Lieber Leser,
wer nun aufgrund dieser martialischen Überschrift denkt, der Zinkl schreibt über unser frisch angebrochenes Zeitalter von Feuer und Zorn, der wird enttäuscht sein. Oder nicht. Nein, nachdem ich gehört habe, dass die Firma Marlboro keine Zigaretten mehr produzieren möchte, sondern der bayerischen Firma Hipp bald Konkurrenz in Sachen Bio-Babynahrung machen wird, darf ich an ein bedeutendes Jubiläum erinnern.
Vor fast zehn Jahren wurde das komplette Rauchverbot in allen Gaststätten, Kneipen, Bierzelten und öffentlichen Gebäuden Bayerns gesetzlich durchgesetzt. Für die leidenschaftlichen Raucher war das eine katastrophale Niederlage, nachdem sich jene bereits Jahre davor unangenehmen Angriffen ausgesetzt sahen.
Anlässlich dieses Jubiläums möchte ich daran erinnern, was so mancher Tabakkonsument damals empfunden hat. Ich darf dazu Herrn Niko T. Pfaffinger im O-Ton zitieren:
»Es sind ungute Zeiten geworden in unseren Lokalen. Kaum will man sich in bester Gemütsverfassung ein Zigarettchen anstecken, steht schon eine dieser rot vor Zorn angelaufenen Typen vor einem, liebend gerne bereit, einem die Kippe von den Lippen zu dreschen. Am allerschlimmsten führen sich dabei diejenigen auf, die früher selber Raucher gewesen sind, diese „Geläuterten“, diese Pseudo-Missionare. Die öden Argumente, man würde die gute Luft kaputtmachen und das passive Rauchen wäre noch viel gesundheitsschädlicher als Selberqualmen! Herrschaftszeiten! Der Tabak ist ein menschliches Kulturgut ersten Ranges. Was wäre Humphrey Bogart ohne Zigaretten? Was Kommissar Maigret ohne seine Pfeife? Die Indianer haben Friedenspfeife geraucht! Wir Menschen genießen das seit ewigen Zeiten. Hat sich da mal jemand über einen Lungenkrebs oder ein gelbes Bein beklagt? Nein, man ist gestorben, weil es normal war. Schaut euch den Altkanzler Schmidt an. Gesund im hohen Alter! Sollen sie doch daheim bleiben, diese militanten Genussverächter, wenn ihnen das gemütliche Zusammensein friedlicher Leute nicht passt! Und was jetzt neuerdings einige hysterische Gesundheitsapostel fordern – das komplette Rauchverbot in den Wirtschaften — das ist ein Großangriff auf die bayerische Lebenskultur. Bald werden die Gaststätten menschenleer sein und sogar schließen müssen, eine wirtschaftliche Katastrophe für alle Wirte Bayerns ist zu befürchten.«
Solche Reden und Befürchtungen gab es früher nicht wenige, und von vielen Seiten wurde dem recht gegeben. Nachdem Hr. Seehofer 2008 aus dem Resort Verbraucherschutz in ein anderes Amt gewechselt war, machte der ehemalige Bundesgesundheitsminister in einem Fernsehhinterview klar, dass auch er die Forderungen der Nichtraucher für sehr übertrieben halte. Wechseltierchen Horst — neuer Job, neue Überzeugungen.
Mich hat der Begriff „militant“ — angewandt auf sich meist dezent beklagende Nicht(mehr)raucher — immer wütend gemacht. Als ob die Verfechter von schadstofffreier Restaurantluft uniformiert und mit Kalaschnikovs ausgerüstet durch die Kneipen gezogen wären, um die Schädlinge einzuäschern. Wenn ich damals von jemandem diesen Begriff „militanter Nichtraucher“ gehört habe, hätte ich dem Betreffenden am liebsten die Zunge herausgerissen. Und diese dann über Zigarettendampf schwarz räuchern lassen.
Wenn man nachdenkt, dann war der Begriff „militant“ in diesem Zusammenhang eine unverschämte Umkehrung der Tatsachen. Denn dem Rauchenden sollte doch klar gewesen sein, dass eindeutig er die Rolle des aggressiven Angreifers innehat, wenn er mit chemisch raffiniert hergestellten Todessubstanzen hantiert und deren Wirkung den anderen zumutet. Aber irgendwie musste er sich ja wehren. Also hat er den Spieß einfach umgedreht.
Man kann diese verteidigende Umkehrung der Fakten prinzipiell vergleichen damit, als wenn ein Regierungsoberhaupt einer Diktatur ein anderes demokratisches Land als wiedererstarktes Nazireich bezeichnet. Die 180 Grad-Verdrehung der Tatsachen ist eine perfide, aber manchmal leider wirkungsvolle Maßnahme, die Menschen mit klarem Verstand fassungslos dastehen lässt (okay, der Vergleich ist nicht ganz astrein, aber man weiß, wie ich es meine).
Zumindest ist der „militante Nichtraucher“ heute nicht mehr aktuell, denn die Schlacht um die Lokale haben die Raucher in vielen deutschen Bundesländern längst verloren (beim Griechen in Wolfenbüttel wird aber immer noch gequarzt – das war für den Besucher aus München wie ein trüber Blick in eine ungeliebte, tabakvernebelte Vergangenheit).
Zinkl, der überzeugteste aller Nichtraucher, war freilich nie aktiv militant. Er ist einfach nur feige geflohen vor der schwarzen Pest, hat seine vom Rauch tränenden Augen gewässert und die Klamotten sofort in die Waschmaschine geworfen. Immer wieder. Bis 2008.
PS:
Geschrieben in der Wolfartklinik, Gräfelfing. Inspiriert durch einen sehr netten Zimmergenossen, der nachts aufstehen und mit seinen Krücken weit laufen musste, um seine machtvolle Nikotinsucht befriedigen zu können. Ich wünsche ihm, dass er den Entzug schafft, nach dem er sich sehnt.
PPS:
Die lieben Österreicher haben fortschrittlicherweise das Rauchen inzwischen wieder überall erlaubt. Recht so! Was wäre denn ein guter Kaiserschmarrn ohne Teerzusatz? Kurz gesagt: Zucker und Teer, was woll’n ma mehr?
Herr Harant ist da sowieso anderer Ansicht. Das hört man hier:
Herzliche Grüße,
Zinkl (Schreiberling), Harant (Akustiker)
Nächste Woche ist es mir eine ganz besonders große Ehre, vom langersehnten Besuch des Meisters zu berichten: Gerhard P.
Militante Kommentare sind gefragt?
Die vielen Totschlagadjektive, die je nach Zeitgeist und aktuellen Vorkommnissen aus der Schublade geholt, und in den Hirnen der auf jeden Fall moralisch auf der richtigen Seite stehenden eingebrannt werden, beschränken sich nicht auf die Raucherfrage.
Militant ist eine Zutat, die immer gut kommt, egal in welchem Zusammenhang.
Es macht alles sofort klar.
Militante Aktivisten sind immer bäh.
Heute, 2018, wird ‚militant‘ wieder mehr im Zusammenhang mit der politisch rechten Seite verwendet.
Vor 40 Jahren war gleich klar, dass es um die linke Seite geht.
Zwischendrin wurde das Wort halt auch mal in einer minderpolitischen Diskussion verschossen.
Heute ist alles klar, wenn ‚terroristisch‘ und ‚feige‘ fällt, wobei terroristisch ohne feige gar nicht denkbar ist‘.
Insofern wird mir in diesem Blog nicht ganz klar:
Soll es nochmal gegen die Raucher gehen, diesmal mit dem Argument, sie können dank vernebelten Gehirns nicht mal mehr moralisch sauber argumentieren?
Oder soll es gegen Sprachungenauigkeit im allgemeinen gehen?
Oder soll es weiter um den ‚Schmerz‘ des unmilitanten Nichtrauchers gehen?
Qualm?!?%$
Cordula
Hat Harrant geschwiegen, oder nur mein Laptop?
Gehört Harrant eventuell zur schweigenden Minderheit?
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Na ja, ich find’s, wenn ich ehrlich bin, schon OK mit dem Rauchverbot, in „Speiselokalen“!!! Und wie ja von dir gesagt, den Klamotten tut es auch gut!
Nur dass ich jetzt auf der Wiesn auf meine geliebte gute kubanische Zigarre verzichten muß, stößt mir schon etwas auf!!! Aber diese ehemaligen Raucher sind schon wirklich am schlimmsten……., aber dann sieht man auch Eltern, die ihre Kleinsten in so witzigen Wägelchen hinten am Rad nachziehen, in denen die Allerliebsten genau in Höhe der Auspuffrohre der Autos durch des Gewühl des Stadtverkehrs gezogen werden! Aber macht ja nix, haben ja alle KAT und Russfilter! Na dann, Prost auf die Gesundheit!!
Bäda
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Militant… Ich bin eine absolut überzeugte Raucherin. Aber ich zwinge niemanden zu Rauchen oder den Rauch einzuatmen. Zuhause mache ich was ich will aber wenn es woanders gewollt ist gehe ich raus. Ok. Was irritierent ist ist wenn eine Freundin mit mir spazieren geht und im Anschluß meint sie hätte jetzt mindestens 4 Zigaretten eingeahtmet (der Wind kam von vorne). oder ihr kleiner Enkel schon draussen vor meiner Tür meint es stinkt und er würde es nicht überleben…. das ist auf jedenfall nervig! Oder aufgemalte Minifächen auf Freiluftbahnhöfen… was für ein unsinn… und das Kind das dann…wenn man da genüsslich rauch… sagt…ei das macht mich krank. ;-0 Wo ich sagen möchte: WAS hast DU hier zu suchen? DAS HIER ist eine Raucherfläche! Ich denke wir Raucher sind sehr TOLERANT!!!! ;-))
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Hi Cordula,
als vor über 10 Jahren und lange davor der Begriff militante Nichtraucher verwendet wurde, war das eine etwas andere Zeit in Deutschland. Es gab weniger Gewalt durch Terrorismus, weniger plakative Gewalt gegen Asylanten, weniger aktive Rechtsradikalität in der Bevölkerung, noch keine AfD. Heute ist der Begriff militant (leider) nicht mehr in einem solch vergleichsweise harmlosen Zusammenhang in Gebrauch und im Zusammenhang mit Gesundheit wirkt er anachronistisch.
Dieser Blog wurde einerseits von einem geschrieben, der dankbar ist, dass in bayerischen Gaststätten zigarettenrauchfreie Luft beschlossen wurde.
Dass es hier auch um Sprachungenauigkeit bzw. totale Übertreibung des Wortes militant geht, ist richtig. Raucher und Nichtraucher haben sich gegenseitig mangelnde Toleranz vorgeworfen, aber der Begriff hieß damals militante Nichtraucher und nicht militante Raucher. Klar, die Raucher wollten ja bei ihrem Tun nur in Ruhe gelassen werden, wobei man nicht vergessen muss, dass zwanghaftes Suchtverhalten mit im Spiel war und gerne mit „Genuss“ verwechselt worden ist. Ein Raucher wird jede Zigarette als (erleichternden) Genuss empfinden, weil sie seine Sucht befriedigt. Ausdrücklich davon ausnehmen möchte ich natürlich „Gelegenheitsraucher“, die die Sache im Griff haben, und die es durchaus auch gibt.
Ich habe einige sehr liebe Freunde, die rauchen, und denen würde ich nie ein vernebeltes Gehirn vorwerfen. Einige von ihnen leider aber unter dem Nikotinverlangen und hätte es gerne weg. Der unmilitante Nichtraucher (also ich) hat diesbezüglich schon lange keinen Schmerz mehr. Dieses „10 Jahre-Jubiläum“ hat ihn aber eben dazu gebracht, an eine Situation zu erinnern, die die Raucher damals empörend fanden und die heute völlig normal und allgemein auch von vielen Rauchern Akzeptanz findet.
Harant hat NICHT geschwiegen, wahrscheinlich dein Laptop. Schade.
Liebe Grüße, T.
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