das so ist, verzehrt man dann manchmal auch gern ein Marmeladen- oder ein Wurstbrot. Will sagen, die Biomischung gerät im Schrank etwas in Vergessenheit, ist doch aber auch nicht schlimm. Meint man.

Eines Tages wanderten winzige gelbbraune Würmchen an den Wänden und an der Decke entlang. Nicht viele, hier eines, dort eines. Mit einem kleinen Stück von der Haushaltsrolle ließen sie sich sorgfältig abnehmen, zerdrücken und entsorgen. So war ich die nächsten zwei Wochen nett beschäftigt. Schließlich gesellten sich noch einige kleine braune Falter dazu, sie flogen lustig herum oder rasteten an der Küchendecke. Ich wollte schon ein Chamäleon kaufen, bis meine liebe Freundin Pia Alarm schlug. Das sei eine Invasion, man müsse der Ursache nachgehen, man müsse die Brutstätte ausfindig machen. Ich entgegnete: „Brutstätte, wo soll denn das sein, bitteschön? Die kommen wahrscheinlich aus der Spüle, woher sonst.“

Pia lässt sich nicht gerne mit faulen Argumenten abspeisen und fing an, die Küchenschränke zu öffnen. Ich machte gerne mit. Das Grauen fand ich dann selbst in dem nostalgischen Glasbehälter mit dem Biomüsli. Zu sagen, es lebte etwas darin, wäre leicht untertrieben. In dem Behälter wuselte und kruselte und raschelte und kraschelte es wie in einem wahnsinnig gewordenen Bienenstock. Dass es „Ephestia kuehniella“ (der Mehlmotte) zu eng wurde und sie hinaus wollte in die weite Welt, war ihr nicht zu verübeln. Die Natur findet einen Weg (Zitat Jeff Goldblum aus „Jurassic Park“).

Es dauerte noch Wochen, bis wir die letzten Würmchen und Falter ausmerzen konnten. Letztere nannten wir liebevoll Zünsler. Was ist das für ein schönes Wort: Zünsler. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Zünsler. ZÜNSLER. Und: Sie waren leicht zu beseitigen. Nicht so wie bei einem Moskito, bei welchem man fast immer danebenschlägt. Nein, ein Zünsler sitzt reaktionslos geduldig an der Wand, bis man ihm sanft das Leben ausdrückt. Hätte die Natur die Zünsler mit einem moskitoähnlichen Reaktionsvermögen ausgestattet, hätte mich der Irrsinn gepackt.

Ich kaufe jetzt kein Müsli mehr. Ungern auch Kellogs. Ich bleibe beim nahrhaften Wurstbrot. Und wenn mir ein Silberfischchen begegnet, nehme ich es auf den Arm, liebkose es und gebe ihm etwas von meinen Hausstaubmilben ab. Oder lege ihm ein paar Zünslerbrösel hin

Hier „Freddie“ Harants akustischer Beitrag zum Thema:

Herzliche Grüße,
Zinkl (Schreiberling), Harant (Akustiker)

Wir wünschen eine gute Zeit – bis in sieben Tagen zum nächsten zinkl-harant-Blog!
Thema: WAS IST COOL?

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