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Liebe Leser,

der gläubige Muselmensch möchte einmal im Leben nach Mekka reisen. Dagegen ist es für den Abendlandmenschen eine heilige Pflicht, irgendwann nach Paris zu pilgern, um dort dem Disneygott zu huldigen (wenn es zeitlich für Amerika nicht reicht). Zinklisch korrekt ausgeführt bereits 1999 mit dem damals zehnjährigen Töchterlein Marlena und heuer zu österlicher Zeit erneut — diesmal mit Linda-Teenie, deren Onkel Thomas inkl. Cousin Jul.

Walt Disney hat ja einiges von der europäischen Märchenwelt im letzten Jahrhundert nach Amerika importiert, dort zauberhaft versüßt, mit eigenen Helden angereichert und 1993 als schillernden Vergnügungspark (nach amerikanischem Vorbild) wieder exportiert: nach Paris. Man feiert hier deshalb das 25-jährige Jubiläum. Jeden Vor- und Nachmittag wird jenes mit einer schrillen Kostümparade mit schwungvoller Festivalsmusik zelebriert — karnevalsähnlich strahlen und winken die berühmten Disneyprinzessinnen wie Androiden von ihren prächtigen Kutschen.

Wenn man Disneyland das erste Mal betritt, haut es einen nicht nur als Kind von den Socken. Disney wollte den absoluten Heile-Welt-Park erschaffen, in welchem die mittelständische Familie für einige Zeit ihre Alltagssorgen vergessen konnte, weil einen dort ein perfekt inszeniertes Märchen- und Fantasieland erwartete.

Man muss sich nicht wundern, wenn der Ausflug Geld kostet. Aber dafür gibt es auch die volle Disneydröhnung. Angeblich täglich 38.000 Leutchen jeden Alters kommen in diese nostalgische Parallelwelt, viele erkennbar an den Haarreifen mit den runden schwarzen Plüschohren des Disneywahrzeichens. Aber die Menge verläuft sich, auf der Wiesn ist es wesentlich voller und vulgärer ja sowieso.

Hier ist alles Grande décoration, höchst gepflegt und wunderbunt. Innerhalb eines Tages flaniert man: vorbei an schnuckeligen Fassaden einer „antiken“ amerikanischen Kleinstadt, kurz darauf durch possierlichstes Zwergenmittelalter mit der fabulösen Bohnenranke und dem hochaufragenden, allseits bekannten neuschwanstein’schen Dornröschenschloss, dann durch totenschädliges karibisches Dschungel- und Felsenambiente mit Jack Sparrows Piratenfregatte in Originalgröße und gleich dahinter vorbei an einer zünftigen Wildwest- und Goldgräberlandschaft. Peter Pan, Daisy Duck, Goofy und die anderen üblichen Verdächtigen lassen sich, hübsch kostümiert, mit strahlenden Kinderchen fotografieren. Yes!

Außerdem kann man Kapitän Nemos sagenhaftes U-Boot „Nautilus“ von innen inspizieren (die Orgel!) und — das absolute Highlight — mit einer spritzigen Wasserbahn durch eine unterirdische, düster-magische Lagune schippern, um die lustig-gruselig animierten, gröhlenden Piratenpuppen zu bestaunen. Das ist charmant altmodisch und (noch) kein digitales Blendwerk.

Immer wieder fallen bei meinen Begleitern die drei Superlative geil, geil und geil. Alle hier sind nett, überall ist es piccobello sauber, du kannst dich in unzähligen Shops zu Tode kaufen. Disneys monströses Warenangebot ist allgegenwärtig. Da wird der berauschte und gutwillige Gast hemmungslos gemolken. Eine Snowwhite-Kaffeetasse für € 19.95. Ein Darth Vader-Rucksäcklein für € 39.95. Alle nur denkbaren Mickey Mouse-Utensilien bis zum Abwinken.

Natürlich gibt es auch wuchtigst beschleunigende Rollercoaster im Stockdunklen mit Lasereffekten und einen höllischen Lift „Tower of Terror“ inkl. Gespenstererscheinungen. Für den Thrill steht man in mäandernden Warteschlangen locker eine halbe Stunde an. Aber weil das Erlebnis dann so geil ist, lohnt es sich unbedingt, geduldig zu sein.

Wenn man drei Kilo leckeres Mousse de Chocolat einschiebt, wäre man danach am Limit (Originalton Linda). Nach drei Tagen Disneyhalligalli ergeht es mir ähnlich — im übertragenen Sinne. Auch weil der gesamte Park ununterbrochen laut beschallt ist mit den Soundtracks aus den Disneyfilmen. Ist ja alles obergeile Musik, total. Aber zu viel kann zu viel sein. Too much, um es verständlich auszudrücken. Ein Heidenlärm im gesamten Gelände.

Vor allem für den empfindlichen Zinklkopf. Aber dieser hatte sicherheitshalber seinen Spezialkopfhörer dabei, der für erleichternde Ruhe sorgt oder auch wahlweise Beethovens Klaviersonaten bringt. Das ist dann schon wieder ziemlich geil: das Betrachten von Zuckermärchenarchitektur und am Smartphone erkrankter Teenager mit plüschigen Mickymausohren auf den Kopferln und dazu Beethovens „Pathetique“.

Wir wohnten die Tage übrigens im Hotel „Cheyenne“, einem weitflächig asphaltiertem, blitzsauberen „Wildwestdorf“ mit sehr mäßigem Flair. Unser Familienzimmer hatte genau Platz für zwei Doppelbetten. Hat gereicht. Im nahen „Saloon“-Restaurant gab es unverschämt überteuerten Kantinenfraß, wohl dem Massenandrang geschuldet. Unsere ein ganz anderes Speisenniveau gewohnten Teenager beklagten sich (die verzogene Bagage). Am nächsten Tag zahlten wir in einem Steakhaus für völlig durchschnittliches Futter zu viert 185 Euro. Nun beklagten sich die Geldgeber. Diese arge Ausbeuterei ließ uns letztendlich demütig zu den Fastfoodangeboten greifen. Fazit: Essen gar nicht geil.

Es bleibt gesamtheitlich zu resümieren: Eine Pilgerei zum Disneygott ist bedeutend, reicht dann aber fürs ganze Leben; ich hatte zwei, Disneyland goodbye.

PS:
Die wirklich allergrößte Attraktion: eine schwarze, sehr hübsche Crêpes-Zubereiterin – und zwar die „meditativste“ der Welt. Sensationell.

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