074_jesus

Liebe Leser,

als passionierter Musikhörer hat der Zinkl so bestimmte Phasen. Da hört er dann über Wochen zum Beispiel besonders viel Leichthörmusik (in Fachkreisen auch Easy Listening genannt) von Percy Faith oder Herp Alpert. Wenn ihm schließlich vor lauter Leichtigkeit ein wenig übel geworden ist, gibt er sich eine Zeitlang wild verfrickelten Progressive Rock.

Das Frickeln ist ein Fachausdruck aus der Szene und soll bedeuten: virtuoses Abspielen komplizierter Tonfolgen in Hochgeschwindigkeit an elektrischen Gitarren oder jaulenden Synthesizern. Das kann einen entweder wahnsinnig nerven oder mental angenehm auffrischen. Ich bevorzuge zweiteres. Musiker, die ihr Handwerk an Saiten- oder Tasteninstrumenten besonders gut beherrschen, zeigen gerne, wie gut sie frickeln können. Warum auch nicht? Nicht ständig und dauernd liegt die Würze in der Einfachheit, man muss sich auch mal komplex austoben dürfen.

Progressive Rock inkl. Gefrickel hat in den 90er Jahren einen neuen Aufschwung erlebt. Obwohl es eigentlich das Jahrzehnt von Boom-Boom-Techno gewesen ist, gab es auch in dieser öden Zeit Menschen mit Verstand, denen es Spaß machte, exzentrischen Tonfolgen und spannenden Melodien zu folgen. Dazu gehörte Zinkl eindeutig.

1992 gründeten die Brüder Neal und Alan Morse in Los Angeles zusammen mit anderen kompetenten Musikern die Band Spock’s Beard. 1995 brachte die Gruppe ihr erstes Album „The Light“ heraus. Darauf fanden sich zwar nur vier Songs, aber die dauerten etwas länger, so ca. zwischen 6 und 23 Minuten. Mit großer Virtuosität präsentierten Spocks Bärte höchst abwechslungsreiche Kompositionen mit komplexen Strukturen, welche vielen ambitionierten Musikhörern endlich wieder was Gescheites zu Beißen gaben, nachdem diese bereits die Hoffnung aufgegeben hatten, dass außer Technodünnschiss nichts Gutes mehr kommen würde.

Mastermind von Spock’s Beard war Neil Morse. Ein Multi-Instrumentalist, höchst versiert an Gitarren und Keyboards und darüber hinaus ein ausdrucksstarker Sänger. Neil Morse war der hauptsächliche Songwriter und der Frontmann der Band. Als die Gruppe in den späten Neunzigern auch mal in München aufgetreten ist, versäumte es Zinkl nicht, sich das anzuschauen. Neil gab sich als bestens gelauntes Energiebündel, das wie ein Derwisch zwischen seinen Instrumenten hin- und hersprang und nebenbei auch noch klasse gesungen hat. Ein handwerklich perfekter und sehr kreativer Musiker.

2002 las ich mit Entsetzen, dass Neil aus religiösen Gründen die Band verlassen hatte. Er wollte sich von nun an verstärkt auf seinen christlichen Glauben konzentrieren, mit ganz eigener Musik Gott/Jesus dienen und ein glückseliger Mensch sein. Er brachte Alben mit einfacheren Lieder heraus, in denen er vor allem Gott pries, zu welchem er nach langer seelischer Not endlich gefunden hatte — aber produzierte trotzdem auch weitere „komplizierte“ progressive Rockmusik, allerdings mit Texten, die sich ebenfalls stark auf den Heilsbringer Jesus konzentrierten. Dass er dabei oft sehr tief in die Kitschkiste hineingelangt hat, wurde von diversen Rezensenten seiner Musik immer wieder beanstandet. Neil ließ sich aber nicht beirren, er war überzeugt von dem, was er tat — und er tat es mit großem Fleiß und positiver Energie.

Ich bewundere Neil Morse dafür, auch wenn ich selbst weit weit weg bin davon, an einen Gott namens Jesus zu glauben. Im Nullerjahrzehnt des dritten Jahrtausends n. Chr. berichtete Neil in seiner Musik sehr persönlich und ausführlich von seinem früheren Leben — und wie sinnlos und grau er es empfunden hatte, bevor ihm der christliche Glauben und die Gemeinschaft einer Kirchengemeinde Trost, Erlösung und neue Freude am Dasein brachte.

Da ich der Ansicht bin, dass religiöser Glaube eine Geisteskonstruktion ist, die auf reiner Fantasie und auf Wunschdenken (manchmal auch auf Angstdenken) basiert, finde ich es immer wieder faszinierend, wenn ich von Leuten höre oder welche treffe, die mit dieser Konstruktion totally happy und saumäßig selig geworden sind. Das ist doch schön, und das meine ich alles andere als ironisch.

Zinkls zweite Jahreshälfte 2018 war geprägt von der Suche nach einer neuen Frau an seiner Seite. Wie in einigen Blogs ausführlich erzählt, war das ein aufwändiges und kompliziertes Projekt, welches der chronisch ungeduldige Zinkl um die Weihnachtszeit 2018 entnervt hinzuschmeissen bereit war. Er konzentrierte sich auf sein Fitnessprogramm, aber in einer schwachen Stunde kam es ihm plötzlich in den Sinn, mehr oder wenig ernsthaft an das allmächtige Universum zu appellieren, ihm nun doch bitte endlich das ideal passende Weibchen zu schicken.

Nun, das Universum tat wie geheißen. Kurz vor Weihnachten stapfte auf ganz leisen samtigen Pfoten eine Romanze heran, in liebreizender Verbindung mit einer gewissen Claudia. Verrückterweise kannte Zinkl diese Frau oberflächlich sogar schon von früher, aber es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass SIE es sein würde, die ihm das jungfräuliche 2019 so wunderbar versüßen würde.

Ich kann es nicht anders sagen, aber: Jesus loves Zinkl. Obwohl er nicht an ihn glaubt! Das muss man sich mal vorstellen: Da lebte vor über zweitausend Jahren ein gottgleicher Mann namens Jesus, verwandelte Wasser in Wein, machte Blinde sehend, starb für die Sünden der Menschheit, entschwebte nach seiner Kreuzigung in den Himmel und hat ausgerechnet jetzt dafür gesorgt, dass der ungläubige Zinkl ein neues Glück gefunden hat.

Gut, man kann sagen, das Universum ist verantwortlich. Aber wer hat es konstruiert? Eben! Jesus Christ Superstar, der Architekt der Nächstenliebe. Ihm gebührt die Ehre und der Dank. Es fehlt nicht mehr viel, und das nächste Zinklmusik-Album wird eines sein, welches diesen lichtdurchfluteten Gott der Christenheit dermaßen lobpreisen wird, dass sich die ungläubigen Balken biegen. Neil hat gesungen: „Jesus’ blood can make the vilest sinner clean.“ Was Neil kann, das kriegen wir mit schräg gefrickeltem Elektroprog schon auch noch hin, das wäre ja gelacht.

abstand-linie

zinkl-harant_icon2