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Liebe Leserinnen und Leser,

was ist nur los mit dem Zinkl? Fällt ihm nix mehr ein? Kein Bock mehr auf Bloggereien? Unter meinen 54 Fans gab es bereits zwei, welche besorgt angefragt haben.

Ja mei! Was soll ich denn noch schreiben? Ist doch schon alles gesagt. Oder doch nicht? Eigentlich gäbe es ja Stoff genug in diesen verwirrenden Zeiten. So manche Wörter darf man aber nicht mehr sagen, nur noch denken. Das N-Wort für Schwarze. Das N-Wort für mit dünner Schokolade überzogenem Zuckerbatz. Das I-Wort für die indogene Bevölkerung Nordamerikas. Ist voll in Ordnung, wenn man das nicht mehr sagen oder schreiben soll. Man sollte es auch nicht denken, aber gelernt ist gelernt, das geht nicht so schnell aus dem Hirn.

Ganz andere Worte dagegen sind immer noch gerne genommen, in Gedanken, Worten und Schriftstücken. Zum Beispiel das H-Wort für unzählige Frauen, die vor nicht allzulanger Zeit von Männern aus fadenscheinigen und niederträchtigen Gründen gefoltert und ermordet wurden. Aktuell hat die großartige und recht progressive Monika Roscher Bigband ihr neues Musikalbum „Witchy Activies and the Maple Death“ genannt. Was immer es mit dem Ahorn-Tod auf sich hat: Auf dem Cover des Albums zeigt die Chefin der Band, Monika Roscher, ihr schönes Gesicht in einer grellpinken Popcollage — und ich nehme an, sie stellt sich da auch ein bisserl als Hexe dar.

Ich finde das ein wenig fragwürdig. Man hat alleine in zahlreichen Märchen der Gebrüder Grimm gelernt, dass es sich bei Hexen um bösartige weibliche Menschen handelt, die idealerweise vernichtet gehören. Ich will hier nicht behaupten, dass es keine bösartigen Frauen gegeben hat oder gibt, ganz bestimmt nicht. Aber ich will behaupten, dass die allermeisten Frauen, welche man als Hexen bezeichnet und grausam getötet hat, harmlose und mitunter auch kluge und helfende Zeitgenossinnen gewesen sind. Jahrhundertelang haben machtgeile Männer — vor allem die „Gottesfürchtigen“ — in den sogenannten zivilisierten Ländern besondere Frauen umgebracht, weil sie glaubten, das würde ihnen helfen, ihre Macht zu behalten. Oder weil sie irgendeinen anderen Schwachsinn geglaubt haben. Ich muss das nicht weiter ausführen, das ist bekannt.

Man ist zum Beispiel geneigt, eine unangenehm grantelnde ältere Dame als „oide Hex’“ zu bezeichnen. Das tun nicht nur Männer, das kann man auch von Frauen hören. Ich finde, da sollte man aufpassen. Wenn man schon nicht mehr INDIANER sagen soll, dann soll man auch nicht HEXE sagen. Denn beides sind Begriffe für Menschen, die sehr lange Zeit benachteiligt wurden, um es viel zu harmlos auszudrücken.

Da stellt sich nun die Frage, ob man alle Wörter aus der Gegenwart und der in Schriften überlieferten Vergangenheit ausmerzen soll, die Menschen ungerecht und falsch bezeichnen / bezeichnet haben. Alle Märchenbücher der Grimms einstampfen, den Struwwelpeter sowieso und noch einige andere schändliche Machwerke, die keine guten Gedanken erzeugt haben. In meinem Bücherregal steht aus nostalgischen Gründen das Grimmmärchenbuch vom Bertelsmann Verlag aus meiner Kindheit. Aber mir ist bewusst, dass in den meisten Geschichten eine Frau für das Schlechte steht: Hexe, Schwiegermutter, böse Fee, (weibliche) Ziege, etc. Eher selten liest man von niederträchtigen Königen oder Vätern oder sonstigen Unholden. Alleine das beweist schon, dass Grimms Märchen von einer widerwärtigen Ideologie infiltriert sind. Viele dieser Scheißgeschichten braucht heutzutage kein Mensch mehr. Das meine ich nicht ironisch.

Dafür will man nun die Bundesjugendspiele abschaffen. Ich habe diese Veranstaltungen als Schüler geliebt, weil man nur ein bisserl laufen, springen und werfen musste und sich dann ab 11 Uhr unbemerkt verdünnisieren konnte, um sich ein Eis kaufen zu können. Schon gibt es Stimmen, die behaupten, es wäre ein Verlust, wenn sich die jungen Menschen nicht mehr sportlich aneinander messen können, um ihren Charakter zu bilden, um in der menschlichen Gesellschaft ein wertvolles Mitglied zu werden und keine beschissenen Wutbürger, welche die AfD wählen.

Wer ist der Schnellste, wer kann am weitesten in einen Sandhaufen hineinhüpfen? Mir war das damals relativ egal. Ich war zwar wahnsinnig schnell auf 50 Metern, aber dafür konnte ich die Eisenkugel nur einen Meter weit werfen. Beides hat mir nicht viel bedeutet und mich weder besonders stolz noch traurig gemacht. Dafür habe ich im Fußballverein psychisch vier Jahre lang sehr gelitten, weil ich aufgrund meiner schwachen Leistungen auf dem Platz meistens auf der Ersatzbank sitzen musste. Dabei wollte ich soo gerne mitspielen. Damals hat mir kein kluger Erwachsener freundlich aber deutlich erklärt, dass ich vielleicht als Rechtsaußen weniger geeignet bin als in der Verteidigung. Als Rechtsaußen habe ich aufgrund meiner Schnelligkeit (in diesem Falle: Hektik) fast jeden Ball verloren. Kein Wunder, dass man mich vom Platz fernhalten wollte. Nicht mal mein Vater hat mir Tipps gegeben, sondern nur mit versteinertem Gesicht zugeschaut. Es hat lange gedauert, bis ich aus eigener Gedankenkraft erkannt habe, dass ich diese Frustration nur abschütteln kann, wenn ich dem Verein kündige. Inzwischen bin ich ja E-Biker und kein Mensch verbietet mir das.

So, das war jetzt kein Hexenwerk, meine diffusen Ansichten und sportlichen Erfahrungen niederzuschreiben. Halt, ich will doch das Wort „Hexe“ nicht mehr in den Mund nehmen. Es ist ein böses Wort, weil es böse verwendet wird. Die liebe Monika Roscher sollte sich das auch mal überlegen. Übrigens spielt sie mit ihrer 15-köpfigen Band am 22. September 2023 in Gauting, im Rahmen ihrer „Witches-Tour“. Ich habe für Alexandra und mich Tickets besorgt, um mir die schöne Hex’ anzuschauen und wie sie ihre Musiker dazu bringt, geil zu proggen. Das Konzert dürfte inzwischen ausverkauft sein, aber vielleicht bekommt man noch Karten. Ich kann das sehr empfehlen. Man muss dafür auch nicht weit über hundert Euro hergeben, so wie für Coldplay, Depeche Mode, Pink oder Kiss.

Ich wünsche euch noch einen schönen Sommer, mit vielen leckeren Schokoladenhautzuckerweißbatzklumpen (NEUE Wörter erfinden, DAS ist es!).

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