Liebe Mädels und Jungs,
wenn man in den späten siebziger Jahren ein junger Bursche war, mit einem starken Fortpflanzungstrieb (die Gene!), so wie der Zinkl, dann absolvierte man die notwendigen Vorarbeiten in den ländlichen Diskotheken. Als Markt Schwabener hatte man da diverse Möglichkeiten.
Legendär war damals ein kleiner dunkler verwinkelter Kellerraum, den jeder unter dem Namen „College“ kannte. Heute steht das Gebäude an der Erdinger Straße immer noch und man kann dort an professionellen Schafkopfturnieren teilnehmen. Früher war die Kneipe mit einem Billardtisch ausgestattet und eine sehr enge steile Treppe führte nach unten ins Allerheiligste. Immer freitags und samstags war es dort ge’stopft voll, wie man so sagte. Buntes Scheinwerferlicht kämpfte sich durch die Zigarettenrauchschwaden, rings um die überschaubare Tanzfläche gab es winzige Tischchen.
Was wurde gespielt? Toto „Hold the Line“, Bee Gees „Saturday Night Fever“ und natürlich Talking Heads „Psycho Killer“: Fa-fa-fa-fafafaa-faa. Das kennt ihr bestimmt, gell? Alle haben laut mitgesungen. Fa-fa-fa-fafafaa-faa. Genau!
Die süßesten Jeansmädels aus Markt Schwaben, Erding und sogar auch aus München — alle waren sie da, denn das College war so was von IN. Ich bin mit meinem Kumpel Werner auch oft dort gewesen und wir standen verdruckst in den dunklen Ecken herum, darauf wartend, dass wir von einem sexy Mädel angesprochen wurden. Als nichts passierte, machten wir die drei Schritte zur Tanzfläche, um die Geschöpfe der Begierde hautnah ins Visier zu nehmen. Das war leicht, denn dort war es so eng, dass zwischen den Tanzenden nur noch ein Radiergummi gepasst hätte.
Im College habe ich zum ersten Mal die schöne Müllerstochter Anne gesehen und sie hat mich mit ihrer dunklen Mähne und ihrer ausgelassenen fröhlichen Art fast um den Verstand gebracht. Wohl nicht nur mich. Ich habe viele Jahre tollpatschig damit verbracht, sie für mich zu gewinnen, aber das war wie nach den Sternen zu greifen.
Ein weiteres etabliertes Establishment, etwas größer und nobler, gab es in Erding. Das „Pascha“. Der Zinkl im Schlepptau mit seiner damaligen Clique fühlte sich dort wie John Travolta und zeigte es auch. Bloß gut, dass er sich nicht im Spiegel beobachten konnte — aber ach, zu dieser Zeit waren die Glieder noch unvergichtet, die Knochen so wie Gott sie schuf und man konnte sich sorglos OHNE FFP2 ausschweifenden Bewegungen hingeben. Zu der Zeit kam die sogenannte „Popper“-Mode auf und manche Trendmädels waren entsprechend reizend aufgebretzelt.
Ich hatte damals noch nicht die Gabe, aufmunternd zu kommunizieren, daher blieb es immer nur beim Beobachten. Ein einziges Trauerspiel. Aber wir waren trotzdem gut drauf, tranken Pina Colada-Cocktails und kamen uns irgendwie wichtig vor. Was wurde gespielt? Donna Summer „I Feel Love“, Earth Wind & Fire „Fantasy“ und natürlich immer wieder Dionne Warwick „Heartbreaker“. Das war der Sound des Planeten. Wir brauchten nicht das Studio 54 in New York — wir hatten das College und das Pascha.
Während meiner Münchner Berufsschulzeit freundete ich mich mit dem smarten Robert Greifenstein an und lockte ihn nach Markt Schwaben. Mit seinem superschicken Buddy „Fuzzy“ wurde er Dauergast im College. Fuzzy kleidete sich in hellem Pastell und trug eine Brosche in Form eines goldenen Flugzeugs. Das werde ich nie vergessen. Robert hat später viel Geld in Rennpferde investiert und ist heute Immobilienmakler. Fuzzy wurde Türsteher im Münchner P1 und ging dann irgendwann in seiner Angeberei verloren.
Ach, wo sind sie hingegangen, die stürmischen Jahre meiner Diskothekenzeit? Wenn ich die Songs von damals heute höre, dann werden sie wieder lebendig. Bill Withers „Lovely Day“ ist für mich untrennbar mit dem Erdinger Pascha verbunden. Ganz wunderbar.
Wie komme ich eigentlich auf das Thema? Genau, ich habe kürzlich im Fundus meines Musikproduktionscomputers ein paar Zinklmusik-Raritäten von 2013 aufgestöbert, sie nochmal gemastert und dann dem Internet übergeben. Nun kann man sie endlich hören. Auf: https://zinkl.bandcamp.com/
Ich habe diese Sammlung DISCO genannt, obwohl die Musik echt sehr sehr wenig damit zu tun hat. Es ist halt zinklische Progressiv-Diskomusik. Hört doch bitte mal rein, das erste Stück „Disco“ könnte auch dem Mainstream-Hörer Freude machen. Und dazu kann man echt gut abtanzen. Der weiße Hai tanzt mit.
Was ist eigentlich aus der schönen Müllerstochter geworden? Naja, auch sie konnte dem Zahn der Zeit nicht entkommen. Nun gut, die Anne hat vor langer Zeit den coolen Künstler Robert Lang geehelicht, prächtige Söhne bekommen und wohnt immer noch auf dem Anwesen Wolfmühle im Süden von Markt Schwaben. Aber besuchen möchte ich sie nicht mehr, denn dann muss ich daran denken, wie schmerzvoll es damals war, als ich dort immer wieder vergeblich hingepilgert bin.
Vieles davon kommt mir sehr bekannt vor. Lange ist es her …
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Ja ja, der Robert und der Fuzzy. Fuzzy hab ich Jahre später im P1 getroffen – hat die Seite gewechselt – stand jetzt hinter der Bar und hat Getränke gereicht und war gar nicht mehr so 😎cool – wie das Leben so spielt.
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Oh mei… da werden echt Einnerungen wach! War da ebenfalls überall vertreten, aber da kannten wir uns noch nicht so gut! Da war dann auch noch Alicia Bridges mit „I love the nightlife“, da konnte man auch prächtig drauf tanzen!!
Die Anne kenn ich auch und ich hab sie vor ca. 4 jahren mal gesehen, als ich an der Mühle zum Kaffee trinken war! Immer noch eine hübsche und begehrenswertes Mädel (Frau) nur halt scho bissal „silber“ in den Haaren!! Hab mich in so viele verliebt (eine kennst du auch sehr, sehr gut…) und was ist…? Ganz a andre hab i dawischt und es hat nicht gehalten!
Ja mei, was wäre wenn….!!
Scheena Gruaß Bäda
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Genau so war’s. Was mir dazu einfällt? Whoa, Black Betty – Bam-ba-lam!
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Schöner Kommentar, Herr Schlicht ! – „Genau so war’s“ – da stimme ich, pfeilgerade und uneingeschränkt, zu. Ich trieb mich seinerzeit immer im Titanic in Aufhausen rum. Ein Ohrwurm beinhaltete die Textzeile „we can change the world – rearrange the world…“ (Crosby, Stills, Nash & Young – Chicago) – dazu blickte man in die seelig grinsenden Gesichter von Bekifften und Betrunkenen. Mit der Weltveränderung sind wir ja nachweislich nicht weiter gekommen. Aber a Gaudi wars schon. Disco forever !
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