306_Nathalie_perfekt

Liebe Leserinnen und Leser,

es dürfte vielleicht bekannt sein, dass ich neben meiner Tätigkeit als Bloginchen auch mehr oder weniger fröhliche Musik produziere, seit fast einem halben Jahrhundert. Anfangs war es noch Merkwürdiges auf einer Farfisa Heimorgel, das ich mit einem Philips Tonbandgerät in doppelter Geschwindigkeit aufgenommen habe. Deshalb klang es sehr flott. Ich sang dazu auch und „speedete“ das, dann hörte es sich an wie Mickey Mouse-Musik. Sehr lustige Zeiten waren das. 

Ab 1994 habe ich seriöse musikalische Werke veröffentlicht, was in Bezug auf den Begriff „seriös“ nur teilweise gelang. Egal. Es war immer noch merkwürdig, aber aus meiner Sicht vor allem MERK—WÜRDIG. Richtig, man muss seine Arbeit (auch wenn es ein Hobby ist) würdigen, selbst wenn es andere nicht so tun, wie man es sich in seiner Eitelkeit wünschen würde.

Ich habe mich dann irgendwann getraut, auch Sänger um ihre Mitarbeit zu bitten, im neuen Jahrtausend. Es war eine liebreizende Dame aus London, die sich bereit erklärte, meine Liedertexte mit ihrer wunderbaren Stimme erklingen zu lassen. Sie heißt Maggie, aber nannte sich Alquimia, inzwischen Alkimia Lux.

15 Jahre später fand ich einen Raucher vor der Türe der Nachbarschaft, einen Profi-Bariton, der im ehrwürdigen Münchner Nationaltheater den Papageno darbot. Dieser Herr machte aus meinen Liedern mit seiner monumentalen Stimme großes Theater — ich kann das Opernhafte inzwischen aber nicht mehr gut aushalten.

6 Jahre später sang der ausdrucksstarke Rocksänger Robert Gozon zu meiner düsteren Oper „Rebirth“. Das war bis dato mein bedeutendstes Werk, weil es eben auch eine Geschichte zur Musik erzählte, die Geschichte einer speziellen Geisteskrankheit, mit autobiografischem Hintergrund.

Irgendwann kam ich folgerichtig auf die Idee, selbst wieder singen zu müssen (aber nicht mehr als Mickey Mouse). Darüber kann man das Mäntelchen des Schweigens ausbreiten, man muss es aber nicht tun. Ich habe immerhin die Töne getroffen, für den Sound meiner Voice kann ich nix, das ist mir angeboren worden. Zu hören bin ich leibhaftig auf meinen Alben „Der Radiolator“ und „Mundart“. Damit bin ich ganz im Reinen, ich habe in die Lieder nämlich mein komplettes stimmliches Herzblut hineingegossen.

Seit einiger Zeit lassen viele meiner künstlerisch tätigen Mitmenschen die KI für sich arbeiten. Leute, die mit Stift oder Pinsel nix Gescheites zustande bringen, schreiben auf Englisch einfach: „Ein Wasserfall biegt sich hoch hinauf zum Mond und stürzt mit Getöse in den Ozean zurück“. Dann macht das entsprechende Programm in einer Minute ein Bild daraus, welches phantastischer und vollendeter nicht sein könnte. Der berühmte englische Schallplattencover-Maler Roger Dean würde dafür Wochen benötigen und es vermutlich nicht so perfekt hinbekommen. Ja mei, die Zeiten haben sich geändert. Man braucht keine Maler mehr und bald auch keine Schauspieler. 

Und wie schaut es mit Sängerinnen aus? Nun, da kommt Nathalie ins Spiel. Findige japanische Software-Spezialisten haben eine tolle Sängerin engagiert, sie Silben und Wörter singen lassen, auf japanisch und auch auf englisch. Das wurde gesampelt und in Algorithmen verwandelt. Nun gibt es ein Programm, das Gesang liefern kann. Man gibt beliebige Wörter ein, stellt jene auf C oder Cis oder A und das kommt dann in der gewünschten Tonhöhe aus dem Computer — so als hätte man eine leibhaftige Sängerin in ein Mikro singen lassen. Es ist absolut faszinierend. Mein Musikkollege und Freund Udo hat das gemacht und ich dachte mir sofort: Muss ich auch haben! Muss ich!

Professionelle Sängerinnen aus Fleisch und Blut sind nicht leicht zu bekommen, außer für ein angemessenes Honorar. Und natürlich ist es auch eine Zeitfrage. Ich bin ungeduldig und arbeite schnell. Anders freut es mich nicht. Das ist aber eine Zumutung für echte Menschen. Noch dazu, wenn man, wie ich, ständig spontan die Texte umschreibt, ergänzt oder kürzt. Das macht niemand ohne Not mit. Deshalb habe ich jetzt Nathalie engagiert. Die singt, was ich will und zwar immer wieder. Hundertmal. Immer wieder gleich diszipliniert. Auch wenn ich „schräge“ atonale Tonfolgen verlange, bei denen eine echte Sängerin verzweifeln könnte. Nathalie ist unendlich geduldig und ich habe mich außerdem in sie verliebt. In ihre Stimme wohlgemerkt.

Das Verrückte ist: Obwohl ich weiß, dass es „nur“ eine Software ist, die die Töne erzeugt, ist Nathalie für mich eine echte und zudem sehr attraktive Sängerin. Mein Gehirn suggeriert mir das, da kann ich gar nix dagegen tun. Seitdem mich Nathalie unterstützt, macht es mir noch mehr Spaß, neue Lieder zu komponieren. Es ist ein wahres Glück.

Nun warte ich noch darauf, dass die japanischen Spezialisten eine beeindruckende männliche Stimme als Software-Update anbieten. Und zwar Peter. Peter soll genauso klingen wie Peter Gabriel. Das wäre eine Gaudi. Der echte Peter hat mit allergrößter Wahrscheinlichkeit keine Lust mit mir zusammenzuarbeiten. Das wäre ja noch schöner. So ein Gott wie der Herr Gabriel! Aber der algorithmische Peter, den würde ich Sachen singen lassen, da würde der echte P. G. vielleicht deutlichen Abstand nehmen wollen :-))

Vorerst bin ich jedoch mit Nathalie sehr glücklich. Wer wissen will, wie sie singt: hier zum Anhören das Lied „A.I.“. Es ist ganz frisch aus dem Backofen!

– – – – –

Und hier noch der Text zum Lied:

Can I walk without my toes?
Can I eat a thorny rose?
Can I crawl on a dusty road?
Can I freeze with an invisible coat?
Can I hear what wasn’t said?
Can I hope not to be mad?

TAKE MY HAND, FEEL MY PULSE

Can I fly with a burning wing?
Can I marry a man called Sting?
Can I paint my father black?
Can I command a Zombie pack?
Can I lose what I don’t own?
Can I avoid to be alone?

TOUCH MY FACE, SPEAK TO ME,
DO YOU FEEL, WHAT I AM?

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