
Liebe Kleinkunstfreundinnen und -freunde,
1981 kam es in Markt Schwaben zu einer folgenschweren Begegnung. Ich war ein 21-jähriger Zivildienstleistender und verbrachte viel freie Zeit in meinem Kellerdomizil mit Malen von Surrealem und Abstraktem — und mit wildem Geklimper auf einem billigen Keyboard. Um meine künstlerische Attitüde zu unterstreichen, trug ich einen Vollbart und einen rotschwarzkarierten Morgenmantel aus Wolle.
An einem Samstagnachmittag bekam ich unangekündigten Besuch. Das war damals etwas völlig Normales. Den Sepp kannte ich bereits ein wenig (sein älterer Bruder war in meiner Realschulklasse gewesen), der Hans war der beste Freund vom Sepp, mir aber bislang nicht begegnet. Sepp war der lässige (heutzutage würde man sagen: coole) Typ mit Schlag bei den Mädels, Hans hatte feuerrotes Haar — ihn konnte ich nicht einschätzen. Keine Ahnung, warum mich die beiden plötzlich besuchten. Irgendwann viel später erzählte mir Hans, Sepp hätte mich als „verrückten Künstlertypen“ angepriesen, den man kennenlernen müsste. Wie er darauf gekommen ist, weiß ich nicht — aber es sollte mein Leben nachhaltig verändern.
Hans muss wohl von meinem Erscheinungsbild irritiert gewesen sein, auf jeden Fall hatten die beiden Besucher ihre Gitarren dabei und begannen mir ein paar eigene Lieder vorzuspielen. Anstatt konzentriert zuzuhören, spielte ich sofort auf meinem Keyboard völlig unpassend und mit falschen Tönen mit. So war ich eben. Wir hatten aber irgendwie Spaß und fingen an zu fantasieren. Ich schlug vor, wir könnten ja als Trio einen Auftritt planen: mit Liedern und satirischen Sprechstücken. Kabarett halt. Also vereinbarten wir ein weiteres Treffen, zum Brainstorming.
Ich war damals als Zivi in kreativer Hinsicht völlig unausgelastet — daher für dieses neue Projekt Feuer und Flamme. Ich dachte mir für mich eine Rolle als „verrückter Professor“ aus und schrieb skurrile Vorträge voller Unfug. Hans und Sepp entwickelten humorige Sketche und feilten an ihren Liedern. Meine beiden neuen, jüngeren Kumpels waren damals noch Schüler und organisierten schließlich nach ein paar Proben einen Auftritt in der Aula des Markt Schwabener Gymnasiums. Wir nannten uns „Scharwitzl“ (in Anlehnung an das Wort „Scharmützl = kleines Wortgefecht). Ich zeichnete ein Veranstaltungsposter, ließ es drucken und gemeinsam plakatieren wir wild und hemmungslos ganz Markt Schwaben zu.
Es war das Ende des Schuljahres, die Aula im Gymnasium an diesem legendären Abend brechend voll mit Schülern und auch Lehrern und sonstigen Hiesigen. Es hatte ja bislang im Ort keine ähnlichen Veranstaltungen gegeben, wir waren die kulturelle Speerspitze in Sachen Kleinkunst. Und haben uns, wie sagt man, nichts geschissen. Hans und Sepp spielten ihre Sketche und ein paar Lieder. Zum hitverdächtigen „Viechzeigs am See“ zeigte ich großformatige Bilder mit gemalten Illustrationen. Ich trug einen weißen Arbeitskittel (den hatte ich noch übrig aus meiner Lehrzeit als Retuscheur) und hielt zwei Reden. Eine ging über den Mond, der — endlich wissenschaftlich erwiesen — aus Mehl bestünde und ich verschüttete dazu auf der Bühne ordentlich Mehl, welches meinen schwarzen Vollbart grau werden ließ.
Weil wir uns dachten, wir müssten eine richtig gute Show abziehen, organisierten wir von einem Bauernhof ein kleines Ferkel und brachten es auf die Bühne. Die Anwesenheit des Tieres ergab in Bezug auf unsere Darbietungen wenig Sinn, aber darüber machten wir uns keine Gedanken. Hinter der Bühne gab es mit dem verschreckten Schweinchen eine rechte Sauerei.
Am Ende unseres gemischten Abends gaben wir als Trio noch eine amateurhafte Schuhplattelei zum Besten. Das Publikum applaudierte sehr großzügig und verlangte Zugaben — und wir waren happy über unseren offensichtlich gelungenen „Kabarett“-Abend. Es war klar: Wir hatten Blut gerochen und würden auf jeden Fall weitermachen, mit neuen Stücken und Liedern.
Fortsetzung folgt.
PS: Sollte meine Berichterstattung Fehler aufweisen (die Erinnerung kann trügerisch sein), so bitte ich den Hans, dies in der Kommentarfunktion zu korrigieren bzw. gerne auch zu ergänzen.

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Kabarett war für mich damals Dieter Hildebrand. Die bayerische Note, die wir bei Scharwitzl reingebracht haben, stammte vor allem von meinen schauspielerischen Wurzeln im Schlierseer Bauerntheater. Erst ein Jahr nach den ersten Auftritten hörte ich von Leuten wie Sigi Zimmerschied, Polt und der Biermösl-Blosn, die ähnlich unterwegs waren, aber auf einem ganz anderen Niveau. Heute dominiert leider die Comedy, aber auch das gesellschaftskritische bayerische Kabarett hält sich wacker im Schlachthof oder dem Lustspielhaus — und die Harmloseren dürfen Abend für Abend im BR auftreten, der damals gerne mal redaktionell eingriff, wenn’s zu politisch wurde und die FJS-CSU für eine Art Zensur sorgte.
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