Liebe Leserinnen und Leser,

dies ist der vierte Teil meiner Berichterstattung über das Wirken der bayerischen Kabarettgruppe Scharwitzl (siehe auch die Blogs 334 – 336).

Es gab in den 80er Jahren eine Fernsehsendereihe des Bayerischen Rundfunks, die hieß „Wer ko, der ko“. Dort wurden Talente aus der bayerischen Provinz gezeigt, die irgend etwas Besonderes konnten: ein selbst geschriebenes Mundartgedicht aufsagen zum Beispiel. Der zünftige Moderator hieß Ekkehard Bauer. Ich weiß nicht mehr, wie es dazu kam, aber das Kabarett Scharwitzl wurde dazu auch eingeladen — die Aufzeichnung der Sendung fand in der Anzinger Turnhalle statt. Wir waren begeistert, dabei sein zu dürfen und schrieben einen speziellen Sketch. Inhalt: „Scharwitzl im Fernsehen“! Ich war so närrisch und ließ meine Mama dafür extra einen knalligen Karo-Pullover stricken. Eines kann man auf alle Fälle sagen: Nie waren wir schlechter als bei diesem TV-Auftritt gewesen, man müsste tatsächlich das Mäntelchen des Schweigens darüberstülpen. 

Das Kabarett Scharwitzl fing ab 1983 an, den Landkreis Ebersberg zu bespielen — aber nicht nur. Hans organisierte Auftritte in vielen Jugendzentren und in Gaststätten mit Bühnen — ich habe leider keine genaue Liste von den Orten, an denen wir überall aufgetreten sind. Auf jeden Fall waren wir in Poing, Grafing, Vaterstetten, Eichenau, Fürstenfeldbruck, Wasserburg, Sonthofen und in Prien am Chiemsee. Manchmal waren die Platzverhältnisse so beengt, dass wir nur wenige Quadratmeter zur Verfügung hatten. Oft gab es keinen extra Raum, um sich umzuziehen, also spannten wir ein großes Tuch auf und hatten dahinter unsere Koffer und Requisiten auf Stühlen. Es war manchmal leicht chaotisch, aber wir bewiesen stets Flexibilität und lieferten eigentlich immer eine ordentliche Show ab. Guten Erfolg beim Publikum hatten wir jedenfalls, natürlich nicht so viele Zuschauer wie bei unseren „Heimspielen“ im Markt Schwabener Gymnasium. 

In Markt Schwaben gab es ab 1984 die Weiherfestspiele. Das sind große, aufwändig gebaute Kulissen in nächtlicher, bunter Beleuchtung rund um den Weiher im Ortszentrum. Aufgeführt wurden dort eher langatmige Theaterstücke, persönlich verfasst vom Impresario Josef Schmid. Einmal wurde Scharwitzl für ein knappes Vorprogramm engagiert, da hatten wir nur eine winzige schwimmende Plattform und mussten darauf achten, nicht ins Wasser zu fallen. Dort spielte ich erstmals den scheinheiligen Guru. Der Guru trug einen blauen Kaftan und eine schulterlange Perücke aus dicken, weißen Wollfäden. Er versprach seiner Jüngerin (Andrea) das Seelenheil und beutete sie dafür natürlich finanziell aus. Andrea trug als Zeichen ihrer Anhängerschaft ein kindisches Kränzchen mit kleinen Windrädern (siehe Abbildung unten).

Gut in Erinnerung geblieben ist mir auch unser Auftritt in Ebersberg, in einem urigen Wirtshaus mit erhöhter Bühne. Unser Programm war mit ganz vielen neuen Stücken aktualisiert worden. Ganz frisch dabei hatten wir das Bauern-Epos, eine wilde Parodie auf das ländliche Bauerntheater. Hans spielte den jungen ungestümen Wuidara (Wilderer) Steffl, Andrea die verliebte Magd Resi und ich hatte eine Doppelrolle als Jaga (Jäger) und als grantiger alter Bauer. Der von Resi vergiftet wird, damit sie mit ihrem Geliebten Steffl den Hof erben kann. Wir agierten dazu natürlich in bayerischer Tracht, der alte Patriarch trug einen riesigen, angehängten, grauen Zottelbart, der nicht richtig saß und ihn ziemlich behinderte, als er auf der Bühne Brotzeit machte. Der Bauern-Epos-Sketch würde fast 30 Jahre später eine fulminante Wiederauferstehung feiern, als aufwändiges, abendfüllendes Musical.

Wahrscheinlich das beste Stück und ein Scharwitzl-Dauerbrenner war die Szene mit Hans als Wehrdienstleistendem (in seiner vollen Bundeswehrmontur und mit Gewehr) und Andrea als seine liebe, nostalgisch gestimmte Oma, die ihrem Neffen weinend erzählt, wie ihr seliger Mann im Krieg umgekommen ist. Der Soldat hört sich das verständnislos an und geht völlig ungerührt wieder zum Dienst. Danach herrschte im Publikum betretenes Schweigen.

Hans gab auch ganz großartig einen schrulligen alten katholischen Pfarrer, der sich einem Gemeindemitarbeiter (von mir gespielt) verweigert, Asylsuchende aufzunehmen, obwohl er in seinem neuen Pfarrhaus mehr als genügend Platz dafür hätte. Wir spielten das „Asylantenstück“ Jahrzehnte vor Merkels „Wir schaffen das“ und unserer heutigen politisch brisanten Migrantensituation.

Inhaltlich eher harmlos war der Sketch mit mir am Bahnsteig, frierend auf den Zug wartend und sich dabei mit einem Flachmann aufwärmend — Andrea leistet mir trinkend Gesellschaft, entpuppt sich dabei aber als fiese Fahrkartenkontrolleurin, die mich aufs Kreuz legt. Den Betrunkenen spielte ich gerne.

Eines der lustigsten Stücke von Hans und mir war das „Geschmäckerlied“, welches über Touristen herzog, die sich kitschige Souvenirs mit nach Hause nehmen. Ich darf daraus zitieren: „Herr Matzke kauft in Lüdenscheid ein Schnapsgefäß zum Spaß — es ist ein kleiner nackter Schelm, der pisst den Schnaps ins Glas. Erlaubt ist, was gefällt, es kost’ auch nicht die Welt. Es ist sehr hübsch und schmückt das Heim und kann eine schöne Erinnerung sein. Die Geschmäcker sind halt verschieden, hauptsach’, die Menschen sind zufriiiiieden.“ Dazu zeigten wir sehr schöne Requisiten, beispielsweise eine bunt beleuchtete Plastik-Gondel aus Venedig. Dieses Lied kann ich immer noch auswendig, fast jedenfalls.

Am liebsten würde ich hier über einige weitere Stücke berichten, die wir mit großem Erfolg auf den Bühnen zum Besten gaben, aber die Highlights habe ich bereits genannt. Oder, Hans? Na gut, zu erwähnen wäre noch der Klassiker: die „Familie Scharwitzl“ an Allerheiligen, vor dem Familiengrab, mit dem Bubi, der einen Wurm sieht und seinen Vater fragt, ob der nun die Oma frisst. Das war auf der Bühne sehr witzig, mehr, als man sich es jetzt hier denken könnte.

Viele Manuskripte gibt es noch, aber bei weitem nicht alles, was wir von 1982 bis 1987 schrieben und spielten, es war auch so manches textlich improvisiert und lebte von spontanen Einfällen, über die wir oft selbst lachen mussten. Man kann sagen, was man will: Wir hatten immer eine Wahnsinnsgaudi bei unseren Vorstellungen.

Über eine große Ehrung, die uns in dieser abenteuerlichen Scharwitzl-Zeit zuteil wurde, berichte ich im nächsten Blog Nr. 338: Scharwitzl, Teil 5.

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