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Liebe Leserinnen und Leser,

wir befinden uns im Herbst des denkwürdigen Jahres 1965. Die Beatles veröffentlichen ihr grandioses Album „Rubber Soul“. Der kleine Zinkl weigert sich nachhaltig, den Markt Schwabener Kindergarten zu besuchen. Und die deutsche Science Fiction-Serie „Perry Rhodan“ startet mit dem Heft Nr. 200 den spektakulären Handlungszyklus „Meister der Insel“. Während in der Realität der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion herrscht, ist die Menschheit in einer Fiktion des Jahres 2401 von Perry Rhodan zu einer starken Einheit verschweißt worden. Eine Einheit, die in der Milchstraße das Solare Imperium gegründet hat und dort unter den zahllosen außerirdischen Völkern einen Machtfaktor ersten Ranges darstellt.

Die Chefautoren Karl-Herbert Scheer und Walter Ernsting haben mit ihrem Team innerhalb von vier Jahren eine bombastische Weltraum-Saga erschaffen. Im Mittelpunkt steht der Astronaut Perry Rhodan, der bei seiner Erstlandung auf dem Mond extraterrestrische (außerirdische) Intelligenzen traf und sich mit ihnen verbündete, um die Menschenwelt zu einen und in eine glorreiche Zukunft zu führen. Zahlreiche Gefahren aus dem Weltall mussten dabei gebannt werden — schreckliche Gefahren, aber Perry und sein tatkräftiges Team sind auf Dauer unschlagbar.

In den bis zu 1.500 Meter durchmessenden kugelförmigen „Superschlachtschiffen“ der Menschen (Terraner) gibt es immer noch die Rangbezeichnungen Sergeant, Leutnant, Major, Oberst. Perry Rhodan ist mit dem Titel „Großadministrator“ der Chef der Menschheit. Karl-Herbert Scheer hat als Exposé-Auto eine Vorliebe dafür, Konflikte im Weltraum militärisch zu lösen, wofür er den Spitznamen „Handgranaten-Herbert“ erhält. Was er als ungerecht empfindet, denn seine Romanhelden wollen im Grunde Frieden mit den außerirdischen Völkern. Aber es ist halt eine Action-Serie und da müssen schon auch mal ein paar Raumschiffe explodieren.

Auf dem Blog-Bild ist übrigens der Ausschnitt einer Risszeichnung von Rhodans Flaggschiff „CREST II“ gezeigt — hier sieht man, dass der Moewig-Verlag schon in den 60er Jahren keine Mühen gescheut hat, um dem geneigten Leser auch die technischen Details der Serie nahezubringen. Als Kind habe ich es nur teilweise erfolgreich geschafft, diese Raumschiffskonstruktion abzuzeichnen. Leider sind mir meine diesbezüglichen Versuche verloren gegangen.

Die Autoren stellen die Terraner als frisches, tatkräftiges, wagemutiges, wehrhaftes, listiges und humorvolles Volk dar. Ein Volk, das all diese Eigenschaften stärker besitzt als die nicht menschlichen, außerirdischen Intelligenzen. Hier könnte man meinen, der Rassimus und die Feindschaft gegenüber „Eindringlingen“, die in unserer heutigen Realität allgegenwärtig sind, wurden damals in der Serie in größerem Maßstab in den Weltraum verlegt. Aber: Perry Rhodan ist der „gute König“. Er ist ein Vorbild für Humanität, er respektiert die Aliens in all ihren fremdartigen Facetten, er vermeidet Gefechte, er schließt Allianzen. Wenn das nicht geht, weil es sich bei den Außerirdischen um aggressive, unbelehrbare Angreifer handelt, müssen halt leider die fürchterlichen Transformkanonen ran.

Ich bin der Ansicht, dass Perry Rhodan-Leser eigentlich keine Rassisten sein dürften. Denn sie lernen in kosmischem Maßstab zu denken. Der Außerirdische Icho Tolot, ein Vertreter des Volkes der Haluter, sieht aus wie ein furchterregendes Monster. Er ist aber in seinen Möglichkeiten dem Menschen nicht nur körperlich, sondern auch in seiner Denkleistung und in seiner humanen Gesinnung weit überlegen. Tolot hat Mutterinstinkte und betrachtet die Menschen als seine beschützenswerten Kinder. Er ist der rettende Schutzengel, wenn es hart auf hart kommt.

Weibliche Personen tauchen zu dieser Zeit in den Romanen nur dann auf, wenn es sich um Gattinnen von Perry Rhodan handelt. Das Weltbild der Autoren ist das Weltbild von deutschen Männern Mitte der 60er Jahre und nicht das von Milchstraßenbewohnern im fiktiven 25. Jahrhundert. Aber die Serie hat inzwischen über die Jahrzehnte auch viele starke Frauenpersönlichkeiten etabliert. In der Hinsicht hat sie große Fortschritte gemacht — ganz im Unterschied zum real existierenden, rückwärts gerichteten „Vatikan-Imperium“, welches noch immer aus falsch programmierten Cyborgs zu bestehen scheint.

Ich habe einige Jahre meines Lebens damit verbracht, den unglaublich vielfältigen und faszinierenden Perry Rhodan-Kosmos zu studieren. Als Jugendlicher, als Erwachsener und zur Zeit in nostalgischer Anwandlung als älterer Herr. Natürlich sehe ich jetzt die Dinge in einem etwas anderen Licht, als der 11-jährige Zinkl das tat. Gerade, weil ich aktuell versuche, den Handlungszyklus von 1965 bis 1967 (immerhin 100 x 65 Seiten!) als Ganzes zu lesen: Da bemerke ich schmerzhaft die Trivialität dieser Literatur aus den 60er Jahren.

Manche Dialoge wirken gekünstelt, weil sie nur dazu da sind, um die bisherige Handlung zu repetieren. Mich nervt ziemlich das militärische Gehabe. Humor gibt es zwar auch, aber meistens generiert er sich aus infantilen Streitereien zwischen Romanfiguren. Das fand ich als Jugendlicher manchmal lustig. Solche Details muss ich inzwischen überfliegen. Zu ausführlich beschriebene Kampfhandlungen ebenfalls. Das Verfolgen der dramatischen Expedition zur 2,5 Millionen Lichtjahre entfernten Andromedagalaxis ist mir trotzdem ein angenehmer Zeitvertreib und ich projeziere mir damit eine abenteuerliche, fantastische Parallelwelt ins Gehirn. Wobei ich schon damit rechne, dass meine momentanen nostalgischen Gefühle für die Serie nicht allzulange anhalten werden.

Ich wünschte, es gäbe in unserer Jetzt-Zeit einen Perry Rhodan, der die ganzen widerwärtigen Autokraten auf ihre Plätze verweist. Der dafür sorgt, dass alle Menschen in Frieden und Wohlstand leben können. In Wahrheit stecken wir aber erneut in einer sehr dunklen Dekade der Menschheitsgeschichte. Und es sieht nicht so aus, als würde sich das noch ändern. Die Zukunft ist nicht das glorreiche Solare Imperium und die Erforschung des Universums — viel eher scheint es eine terranische Dystopie zu werden, in welcher der Mensch in Hitze, Wirbelstürmen und atomarer Verseuchung wimmernd verschwinden wird. Oder sollte ich mich irren? Schön wär’s.

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