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Liebe Leser,

es gibt Begriffe, die muss man heutzutage nur noch 3-jährigen oder 93-jährigen erklären. Da wäre zum Beispiel „wotzäpp“ — das kennt und hat inzwischen fast jeder.

Vielleicht noch nicht ganz so verbreitet ist das Wort „Emoutschi“. Es bezeichnet die kleinen bunten Illustratiönchen von allen möglichen Wesen und Dingen, die in einem modernen Smartphone zuhauf existieren. Davon mit Abstand am beliebtesten und beinahe ununterbrochen im Einsatz sind jene kreisrunden gelben Gesichtsscheiben, die — na was wohl? — Gefühle (Emotionen!) darstellen sollen und dies auch in bestmöglichem Maße vermögen.

Ursprünglich kommt das digitale Zeugs aus Japan, inzwischen sind wohl unendlich viele Grafik-Designer auf der ganzen Welt damit beschäftigt, neue Emojis zu entwerfen, für jede denkbare Anwendung. Muss ich mir nun neue absurde Anwendungen aus den grauen Gehirngängen saugen? Nein, muss ich nicht. Das kann jeder selbst tun und googeln, ob es dafür schon ein passendes Emoji gibt.

Was ich mich vor ein paar Tagen gefragt habe: Wie war es eigentlich möglich, in den — sagen wir mal — letzten 3.000 Jahren eine ausdrucksstarke und vor allem klare, auf das Wesentliche komprimierte Kommunikation mittels eines Briefes hinzubekommen — als es noch keine dieser vielgestaltigen Emoticons gab? Nun, bei den alten Ägyptern zur Pharaonenzeit gab es diese Sorge noch nicht, denn man hatte ja NUR Bilderzeichen zur Verfügung, welche man in hartes Gestein kratzte bzw. damit Papyrus bemalte, um inhaltlich schnell auf den Punkt zu kommen.

Aber als die menschliche Zivilisation langsam zu degenerieren anfing, weil man die einfachen und gut verständlichen Emojis durch arabische Buchstaben ersetzte, wurde es immer gängiger, sich mit Hilfe dieser Buchstaben umständlich und vor allem extrem zeitaufwändig auszudrücken. Aus der Zeit der deutschen Romantik gibt es beispielsweise diesen berühmt gewordenen Briefwechsel, den ich meinen werten Lesern nicht vorenthalten möchte:

„Liebes hochverehrtes Fräulein Gudrun Ulrike zu Freistatt-Hülsenberg!

Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit das stille und ganz gewiss freudvolle Vergnügen, Ihre Präsenz auf dem jüngst stattfindenen Empfang des Grafen Bernhard Bruns zu Gottmannshausen zu vermerken. Sie waren eine solch atemberaubend wunderschöne Erscheinung, dass mir just das Herz unter dem Hemde nicht nur schwoll, sondern dass es sich auch in eine Bewegung setzte, die zum Unterhalt meiner ansonstigen Lebensführung gar nicht vonnöten wäre. Ach, Fräulein Gudrun Ulrike, so sehr ich meine Gefühlswallungen doch in den harten Griff des Leutnants, der ebenso in mir steckt, zu bekommen trachtete, es war mir nicht gangbar. Und daher habe ich nun den nicht geringen Mut gefasst, bei Ihnen aufs Dezenteste anzuklopfen, ob Sie mir wohl die unerhörte und süßeste Ehre geben würden, mit mir ein Glas guten Sekts zu verköstigen, unter unseren vier Augen, meinen beiden höchst untertänigen und ihren beiden wunderschön leuchtendblauen Amethysten, die ihresgleichen auf dieser Welt suchen aber nicht finden werden.“

„Lieber Edwin Carlo zu Böttrich-Bodenburg!

Ich will mich ganz bescheiden bedanken über ihr Angesuch, welches meinem ansonsten eher blassen Wangenteint eine leicht rötliche Färbung bescherte und in meinem Kopfe einen spürbaren Anstieg von Hitze erzeugte, dies alles nicht völlig zu meinem Unwohle, das darf ich Ihnen versichern. Sie sind ein herrlicher Mann von Stil und Stolz und jede Frau dürfte sich freilich wahrhaftig beglückt fühlen und zeigen, wenn sie die Ehre und den Vorzug hätte, derartige Avancen von Ihnen empfangen zu dürfen. Leider, und dies tut mir im Herzen so weh, wie wenig zuvor in meinem Leben, muss ich Ihnen in ganzer Wahrhaftigkeit gestehen, dass mein Herz seit geraumer Zeit bereits vollständig vergeben ist, an den Grafen Bodo Matthäus zu Hellwig-Finkenbein. Ich bin ihm versprochen, ich liebe ihn von ganzem Herzen und ich werde mein Leben mit Bodo Matthäus teilen, solange es mir der liebe Gott gestatten wird. Bitte, lieber Edwin Carlo, seien sie darüber nicht verzagt, ich bitte sie sehr darum. In aufrichtiger und tiefer Freundschaft für immer, Ihre Ihnen durchaus schon auch ein wenig zugeneigte Gudrun Ulrike.“

Ja, liebe Leser, durch solch eine gestelzte und umständliche Kommunikation musste man sich damals durchquälen. Obgleich es ja noch nie so war, dass die Tatsachen sich verändern, je mehr Worte man verbraucht, um die Fakten auszudrücken. Das ist im Zeitalter von whatsapp und den lieben kleinen Emojis Gott sei Dank wesentlich leichter und zeitsparender geworden.

Im Falle unseres oben dargestellten Briefaustauschs hätte es ohne weiteres genügt, wenn der gute Edwin Carlo einen gelben Scheibenkopf geschickt hätte, der das Mündle spitzt und ein rotes Herz herausspuckt. Die schöne Gudrun Ulrike hätte dagegen als Antwort lediglich einen gelben Scheibenkopf schicken brauchen, der zwar ebenfalls das Mündle spitzt, aber OHNE ein solch bedeutungsschwangeres rotes Herz auszuwerfen. Dahinter dafür gerne noch das Umarmungssymbol: den verschmitzt lächelnden Gesellen mit den beiden bemitleidenswert verkümmerten Greifhändchen. Damit wäre alles klar gewesen, und Edwin Carlo hätte nach einem solchen knappen Austausch der argen Tatsächlichkeit ganz genauso den Strick fassen können, um sich am Dachstuhl im Pferdestall aufzuknüpfen und das Zeitliche zu segnen.

Vielleicht wird sich im Laufe der nächsten Jahrhunderte (sofern die Menschheit ihre sonstigen Probleme in den Griff bekommt) die schriftliche Kommunikation weiterhin optimieren lassen, so dass man auf sämtliche arabischen Buchstaben verzichten können wird und ebenso auf die komplizierten Schriftzeichen anderer Kulturkreise (z.B. diese in China). Dafür wird es noch ein paar Emojis mehr geben, was dann aber völlig genügen wird, um Inhalte kurz und präzise mitzuteilen. Weniger ist mehr — das gilt dann erst recht!

Gerne würde ich hier nun zum Abschluss dieses Artikels eine Abfolge der verschiedenartigsten gelben Scheibengesichter abbilden, vom lieb Küssenden über den hysterisch Lachenden zum schlimm Kotzenden, aber das ist eine recht umständliche Arbeit. Besser doch: Nehme bitte jeder Leser nun sein Smartphone zur Hand und bewundere sein Emoji-Sortiment, denn es gibt wenig Schöneres, als diese kleinen Mätze, die auf geringer Pixelfläche ein solch reichhaltiges Universum an Gefühlen vermitteln können, um das Zwischenmenschliche am Laufen zu halten.

Meine abschließende Empfehlung: Spart bei euren Mitteilungen nicht mit digitalen Rosen, Umarmungen, Küssen, Herzen etc., denn schaden kann das nie. Und umarmt auch eure Feinde, küsst sie, schickt ihnen Blumen und Geschenke. Noch einfacher und kostensparender wird es voraussichtlich nicht mehr werden, Frieden zu stiften und wahrhaftige Liebe zu schenken.

PS:
Habe darüber sinniert, ob die Herren Trump, Putin, Erdogan und Orbán jemals Herzchen spuckende Emojis verschickt haben, bin aber zu keinem Ergebnis gekommen. Jesus Christus hätte es ganz bestimmt getan. Was meint der werte Leser zu dieser Frage?

PPS:
Nächste Woche, das darf ich hier schon mal verraten, geht es um das Thema ONLINE-DATING (Emoji mit großen Glotzaugen, überrascht und leicht schockiert dreinblickend).

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