Liebe Leser,
neulich, an einem Freitagnachmittag, klingelte bei mir das Telefon. Es war Tom Cruise, er wäre geschäftlich in München, hätte aber jetzt zwei Stunden Zeit und könnte auf einen Sprung bei mir vorbeikommen. Erstaunlich spontan, würde ich sagen, ich war eigentlich ziemlich beschäftigt, aber mein Gott, Tom Cruise! Das lässt man sich doch nicht entgehen! Also sagte ich zu.
15 Minuten später war er bereits da, mit flottem Schritt betrat er mein Domizil. Ein nur 170 cm großes Energiepaket mit einem Charisma, dass die Wände vibrierten. Und er sah umwerfend gut aus. Tom ist ja jetzt auch schon 55, fast in meinem Alter, aber ich musste anerkennen, da konnte ich nicht mithalten. Unter seinem lässigen großen T-Shirt und der weiten Jogginghose ahnte man den bis ins letzte Detail gestählten Körper — ich war wie elektrisiert, es fiel mir schwer, gelassen zu bleiben.
»Hi Tom, das ist ja eine nette Überraschung! Wie geht es dir?«
Tom zeigte mir sein berühmtes strahlendes Lächeln, mit der eindrucksvollsten männlichen Zahnbestückung, die ich je zu Gesicht bekommen hatte. Ich war kurz geblendet. »Tony! Mir geht es prächtig. Ich hoffe, mein spontaner Besuch kommt dir nicht ungelegen, tut mir leid, aber wenn man schon mal in München ist — ich dachte mir, das ist doch eine Wahnsinnsgelegenheit! Du hattest ja letztes Mal Herrn Kinski zu Gast – und ich hab’ doch auch mal ’nen Vampir gespielt.«
Ich: »Klar, Tom, das weiß ich doch, und mich freut das total, dass du mich besuchen kommst. Kompliment übrigens, du siehst fantastisch aus. Und dein Alter sieht man dir echt nicht an.«
Tom schien das Kompliment gerne zu hören. »Danke, danke, Tony. Ist alles nur eine Frage der Disziplin.« Plötzlich drehte er sich, ließ sich auf die Hände fallen und machte in einem irren Tempo hundert einwandfreie Liegestützen. Puh, der Mann war verdammt fit.
»Hey Tom, das brauchst du doch bei mir nicht zu zeigen, ich weiß ja von deinen Stunts, dass du megamäßig trainiert bist«
»Hey Tony, schon klar, aber ich brauche das. Alle zwei Stunden, das ist obligatorisch. Du siehst aber auch top aus, maximum Respekt. Hast du einen Personaltrainer? Scheint ein guter Mann zu sein.«
»Danke danke, Tommy, nun wollen wir es aber nicht übertreiben.« Ich zwinkerte ihm zu.
»Ich fand dich als „Jack Reacher“ übrigens totale Klasse. Im Grunde liebe ich ja alle deine Filme. Und dass du ein wahnsinnig überzeugender Schauspieler bist, das konnte man damals, 1999, in „Magnolia“ sehen. Auch als Vampir Lestat warst du unglaublich präsent! Wenn ich mir einen Tom Cruise-Film anschaue, weiß ich von vornherein, dass Spannung und beste Unterhaltung garantiert sind. Du schaffst das seit Jahrzehnten.«
»Hey, Tony, du musst das nicht sagen, aber das freut mich natürlich total. Ich gebe auch immer 300 Prozent.« Er hob die drei ersten Finger der rechten Hand und sah mich durchdringend an.
»Das weiß ich doch, Tom. Aber wie du da am Burj Khalifa gehangen bist, heilige Scheiße! Ohne Netz und doppeltem Boden, gerade so wie Spiderman! Das macht dir so schnell keiner nach.«
Nun deutete er mit beiden Daumen auf seine Brust. »Wo Tom Cruise draufsteht, ist Tom Cruise drin, Tony!« Dann lachte er herzlich, aber ich spürte, dass er diese Aussage verdammt ernst meinte.
»Du Tom, darf ich dir mal eine persönliche Frage stellen? Wie schafft du es eigentlich, dass du so tolle Zähne hast? Diese Pflege braucht schon auch Zeit, oder? Ich dachte mir immer, die Zähne der Stars werden in der filmischen Nachbearbeitung weißer eingestellt, so weiße Zähne hat doch kein Mensch. Aber bei dir, mein lieber Schwan, ich fasse es nicht, da brauche ich ja glatt eine Sonnenbrille!«
Tom lachte, dann griff er sich mit der rechten Hand in den Mund, umfasste seine Zähne und ruckizucki hatte er das komplette Gebiss in der Hand. Der Anblick war so erschreckend, dass ich fast vom Stuhl gefallen wäre. »Das ganze Geheimnis«, lispelte er. »Ich hab’ zwölf davon, die werden regelmäßig saniert, sandgestrahlt und so«. Er lachte komisch gurgelnd, dann steckte er sich das Gebiss blitzartig zurück in den Mund – Tom Cruise war wieder da.
Ich war fix und fertig. »Hey Tom, ich glaube, mich laust der Affe. Du hast es echt drauf. Du alter Trickser!« Ich klopfte ihm auf die Schulter und wir beiden lachten um die Wette. »Das wissen die Mädels aber nicht, oder?«
Tom: »Top Secret, Tony, wenn das meine Fans erfahren, bin ich unten durch. Du behältst das doch für dich, oder?«
»Versteht sich von selbst, Tommy! Du – apropos Mädels, ich muss dich jetzt mal was zu Nicole fragen (Anmerkung des Autors: Nicole Kidman). Ich fand sie ja schon immer sensationell gut aussehend. Als sie noch jünger war, in „Todesstille“ mit dem fiesen Billy Zane, mein Gott, wie habe ich diese Frau bewundert. Da bin ich schon etwas neidisch auf dich, Tom.«
»Hey Tony, das musst du nicht! Nico ist schon schwer in Ordnung, die Zeit mit ihr war toll, aber alles hat eine Ende, nur die Wurst hat zwei, hahaha.«
»Aber Tom, so eine Frau lässt man doch nicht gehen. In „Eyes Wide Shut“ seid ihr so ein tolles Paar gewesen, die Leinwand wäre vor Erotik fast zerbröselt. Meine Fresse!«
Tom wirkte kurz irritiert. »Naja, Tony, alles hat seine Zeit. Andere Mütter haben auch schöne Töchter, you know? Fandest du Mimi und Katie nicht toll?«
»Aber hallo! Doch ganz kurz noch zu Nicole, Tommy. Was mich zwar nicht wundert, ist, dass sie sich nun scheinbar auch hat liften lassen, gesichtsoperative Aufpolierung und so, Botox und so, wie das leider alle tollen Hollywoodfrauen irgendwann machen lassen. Ich denke da an Meg Ryan, die sieht jetzt ja aus, es ist zum Heulen. Bei Nicole sah ich die Veränderung auf einem Foto, aufgenommen bei irgendeinem Festival. Und ich dachte mir nur, ohjemine, Lady Kidman hat es nun auch getan! Aber, und das kapiere ich nicht, in einem ihrer letzten Filme, „Königin der Wüste“, da hat man davon so gut wie nichts gemerkt. Sie sah klasse und natürlich aus. Wie ist das denn möglich?«
»Hey Tony, das ist doch offensichtlich. Noch nie was von der Facebox gehört?«
»Facebox? Ich kenne nur Facebook, mein Lieber, hahaha.« Wir nahmen beiden einen Schluck klares Münchner Leitungswasser.
»Ist ja auch gut, Tony, dass das noch nicht so die Runde gemacht hat. Also: Die Facebox ist ein kleiner Hochleistungscomputer, der hat von einem Schauspieler ab einer gewissen Größenordnung alle Gesichtsbilddaten gespeichert, von allen Filmen, die er je gedreht hat. Das sind zigtausend Dateien. Und aus diesen sucht ein anderer, etwas größerer Computer dann das passende Bild raus für neue Szenen. Digitale Anpassung von Licht, Schatten und Bewegung, Perspektivenkorrektur, pillepalle, fertig.«
»Tom! Damit ich das richtig verstehe, in jeder neuen Filmszene werden Gesichtsbilddaten von früher einkopiert? Nicht zu fassen!«
»Bei Portraitaufnahmen ganz gewiss. Damit erspart man sich auch die ewige Prozedur der Maskenbildnerei. Du kommst ans Set, meinetwegen unrasiert und übermüdet, spielst deine Parts und der Computer macht den Rest. Geile Methode. Richtig geile Methode.«
»Hey Tom, hast du auch so eine Facebox?«
»Was glaubst du denn, Tony, was glaubst DU denn?« Tom holte aus seiner Jogginghosentasche ein kleines schwarzes Gerät heraus, so ähnlich wie ein iPod sah es aus, und legte es auf den Tisch. »Alles drin, alles drauf, mein Freund. Der komplette Cruise von „Endlose Liebe“ über „Top Gun“ bis zu „Die Mumie“. Hat jeder, so ein Teil. Nico, Leo, Denzel, die vier älteren Jennifers (Anmerkung des Autors: Jennifer Aniston, Jennifer Lopez, Jennifer Love Hewitt, Jennifer Garner). Nur Meryl nicht, die verweigert das. Die spielt lieber mit ihrem echten Gesicht, sie sagt, das macht ihr sonst keinen Spaß mehr. Ihre Sache, aber Meryl ist ja auch eine Klasse für sich, klar. Die bringt das.«
Ich war total fasziniert von dieser Erklärung, da fing Tom plötzlich schallend an zu lachen. Er krümmte sich und kriegte sich kaum mehr ein. Er stand auf und machte vom Stand weg einen Salto rückwärts. Danach sah er mich breit grinsend an. »Tony, Tony, dir kann man ja so einiges weismachen. Glaubst du etwa, es ist möglich, so einen Cruise-Salto realistisch zu programmieren? GLAUBST DU DAS? Never ever, mein Freund! Das ist alles live! Und erst Gesichter, die zeigen solche emotionalen Feinheiten, das schafft der größte Rechner der Welt noch lange nicht.«
»Und was ist mit dieser Facebox, die du mir gezeigt hast?«
Tom nahm das schwarze Gerät in die Hand. »Ach, das, das ist doch nur mein kleiner Kopfhörerverstärker für den iPod, klasse Teil! Komm, kleine Facebox, sag’ dem lieben Tony gute Nacht.« Dann steckte er das Ding kichernd wieder in die Tasche seiner Jogginghose. Er schien sich maßlos darüber zu freuen, wie er mich hinters Licht geführt hatte. Ich fand es, ehrlich gesagt, weniger lustig und war nun echt irritiert — und ärgerte mich über meine Blödheit und wie sich Cruise deswegen aufführte.
Daher war das nun ein guter Zeitpunkt, auf das kritische Thema zu sprechen zu kommen. Ich wollte meinem Gast ja nicht zu nahe treten, aber nun ging es wohl gleich raus aus der Komfortzone. »Du Tom, deine hochengagierte Mitgliedschaft bei diesem Scientology-Syndikat ist aber keine Verarsche, nehme ich an. Du hast dort bei anderen Mitgliedern ja angeblich eine Art Messias-Status. Ich kapiere es einfach nicht. Wie kannst du bei dieser gruseligen Sekte mitmachen, die bei ihren Mitgliedern permanente Gehirnwäsche betreibt, sie finanziell ausbeutet und die sie – sollten sie austreten wollen – so brutal unter Druck setzt, dass man das nur als menschenverachtend bezeichnen kann. Abgesehen davon habe ich von noch wesentlich übleren Machenschaften gehört. Und der ganze böse Verein ist praktischerweise unter dem Deckmäntelchen des Religionsbegriffes in den USA auch noch steuerfrei.«
Toms Lächeln gefror zu einem eisigem Grinsen und er sprach ganz ruhig. »Hey, Tony, stop, stop, stop. Klar kapierst du das nicht. Ich will dich jetzt nicht kränken, aber uninformierte Kleingeister, die nicht über den Tellerrand blicken können, sind seit Jahrzehnten unser Problem. Es gibt halt aber Leute, die sich mental über den Neandertaler-Status hinausbewegen wollen. Dazu gehört eiserne Disziplin, für Weicheier ist das gar nichts. Da musst du täglich hart dran arbeiten. Und zielorientiertes Brainwashing hat noch keinem geschadet, weil danach die Lampe heller brennt.«
Tom deutete mit dem rechten Zeigefinger auf seine rechte Schläfe, fing an, mit diesem Finger kleine Kreise zu zeichnen und schaute mich mit irrem Blick an. »Ist jedenfalls besser, als der ganze schräge Psychiaterkram und diese Depripillen, das kannst du alles in die Tonne treten. Und du hast sicher auch schon mal davon gehört, dass eine fette Mercedes-Benz-Limousine aus gewissen Gründen mehr kostet als ein schrottiger Lada Granta, richtig?«
Dieser kleine Gockel! Ich wollte schon zum Gegenschlag ausholen, da stand er auf und zeigte plötzlich wieder sein breites, gewinnenden Tom Cruise-Lächeln. »Messias, der war gut! Und ich dachte immer, diesen Status hat Johnny (Anmerkung des Autors: John Travolta, ebenfalls prominentes Scientology-Mitglied) — Tony, du machst dein Ding, ich mach mein Ding, jeder nach seiner Fasson, alles klaromaro?«
Dann vollzog er seine obligatorischen hundert schnellen Liegestützen, kam ohne ein Schweißperlchen auf seiner Stirn wieder hoch und hielt mir die Hand hin. »Tony, das war jetzt so ein richtig geiles Gespräch mit dir. Gute Bude übrigens, ich kauf dir die ab.« Er lachte, und ich wusste natürlich, dass er wieder einen Scherz gemacht hatte.
»Unverkäuflich, kleiner großer Tommy!«
Damit verabschiedeten wir uns, wir wären beinahe Freunde geworden, fast voll auf einer Wellenlänge. Und wenn ich mir den nächsten Cruise-Film reinziehe, weiß ich jetzt, dass alles echt ist. Vor allem die perfekt gewartete Cruise-Maschine.
PS:
Das Interview wurde selbstverständlich in Englisch geführt. Zinkl bietet hier aber die deutsche Übersetzung an — als Service für den deutschen Leser.
Herr Cruise war dann auch noch beim Harant zu Gast, da ist er völlig schmerzfrei:
Herzliche Grüße,
Zinkl (Schreiberling), Harant (Akustiker)
Nächste Woche erfahren wir mehr über Zinkls Vorbilder:
Hackenstein