
Liebe Jetsetter,
man kann nur mitreden, wenn man es einmal erlebt hat. Deshalb haben Alexandra und ich neun Tage auf einem Flusskreuzfahrtschiff des Schweizer Unternehmens „Thurgau Travel“ angeheuert, um von Basel nach Amsterdam (und wieder zurück) zu schippern. Den Rhein rauf, den Rhein runter. Ein großartiges Unterfangen, vom dem ich hier berichten darf.
Das Boot hört auf den Namen „Edelweiss“ und ist etwas kleiner als die „Aida“: Nämlich ist es anstatt mit 20 Decks nur mit drei plus Ober(Freiluft)-Deck ausgestattet. Besitzt aber trotzdem einen Lift, was der Zinkl durchaus zu schätzen weiß. Meine Geliebte und ich haben die Holzklasse gebucht, das bedeutet: Unsere Kajüten befinden sich im Keller gleich neben dem Maschinenraum und wenn man von dort aus dem Fenster schaut, ist man auf Augenhöhe mit dem Flussspiegel, was durchaus aufregend ist. Dem Rhein so nah, das hat man nicht oft. Auf gleicher Ebene, nur ein paar Meter weiter, befindet sich unser Bordrestaurant, fürs Frühstücken und Dinieren. Der Teppichboden dort hat eine bemerkenswert expressiv-konstruktivistische Musterung, da fällt es nicht weiter auf, wenn einem das Omelett neben die Füße rutscht.
Am Donnerstagnachmittag, den 4. April 2024, hat die Edelweiss das Baseler Rheinufer verlassen und pflügt sich seitdem Schleuse um Schleuse nordwärts durch den sanften Wellengang. Das Schiff scheint zu schweben, so leicht mutet die Fahrt an. Ein Gefühl der Meditation stellt sich ein, nur unterbrochen von kommunikationsfreudigen Schweizer Senior*innen, die sich ebenfalls an Bord befinden.
Was das für Menschen sind, die diese beschauliche Fahrt mitmachen? Ganz genau: Der Zinkl senkt mit seinen 64 Lenzen leicht den Altersdurchschnitt an Bord, während Alexandra hier die jüngste sein dürfte. Abgesehen natürlich vom Personal, welches aus aller Herren Länder zusammengewürfelt worden ist, um den Gästen jeden Wunsch von den alterstrüben Augen abzulesen. Ich habe es mir angewöhnt, mich schon am frühen Morgen als erster am Frühstücksbuffet einzufinden, bevor dort die geschwätzige, vor allem schwyzerdütsche Meute auftaucht, um mir das hervorragende Bircher Müsli und die kleinen leckeren Aprikosen streitig zu machen.
Wo wir schon beim Essen angekommen sind: Jeden Abend gibt es ein viergängiges Menü von ganz ausgezeichneter Qualität. Die Suppe ist heiß, der Barsch knackig, der Käse würzig. Gestern allerdings stand auf der Speisekarte als lokale Spezialität „Choucroute Garnie“: Das war angeblich ein Elsässer Sauerkrauteintopf mit Wurstspezialitäten (man beachte den Plural!). In der Realität bestand das Gericht aus einer einzigen Weißwurst, einem Stück Kasseler und einem kleinen Häufchen Sauerkraut. Nun gut.
Die Getränke sind bis auf das Leitungswasser nicht in der Pauschale enthalten, der freundliche asiatische Kellner bezeichnet mein aktuelles Lieblingsgetränk als „Weissenbier“, was in Ordnung geht. Überhaupt ist das gesamte Personal unfassbar freundlich und liebenswürdig, die gute Laune steht hier auf dem Tagesprogramm an erster Stelle.
Jawohl, es gibt natürlich auch ein Tagesprogramm! Die Edelweiss bewegt sich ja während der ersten Hälfte der Reise nordwärts vorbei an solch geschichtsträchtigen Orten wie Strassburg, Speyer, St. Goarshausen, Köln und Düsseldorf. An jedem Tag hält das Schiff an einer anderen Stadt, um die Touristen dort hinauszuschieben, auf dass sie per Bus oder per pedes die Örtlichkeiten inspizieren können. Gestern noch waren wir im Strassburger Münster, heute am Nachmittag gehen wir in den Kölner Dom. Die „Edelweiss“ wartet derweil geduldig am Kai, bis das Volk wieder eintrudelt, um das Abendessen nicht zu verpassen.
Was Alexandra und ich noch erleben dürfen auf unserer Tour, bis rauf nach Holland (inkl. Amsterdam, den Windmühlen von Kinderdijk und Rotterdam) und dann auf der Rückreise in Schimanski-Duisburg und auf einer Schwarzwälder Weinverköstigung, das kann ich nur erahnen und vielleicht bald im nächsten Zinkl-Blog erzählen.
Jetzt sehe ich auf dem linken Rheinufer ein kleines Schlösschen vorbeiziehen, wir bewegen uns gerade auf dem berühmten „romantischen“ Teil der Rheinlandschaft. Die Lorelei habe ich übersehen, Bonn liegt kurz vor uns. Es hat schon was, hier von der Edelweiss aufs deutsche Land zu schauen und ich muss an den legendären Film mit Kulenkampff, Giller und Erhardt denken: „Drei Mann in einem Boot“. Als dieser Klassiker gedreht wurde, war ich ein Jahr alt. Jetzt bin ich ein alter Mann und halte mit verklärtem Blick Ausschau nach den Rheintöchtern, wie sie auf dem goldenen Schatz der Nibelungen sitzen und kichern über komische Leute auf einem komischen Schiff.
Gestern nachts habe ich mir ein besonderes Vergnügen gegönnt. Auf dem Oberdeck befinden sich skurrilerweise ein Vier-Quadratmeter-Golfplatz und ein Heißwasser-Pool im Jacuzzi-Format. Diese beiden Spezialitäten werden von den Schiffsgästen bislang völlig ignoriert. Nicht aber letztere von mir: Nach dem Dinner habe ich mich bei dunkler Nacht in das heiße Wasser hineingelassen, um die wundersam beleuchteten Industrieanlagen gleich bizarren Märchenschlössern an mir vorbeiziehen zu sehen. Das war ganz großes Kino.
Ebenfalls sensationell ist der gereifte tschechische Bordmusikant „Petr“, der im Salon an Keyboard und elektrischem Piano jeden Abend in eleganter Pose Welthits zum Besten gibt, beispielsweise Gazebos „I Like Chopin“, Barbra Streisands „Woman in Love“ und gestern sogar die Filmmusik von „Der Schatz im Silbersee“. Ich bin ein großer Fan von Petr geworden und höre seinen ausgetüftelten Arrangements gerne zu.
Also alles bestens an Bord. Was mich persönlich nicht so toll antriggert, ist die launige Reisemanagerin Beatrix, die tagtäglich im Salon auf dem sogenannten „Diamant Deck“ mit leicht osteuropäischem Akzent (und verstärkt über die Bordlautsprecher) ausführlichst das bevorstehende Reiseprogramm zelebriert. Aber das ist Murren auf hohem Niveau; ich sollte diesen Service besser schätzen, der immerhin dafür sorgt, dass ich nach einem Tagesausflug nicht fußlahm und weinend am Ufer zurückbleibe, wenn das Schiff pünktlich ablegt, um weiterzuziehen auf dem Fluss der Flüsse.
Fortsetzung folgt.

Entdecke mehr von ZINKLS BLOG – DER BLOG ZUM PROG DES LEBENS
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.