Fortsetzung von Blog Nr. 268
28. Februar, Dienstag 19.00 Uhr.
Silke Bronzo hatte am Morgen auf dem Anrufbeantworter der Bronzos eine Nachricht von einer Kommissarin Kuroczyk bekommen, die Nachricht war auf Silkes Handy weitergeleitet worden. Sie wurde um Rückruf gebeten. Das tat Silke mit gemischten Gefühlen, aber blieb ihr etwas anderes übrig? Die Polizistin bat sie um ein persönliches Gespräch. Es wäre sehr wichtig und ginge um den Kriminalfall Neumann. Da Silke erst am Abend vom Flughafen zurück in ihre Wohnung kommen würde, vereinbarten die beiden Damen eine Besprechung um 19 Uhr — in der Wohnung der Bronzos.
Brigitta Kuroczyk klingelte exakt um 19 Uhr.
»Einen schönen Abend, Frau Bronzo. Sie haben für mich Zeit, das ist sehr gut. Bardzo dobry.«
»Hallo Frau Kuroczyk, ja, diese Woche geht es bei mir leider nicht anders, denn ich habe sehr viel Arbeit. Gestern übernachtete ich noch in Athen.«
»Sie sind Flugbegleiterin. Waren Sie schon mal am Flughafen Warszawa? In Warschau, dort lebt meine Familie. Mama i tata.«
»Natürlich, ich kenne den Chopin-Flughafen gut. Dort bin ich vor einigen Jahren sehr oft hingeflogen.«
»Ihr Mann hat mir mitgeteilt, er wandere im Bayerischen Wald. In welchem Ort und Hotel wohnt er dort? Er hat wichtige Informationen über den flüchtigen Neumann, welche ich benötige. Ich ermittle nämlich seit gestern in diesem Fall. Da ich Gespräche unter vier Augen bevorzuge und schätze, werde ich Ihren Gatten dort aufsuchen.«
»Äh, hat Ihnen mein Mann nicht gesagt, wo er genau ist? Er hat diese Wanderung nämlich sehr spontan geplant und mich noch gar nicht informiert, wo er hingefahren ist und wo er wohnt.«
»Das ist sehr schade, Frau Bronzo. Ihr Gatte ermittelt ohne Auftrag, also illegal, im Fall Neumann. Das ist protokolliert. Neumann war am letzten Mittwoch in Tübingen. Ihr Gatte wurde darüber informiert. Ich gehe davon aus, dass Herr Bronzo nach Baden-Württemberg gefahren ist, um dort weitere Ermittlungen vorzunehmen. Es ist also im Bereich des Möglichen, dass Ihr Gatte sich eben NICHT im Bayerischen Wald aufhält. In diesem Falle hätte er mir eine Unwahrheit mitgeteilt. To wcale nie jest miłe.«
»Frau Kuroczyk, darüber weiß ich nichts. Das müssen Sie alles mit meinem Mann besprechen. Über seine Arbeit als Kommissar unterhalten wir uns nicht. Das ist so bei uns.«
»Das ist so bei Ihnen! Sososo. Ciekawy!«
»Ich kann nicht polnisch, Frau Kuroczyk, tut mir leid.«
»Wo waren Sie am vergangenen Wochenende, Frau Bronzo?«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Das ist kein Rollenspiel, nur eine harmlose Befragung, Frau Bronzo. Wo waren Sie am Wochenende? Wo war ihr Mann am Wochenende? Ich gehe nun von Ihrer Wahrhaftigkeit aus, denn ich werde ihre Angaben überprüfen. Sprawdzę to.«
»Sie denken, dass ich lüge?«
»Ich denke darüber nach, was ich höre. Ich habe nicht gesagt, dass Sie lügen. Das heißt auf polnisch „Nie powiedziałem, że kłamiesz“. Capito?«
»Okay, Frau Kuroczyk. Okay. Ich hatte an diesem Wochenende keinen Dienst, deshalb sind mein Mann und ich nach Meersburg gefahren, an den Bodensee. Es war ein schöner Kurzurlaub.«
»DAS glaube ich Ihnen sofort, Frau Bronzo. Denn Meersburg liegt im Umkreis von Tübingen. Wie sind sie auf Meersburg gekommen?«
»Mein Mann und ich lieben das Meer. Aber wir hatten keine Zeit, so weit wegzufahren. Am Bodensee ist eine ähnliche Stimmung, daher Meersburg — eine sehr romantische Stadt, wissen Sie?
»Romantyczny! Sososo! Romantyczny!«
»Das habe ich jetzt verstanden, Kommissarin.«
»Kann ich davon ausgehen, dass sich Herr Bronzo jetzt noch immer im romantischen Meersburg aufhält? Zum Wandern? Oder zum Ermitteln? Und eben NICHT im Bayerischen Wald? Sie wissen es vielleicht nicht. Oder Sie wissen es doch? Wissen Sie es? Znasz to?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er danach in den Bayerischen Wald gereist, vielleicht auch nicht. Ich kann ihn ja nochmal anrufen.«
»Ah, das ist nicht nötig, Frau Bronzo. ICH rufe ihn nochmal an, das mache ich ruhig und zuverlässig. Nun aber möchte ich Ihren wohlverdienten Feierabend nicht länger verkürzen und empfehle mich. Vielen Dank für Ihre Wahrhaftigkeit, Frau Bronzo. Dziękuję bardzo!«
Frau Kuroczik verabschiedete sich. Gott sei Dank, dachte sich Silke. Diese polnische Kommissarin war ja eine richtige Wadlbeißerin, mit der war nicht zu spaßen und man konnte ihr offensichtlich auch kein X für ein U vormachen. Silke musste Dietmar anrufen!
»Hallo Schatz, wie geht es dir? Was macht die Nase? Und die Beule? Tut es noch weh? Ich muss dir was Wichtiges sagen.«
»Mäusle, naja, es geht schon, wird stündlich besser, die Nase. Und die Beule merke ich schon gar nicht mehr. Nase schlägt Beule, haha. Was gibts denn so Wichtiges?«
»Mich hat gerade eine Kommissarin Kuroczyk befragt. Sie war gerade bei mir, in unserer Wohnung. Eine wahnsinnig strenge Person. Die hat sofort den Braten gerochen und den Bayerischen Wald nicht gekauft. Die hat sich in den Neumann-Fall anscheinend schon richtig reingefressen. Sie hat mir gedroht, meine Aussagen zu prüfen, deshalb musste ich ihr leider sagen, dass wir beide am Wochenende in Meersburg waren.«
»Diese Kuroczyk! Ja, die scheint gar nicht blöd zu sein. Das hat uns gerade noch gefehlt, dass man eine solche Suchhündin auf uns loslässt, beziehungsweise auf MICH loslässt.«
»Schatz, du wirst sehen, die kommt nach Meersburg! Die glaubt, dass du weiter nach Neumann suchst, dort in der Gegend. Die hat vielleicht auch von deinem harten Verhör mit Neumann erfahren. Mensch, hoffentlich wird das nicht gefährlich für dich!«
»Ach was, diese Kuroczyk, die soll nur kommen, die kann mir gar nichts. Mach’ dir keine Sorgen, Mäusle. Der alte Bronzo macht das schon.«
»Na wenn du das sagst! Ich kann dir leider nicht dabei helfen. Habe eine volle Arbeitswoche.«
»Das wäre ja noch schöner, Mäusle, wenn du mir helfen müsstest. Das bekomme ich gebacken, vertrau’ mir! Ich liebe dich.«
»Danke. Das hast du lange nicht mehr zu mir gesagt. Ich liebe dich auch. Sei vorsichtig! Bussi.«
Bronzo war nervöser, als er es gegenüber Silke zugegeben hätte. Diese verdammte polnische Bitch! Klar hatte sie den Bayerischen Wald nicht gefressen. Er ging davon aus, dass sie ihn bald wieder anrufen würde. Das konnte er nun überhaupt nicht gebrauchen, er hatte noch immer keine Idee, wo Neumann mit der Raubinger hin war — falls sie überhaupt zusammen unterwegs waren. Vielleicht in der Schweiz, aber wo dort? Vielleicht bei Raubingers Verwandtschaft? Es war seine einzige Option, dahingehend zu forschen. Das Telefon klingelte. Verflucht nochmal, die Kuroczyk!
»Polizeipräsidium München. Kuroczyk, Brigitta. Wo halten Sie sich auf, Kommissar Bronzo?«
»Hallo. Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich wandere im Bayerischen Wald.«
»Herr Bronzo. A świnie potrafią latać. Können Schweine fliegen? Glauben Sie das? Ich weiß, dass es nicht so ist. Wie heißt der Ort und wie das Hotel im Bayerischen Wald, in welchem Sie logieren? Ich will und muss das überprüfen. Sprawdź.«
»Warum belästigen Sie mich in meinem Urlaub? Ich werde mich über Sie beschweren.«
»Narzekać? Das steht Ihnen frei. Aber das ist Zeitverschwendung. Denn ich spüre, dass Sie sich am Bodensee aufhalten. Sie suchen immer noch nach dem flüchtigen Neumann. Gestehen Sie das?«
»Ich gestehe gar nichts! Ich habe nichts zu gestehen. Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe.« Bronzo kappte die Verbindung.
Wenn die Kuroczyk bei der Meersburger Polizei anrufen würde und fragen, ob etwas Ungewöhnliches vorgefallen war, im Zusammenhang mit dem flüchtigen Kriminellen Gerald Neumann, dann war Bronzo am Arsch. Denn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit würde die Polizei den Vorfall in der Meersburg Therme im Dampfbad zur Sprache bringen. Und die Kuroczyk würde natürlich nachhaken und sich die Filme der Überwachungskameras zeigen lassen. Er musste darum bald weg aus Meersburg. Jetzt erst recht.
Fortsetzung folgt
Abbildung: sandid auf Pixabay