kant

Liebe Leser,

diesmal, ein paar Tage vor dem Weihnachtsfest, möchte ich zur Abwechslung mal ein wenig philosophisch und auch tiefgründig wirken. Und mich nicht nur wieder über Umweltprobleme lustig machen oder über sinnvolle Einkäufe in China palavern.

Kürzlich hatte ich ein informatives Gespräch mit einer freundlichen und sehr klugen Schülerin, in welchem es um die vier kantischen Grundfragen ging und zwar in Verbindung mit einem Thema aus ihrem gymnasialen Religionsunterricht. Anlass für das Gespräch war folgender:

Ein Pfarrer in Niederbayern erlaubt nicht, dass im katholischen Gemeindesaal Yoga-Unterricht gegeben wird. Weil Yoga aus einer asiatischen Religion käme und deshalb dort keine Berechtigung habe.
Natürlich hat der aufrechte Gottesmann unrecht, denn: Yoga selbst ist ja keine Religion und hat damit auch nicht viel oder sogar gar nichts zu tun.
Das ist belegbar, denn das Informationsblatt aus dem Religionsunterricht besagt:
Nur eine echte Religion ist in der Lage, auf alle vier kantischen Grundfragen Antwort zu geben, während sogenannte „Religionsäquivalente“ (für viele Menschen „Religionsersatzbereiche“ wie z.B. Esoterik, Sport oder Wissenschaft) eben nicht alle vier Fragen beantworten können.

Fragen, die nur die Religion beantworten kann? Im Internet forschte ich nach und es kam folgende Information in mein Bildschirmlicht:

Als ein zentrales Ergebnis seiner Reflexionen hat uns der Philosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) vier Fragen hinterlassen, an denen sich die Herausforderungen für Führungskräfte und Unternehmen spiegeln lassen:
1. Was kann ich wissen?
2. Was soll ich tun?
3. Was darf ich hoffen?
4. Was ist der Mensch?

Okay, da bin ich versehentlich auf irgendeiner wichtigtuerischen Business-Website gelandet. Macht nix.
In meiner jahrzehntelangen beruflichen Laufbahn als Grafiker im Bereich Werbung und Verpackungsdesign und als alleinige Führungskraft in meiner Firma ohne Mitarbeiter sind mir diese vier Fragen immer wieder begegnet — sie zu beantworten, war manchmal eine Herausforderung. Ich will hier gerne meine gesammelten Erfahrungen bündeln und diese vier Fragen bearbeiten, ohne dass mir die Religion dazwischenfunkt (mit welcher ich sowieso regelmäßig ein Hühnchen zu rupfen habe).

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1. Was kann ich wissen?

Wenn mir mein Auftraggeber keine klaren und unmissverständlichen Informationen — natürlich verbunden mit seinen Wünschen — zukommen lässt, dann kann ich einen Scheiß wissen, was zu tun ist. In diesem Falle lege ich mich auf meine schwarze Couch, um darüber nachzudenken, was man von mir wollen könnte.

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2. Was soll ich tun?

Diese Frage ist schon viel schwerer zu beanworten. Es gibt aber diesbezüglich in meinem Berufsleben eigentlich nur zwei Möglichkeiten:

a) Ich stelle mich der Herausforderung und beginne munter mit der mir angetragenen Aufgabe, auch wenn ich zu wenig Informationen darüber bekommen habe.
b) Ich werde unfassbar müde und lege mich sofort auf meine schwarze Couch, um in einen tiefen Schlaf mit bösen Träumen zu fallen.

Hier darf ich — ganz im Vertrauen — anmerken, dass mir Plan b) immer häufiger gefällt. Nicht die Träume wohlgemerkt, die davon handeln, dass ich mit meiner Arbeit nicht rechtzeitig fertig werde.

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3. Was darf ich hoffen?

Nun, hoffen darf ich vieles. Jeder darf soviel hoffen, wie er will. Und noch dazu: Die Hoffnung stirbt zuletzt, wie wir alle wissen.
Was allerdings mein Geschäftsleben betrifft: Nach getaner und hoffentlich sehr gut getaner Arbeit darf ich hoffen, dass mir mein Arbeitshonorar innerhalb eines angemessenen Zeitraums auf das Bankkonto überwiesen wird. Wenn es online sichtbar geworden ist, schafft sich eine große Erleichterung ihre Bahn und nun ist der Gang zur schwarzen Couch obligatorisch.

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4. Was ist der Mensch?

Das ist die leichteste aller Fragen. Der Mensch ist ein Konglomerat von chemischen Verbindungen in relativ komplizierter Anordnung. Es ist wünschenswert, dass diese Anordnung nicht allzusehr durcheinander kommt, weil man sonst krank und arbeitsunfähig wird.
Von Bedeutung sind noch elektrische Funken und Ströme im oberen Kopfbereich. Woher diese kommen, ist nicht bekannt, aber sie sind nützlich, wenn man seine Aufgaben sinnvoll bewältigen möchte.
Ohne diese — bewusst gesteuerten — Aktivitäten im Gehirn bliebe es bei dem besagten komplizierten Konglomerat, relativ unproduktiv und ziemlich leblos flackend auf einer schwarzen Couch.

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Habe ich die vier kantischen Grundfragen diesbezüglich ausreichend beantwortet? Ich hoffe doch sehr. Ich muss nun aber noch prüfen, welche Antworten die Religion liefern kann.

1. Was kann ich wissen?
Der liebe Gott schaut auf mich herab und passt auf, dass mir nichts Böses passiert.

2. Was soll ich tun?
Ich soll den lieben Gott verehren und auch fürchten, sonst ist Frage 1 in Frage gestellt.

3. Was darf ich hoffen?
Ich darf hoffen, dass ich ins Paradies komme. Wenn ich auf Erden ausreichend Gutes getan habe, sollte das gesichert sein.

4. Was ist der Mensch?
Diese Frage wurde leider in meinem damaligen Religionsunterricht nicht gestellt und deshalb auch nicht beantwortet, aber ich würde meinen:
Der Mensch ist ein armer Wicht, der sich gerne festklammert an Fantasien und Hoffnungen, auf dass sie ihm helfen werden, das Leben zu meistern. Das ist in Ordnung, dagegen ist wenig zu sagen. Und im übrigen gilt ja: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.

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Nun, wie man sieht, sind die vier kantischen Grundfragen so genial gestellt, dass sie auf unterschiedlichste Bereiche hervorragend angewendet werden können. Es lohnt sich immer, diese Fragen zu stellen. Im Berufsleben, im Bereich des religiösen Lebens, usw.

Sogar, wenn man in einen Swimmingpool steigt, sind die vier Fragen passend:

1) Das Wasser ist kalt.
2) Schwimmen.
3) Nicht zu ertrinken.
4) Der Mensch ist kein Fisch.

Mit diesen bedeutenden Erkenntnissen darf ich hier für heute schließen. Und wünsche euch allen ein wundervolles Weihnachtsfest, nicht enden wollendes Glück und überhaupt: viel Spaß beim Geschenkeaufreißen! I love you all.

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