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Liebe Leser,

diesmal gibt es von mir einen Bericht für diejenigen, die Musik gerne über Kopfhörer genießen. Ich habe dazu einige Erfahrung gesammelt, und es wäre schändlich, diese nicht weiterzugeben.

Vorab: Ich gehöre nicht zu den Fetischisten, die sich für fünfstellige Eurobeträge High End-Röhrenverstärker, Superduper-CD-Player und Vinyl-Abspielgeräte aus purem Gold mit Audiokabeln mit einem Durchmesser von 20 mm im Wohnzimmer aufbauen. Nicht, weil mir das Prahlen fremd wäre oder weil ich solche Gerätschaften nicht schätzen würde (oh nein!), sondern weil ich mir das dafür nötige Kleingeld lieber für meine Rente aufspare. Ich habe ja eine recht vernünftige Stereoanlage, aber die erhebliche Freude am Klang der Musik erlebe ich über den Kopfhörer. Ja, die Freude am Klang! Das gibt es durchaus.

Seit längerer Zeit ist es Sitte geworden, dass vor allem jüngere Zeitgenossen im öffentlichen Verkehr und Leben mit Kopfhörern herumlaufen. Weil es technisch halt möglich ist. Ich gehöre seit einem halben Jahr auch dazu. Inzwischen hört ja fast jeder seine Lieblingsmusik per Bluetooth übers Handy — ein Wahnsinniger hat dafür auf 500 Gigabyte aufgetunte iPods, um die (fast) komplette klassische Musik der letzten tausend Jahre in seiner verkabelten Hemdbrusttasche herumschleppen zu können.

Denn es gibt inzwischen Wunder-Kopfhörer, die störende Klänge aus der Umwelt mehr oder weniger stark absorbieren können. Kopfhörer auf — und du bist eingebettet in einer entspannenden Zone aus Stille und kannst fremde Menschen studieren, ohne jedem ihrer manchmal verzichtbaren Gespräche lauschen zu müssen. Ideal in der U-Bahn. Ich habe das schätzen gelernt und war auch erstaunt, wie vergleichsweise LAUT vor allem die unerfreulichen Geräusche von Kraftfahrzeugen aller Art fast überall vorherrschen, auf dem Dorf mindestens genauso wie in der Großstadt. Kopfhörer ab und du bist eingebettet in eine lärmige Kakophonie von Motoren und schnatternden Gesichtern. Ich trage deshalb die schallabhaltenden Kopfhörer auch gerne ganz ohne innere Beschallung – aus meditativen Gründen. Im Winter gegen die Kälte.

So — nun aber zur Musik und endlich zu nützlichen Geräte-Tipps. Bei den sogenannten „Noise cancelling“-Kopfhörern leiste ich mir zwei verschiedene Modelle: den hochgelobten und als den von Spezialisten als Allerbesten empfohlenen „Bose QuietComfort 35“ und den nur fast halb so teuren „Teufel Mute BT“. Wieso zwei? Reicht denn da nicht einer, höre ich die Dame schon fragen.

Klar, es reichen auch ein paar Schuhe — aber in diesem Falle hat es sich absolut gelohnt, beide zu besitzen. Nämlich: Der „Bose“ hat die eindeutig bessere Funktion dafür, störende Schallwellen von außen abzuhalten. In dieser Hinsicht ist er unglaublich! Auch leise musikalische Töne bleiben in der U-Bahn fast unter sich.

Aber: Wenn der Wind weht, und manchmal weht er halt, der Wind, leicht oder stärker: Dann ist der „Bose“ ein Knattermann. Er kann den Wind nicht absorbieren, er verstärkt ihn auch noch! Es knattert in den Ohren, wie wenn sich beim Zelten ein kleiner Wirbelsturm an die Zeltplanen wirft. Gerade beim Radeln auch auf autofernen Pfaden ist das keine Freude mehr. Mit oder ohne Musik: das Knattern nervt. Dieses Manko ist dem „Teufel“ fremd. Er kann zwar den Lärm von außen nicht ganz so gut abhalten wie der „Bose“, aber dafür knattert er überhaupt nicht! Andere Technik halt. Das hat mich begeistert! Rein klanglich sind die beiden Modelle aus meiner Sicht recht ähnlich, aber ganz genaue Untersuchungen habe ich da noch nicht gemacht.

Ich trage nun den „Bose“ in der U-Bahn, beim Kiesertraining und bei windstillen Spaziergängen. Den „Teufel“ trage ich auf jeden Fall beim Radfahren (da windet es ja meist aufgrund des Tempos). Also bin ich für alle Eventualitäten ausgerüstet. Nur wenn der Blitz in meinen Schädel einschlägt, könnten mich weder „Bose“ noch „Teufel“ retten…

So, das wäre es also zum Thema „Kopfhörertragen unterwegs“, außerhalb des trauten Heimes. Zuhause habe ich allerdings andere Geräte auf schicken walnusshölzernen Ständern (Firma Samdi) aufdrapiert. Es sieht bei mir neuerdings aus wie in einem Geschäft für hochwertige Stereoanlagen. Das finde ich enorm geil (oder auch „adrett“ – wie mein Töchterlein seit Monaten alles bezeichnet, was sie toll findet).

Der teuerste Kopfhörer der Welt kostet 50.000 Euro. Diesen hätte ich auch gerne, allerdings bräuchte ich dazu wohl eine passende Anlage für 500.000 Euro, um den Klang richtig zu bekommen. So weit darf ich nicht gehen. Es gibt ja unzählige Kopfhörermodelle von vielen großartigen Herstellern. Man kann Tests von Spezialisten studieren, man kann sich hintereinander zwanzig verschiedene Modelle aufsetzen und dazu immer wieder „Brothers in Arms“ von den Dire Straits hören, bis man es sich kaputtgehört hat. Dem echten Weinkenner ist es vielleicht möglich, zwanzig Rotweinsorten differenziert zu beschreiben — ich bin beim Kopfhörervergleichen schon nach fünf Modellen ein wenig ratlos gewesen.

Was soll’s. Nun habe ich auch für daheim zwei Modelle: den magnetostatischen „Audeze LCD-2“ und das „HyperX Cloud Revolver stereo Gaming Headset“ (fürchterlicher Name!). Die sind beide ziemlich gut, aber durchaus verschieden.

Der „Audeze“ ist ein Luxusteil, gebraucht wie neu habe ich ihn für 800 Euro bekommen. Er hat sehr viele Spitzenbewertungen und er sieht einfach großartig aus. In diesem Falle muss ich sagen: Das Auge hört mit. Die großen Lautsprecherschalen haben einen Rahmen aus glänzend lackiertem Bambusholz, am Kopf spürt man richtig dickes weiches Leder. Das Gerät ist ungewöhnlich schwer, aber doch saubequem.

Er klingt superfein, aber auf jeden Fall anzuraten ist ein Zusatzgerät. Nämlich ein Kopfhörerverstärker, den man zwischen das Abspielgerät (CD-Player / iPod) und den Kopfhörer steckt. Ich habe erworben: „InLine AmpEQ“, Kopfhörer-Verstärker und Equalizer. Mit diesem kleinen süßen Botzi für nur ca. 100 Euro kann man zusätzlich Bässe, Mitten und Höhen an der Musik beeinflussen. Ich mache das gerne, denn ich mag es basslastig, auch bei klassischer Musik will ich die Kontrabässe gescheit hören. Dieser winzige Verstärker hat titanische Kräfte und holt aus jeder Musik das Optimale heraus. Begeisterung!

Mein zweiter Freund (der mit dem fürchterlichen Namen) ist eigentlich ein Kopfhörer, der für passionierte Gamer konstruiert wurde. Also Leute, die gerne auf dem Bildschirm Monster abknallen oder lärmige Kampfroboter navigieren wollen. Das ist überhaupt nicht mein Ding, sowas kann ich nicht und nervt mich nur. Dieser Kopfhörer aber hat einen erweiterten Klangraum und sehr starke aber saubere Bässe — vor allem klassische Orchestermusik und Filmmusik klingt damit weiter und schwer beeindruckend, wie so eine Art akustisches Breitwandkino. Wenn man ein großes Orchester mal SO gehört hat, ist es schwer, zum edlen „Audeze“ zurückzukehren.

Strenge Klangästheten lehnen solche Effekte ab, genauso wie ein nachträgliches Equalizern als schändlich betrachtet wird. Weil es die Musik angeblich nicht mehr authentisch wiedergibt, so wie es der Musiker wollte. Aber manchmal versauen es heutzutage sowieso die Tontechniker — und „authentisch“ ist auch relativ zu sehen: Da ich es in meiner stürmischen Jugendzeit brutal übertrieben habe mit dem Lauthören von Rockmusik (mit und ohne Kopfhörer), sind mir über die Jahrzehnte ein paar höhere Frequenzen abhanden gekommen. Darum muss ich jetzt ein wenig nachjustieren, damit es eben wieder authentisch wird.

Apropos Tontechniker: Da will ich jetzt etwas schimpfen: Gegen die scheußliche Unsitte, Pop- und Rockmusikstücke seit vielen Jahren so zu komprimieren (also die niedrigeren, etwas leiseren Frequenzen stark anzuheben), so dass sie im ganzen Stück gleichlaut wummsen, hilft auch nachträgliches Equalizern nicht mehr. Die Lieder werden durch diese Praktik aller ihrer Kontraste und Spannung beraubt. Weil das Gehirn aber nach Kontrasten verlangt, um aufmerksam bleiben zu können, wird das Hören wegen der Lautstärkenmonotonie mit der Zeit sehr anstrengend. Und es klingt einfach scheiße und langweilig. So ermordet man die Musik. Ein Pianist haut ja ein Adagio auch nicht genauso laut wie ein Allegro in die Tasten!

Es war halt die ursprüngliche Absicht, Lieder durch Lautstärke im Radio auffälliger zu machen, damit sie im Vergleich zu anderen Songs nicht „abkacken“. Das ist aber inzwischen völlig sinnlos geworden, weil ALLES bis zum Anschlag angehoben worden ist, was aus dem Radiogerät herausquillt.

Nicht nur Amy Winehouse ist leider tot, auch ihre Musik ist zu Tode komprimiert worden. Selbst Hardrock klang in den 70er Jahren um Klassen besser. Da wussten die Tontechniker noch, was sich gehört. Manche Songs sind heutzutage so übertrieben auf Kante hochgepresst, dass man es im Kopfhörer schon kränklich brozzeln (neues Wort erfunden!) hört — dann schüttele ich mich und hole diese Musik nie nie mehr hervor.

Aber die Radioleute sind dankbar. Sie hätten ja Angst, dass die Hörer ihren Sender wegdrücken, wenn ein Song mal etwas leiser beginnen würde, um sich dann zu steigern. Denn das ginge auf Kosten der Werbeeinnahmen! So ein genialer Song wie „Bohemian Rhapsody“ hätte heutzutage — wenn er von einer neuen, unbekannten Band kommen würde — gar keine Chance, ins Radioprogramm aufgenommen zu werden. Der beginnt ja viel zu leise. Dabei kommt einem sowieso das Grausen, wenn man kommerzielle Radiosender einschaltet. Das MUSS man leise drehen, denn das pausenlose Geballere aus Jingles, nervigen Gutelaunekommentatoren und ständig gleichen Dumpfbacken-Hits ist außerordentlich schädlich fürs sensible und intolerante Zinklhirn. Man merkt: Bei diesem Thema rege ich mich schnell auf und kann auch ein wenig unsachlich werden. Schnell woanders weitermachen.

Zurück zu meinen Kopfhörern: Bin nun etwas in der Bredouille. Soll ich die sagenhaften Gentle Giant mit meinem über jeden Zweifel erhabenen Bambus-Audeze hören oder mit dem spacigeren HyperX Cloud Revolver? Das macht mir zu schaffen. Wer die Wahl hat… meine Damen brauche ich dazu nicht zu befragen — der Unterschied ist ihnen völlig schnurz, weil sie grundsätzlich nur Ohrstöpsel in Ohropaxgröße tragen. Um sich ihre reizende Kopfform nicht zu verhunzen und erst recht nicht die mit Mühe zurechtgeformte Frisur. Fürs Chatten mag das ausreichend sein. Man muss aber bei Musik Prioritäten setzen: äußerliche Schönheit oder inneren Klanggenuss.

Ich werde bei Rockmusik vor allem den großartigen „Audeze“ zum Einsatz bringen (will diesen ja auch nicht umsonst gekauft haben) — und, wie gesagt, er sieht gigantisch lecker aus, fasst sich gut an und sitzt bequem. Aber auch der etwas im Star Wars-Stil designte Revolvermann wird oft hervorgeholt werden: Bei klassischer Orchestermusik (der Raumklang!) aber auch bei elektronischen Sounds ist er goldrichtig. Leider überträgt er es akustisch ziemlich deutlich, wenn man mit den Händen an die Halterung stößt: Also stillhalten beim HyperX! Ist ja keine große Zumutung.

So, meine Freunde! Das wäre mein ganz persönlicher Bericht zu diesem Thema. Ich kann grundsätzlich nur empfehlen: Weg mit den (klanglich sicher auch recht anständigen) Stöpseln, die im Ohr jucken oder leicht rausfallen, das ist guter Musik unwürdig. Heran mit hochwertigen Lautsprecherschalen, die einen in eine Welt der Harmonie und Ekstase versetzen können.

Am wunderbarsten klingt übrigens das Album „Gaucho“ von Steely Dan. Ich muss mich aber zusammenreißen und nicht wieder meine vier verschiedenen Kopfhörer in ihrem Leistungsvermögen vergleichen. Ich darf nur einen von den vieren auswählen und die Musik muss damit konzentriert genossen werden! An den Klang gewöhnt man sich mit der Zeit, genauso wie an neue Zahnfüllungen (aber nur, wenn der Zahnarzt kein totaler Murkser war!)

In diesem Sinne: „Gaucho“ hören und dazu ein gutes Glas spanischen Rotwein trinken! Das ist wahres Dandytum. Ach ja, und noch ein wenig weinen: Denn Walter Becker, die Hälfte von Steely Dan, ist bereits vor einem halben Jahr gestorben  😦

09. Mai 2018

Aktueller Stand, Juni 2018: Inzwischen habe ich neue Erkenntnisse gewonnen. Die beiden Unterwegs-Kopfhörer sind nach wie vor abwechselnd im Einsatz: Der „Teufel“ im Freien, auf dem Rad und zu Fuß: Top. Der „Bose“ in Innenräumen (U-Bahn, Fitness-Studio).

Für Hörgenüsse daheim habe ich noch eingekauft: „Ultrasone Edition 10“. DAS Gerät für Orchestermusik. Tiefste Kontrabässe, knackescharfe Bläser, feinste Details werden hörbar, vor allem auch in den Höhen: die Becken sind ein zischender Genuss. Ich entdecke meine klassischen CDs völlig neu und bin wie verzaubert. Für jede Art von Klassik und orchestrale Filmmusik nur noch dieses zudem sehr bequeme und attraktive Objekt der akustischen Gelüste. Er ist teuer (ca. 2.000 €), aber wer das Glück hat, ihn in gutem gebrauchten Zustand zu bekommen (so wie ich): Zuschlagen!

Übrigens kann man teure Kopfhörer nach meinen Erfahrungen schadlos gebraucht kaufen. Freunde solcher Gerätschaften gehen in der Regel sehr pfleglich damit um und haben meist auch noch die komplette Verpackung und Kabel im Lieferumfang. Da gute Kopfhörer klanglich mit der Zeit sogar besser werden (habe ich gelesen), ist es also gar nicht falsch, sich so einiges an Geld zu sparen.

Auch die Damen laufen inzwischen mit richtigen Kopfhörern durchs Land. Habe in diesem frühen Sommer schon einige Exemplare in freier Wildbahn beobachten können. Respekt!

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