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Liebe Leser,

ein ganzes Jahr Zinkl-Bloggerei ist herum — und ich bedanke mich sehr lieb und herzlich bei allen, die sich meine geistigen Ergüsse mit mehr oder weniger großem Vergnügen zu Gemüte geführt haben. Es war spannend für mich, ein solch’ öffentliches Tagebuch in der digitalen Welt zu installieren, es hat das Jahr irgendwie strukturiert und mir auch klar gemacht, dass es nicht verkehrt ist, erst zu denken und dann zu reden bzw. zu schreiben. Was ja nicht immer leicht ist und erst recht nicht immer stattfindet.

Das Gute beim Bloggen ist, dass man im Nachhinein korrigieren kann, wenn der Quatsch ausufert. Was aber beim Reden gesagt wurde, ist gesagt, nicht mehr zu löschen und hat mitunter verhängnisvolle Wirkungen — der Zinkl kann ein trauriges Lied davon singen. Daher gilt die Devise: Reden ist Silber, Bloggen ist Gold.

Da meine Aufsätze eine beträchtliche Zinkl-Innenschau bieten, stellt sich gefühlsmäßig hin und wieder durchaus eine gewisse öffentliche Nacktheit ein. Es ist wohl ein wenig das prickelnde Gefühl, welches die (leider sehr seltenen) „Blitzer“ genießen, die — nur mit Sneakers bekleidet — durchs öffentliche Leben flanieren. Und damit bin ich schon beim Thema.

Anlass dafür war ein Ereignis, welches ich mit meinem lieben Freund Hans und seiner Gattin Isa vor einiger Zeit bei einer frühherbstlichen Radltour von Lochhausen nach Dachau erleben durfte. Wir radelten auf freundlichen autofreien Pfaden, beim Rückweg auch vorbei an einem von der milden Herbstsonne stimmungsvoll angeglitzerten See. Der Hans ist ja von jeher ein Naturbursch, wie er im Buche steht. Wenn er einen See sieht, hechtet er hinein, um ein paar kraftvolle Runden zu drehen. So auch dieses Mal. Mangels einer Badehose benetzte er seine untere Unterwäsche mit dem kühlen Nass — der Zinkl hat es gerade mal riskiert, seine empfindlichen Zehen ins frostige Wasser zu legen.

Als Hansi wieder herauskam aus dem See und sich zurückverwandeln wollte in den angezogenen Hansi, kamen just in diesem Augenblick ein paar unbedarfte Spaziergänger des Weges. Und was passierte? Sie hatten das Vergnügen, für einige Zehntelsekunden ihren Fokus auf das luftig freigelegte Glied des Schwimmers richten zu können. Hans entschuldigte sich für diese ungewollte Blitzerei, die Spaziergänger nahmen es wortlos zur Kenntnis, um pikiert ihren Weg fortzuschreiten.

Diese hübsche Begebenheit ließ mich mal wieder ins Grübeln und Philosophieren kommen. Und ich musste daran denken, dass sich meine liebe Freundin Pia in der heißen Sommerszeit mit großer Lust an den Feldmochinger See hinpflanzt, um dort der freudvollen und kompletten Entblößung zu frönen.

Denn da gibt es einen ganz bestimmten Wiesenfleck direkt am Ufer, an welchem sich nur nackerte, unjugendliche Menschen zeigen — amtlich ja total verboten. Die Unverschämten lassen ihre Körper (diese im bereits letzten Altersdrittel ihres bewegungsfähigen Zustands) frei von jeder Textilie herumliegen. Selbst Zinkl hat das gotteslästerliche Treiben einmal unter großem Unwohlsein mitgemacht — aber nicht nur er! Auch der sehr be- und gerühmte Rainer Langhans gockelt dort regelmäßig inmitten seiner ergrauten siebzehn alten Weiber herum, ihm scheint es zu gefallen. Langhans kennt ja keine Scham. In seiner Jugendzeit besaß er die wunderschöne Uschi O. als nicht nur intellektuelle Gespielin, im reiferen Alter schaffte er es als beseelter Guru ins Dschungelcamp, wo er die Quälereien mit stoischer Ruhe ertrug. Danke, Rainer, für deine Existenz — du machst mich froh.

Was will Zinkl mit diesen beiden doch sehr verschiedenen Nackt-Episoden sagen? Er will sagen, dass der größte Teil der Menschheit auch in Bezug auf seine Nacktheit komplett irre ist. Irgendwann muss es begonnen haben, dass das öffentliche Offerieren von primären und sekundären Geschlechtsorganen Aufregung erzeugt hat. Gewiss noch nicht bei Adam und Eva — bevor Ihnen Gott das Fürchten gelehrt hat wegen eines verwurmten Apfels. Von da an mussten sie sich schämen und nochmals schämen und bedecken.

Sich beim Zeigen von Geschlechtsmerkmalen öffentlich schämen oder gerade erst recht NICHT schämen — das ist heutzutage das Kontrastprogramm, welches die Menschen beschäftigt. In beiden Fällen gewiss kein natürlicher Zustand. Im Gegensatz zu den Tieren macht der Homo sapiens ein fürchterliches Gewese um seine Nacktheit. Hat vielleicht was mit dem Verstand zu tun. Dabei wird wohl niemand bestreiten wollen, dass der Fortpflanzungstrieb auch beim Menschen allgegenwärtig und völliger Normalzustand ist — warum also wird wegen weiblichen Brüsten und Vulven und männlichen Penissen und Sixpacks solch ein Brimborium gemacht? Das tut der Wisent doch auch nicht.

Zinkl gibt zu, dass er sich dem ebenfalls nicht entziehen kann. Wie so manch anderer kleiner Mensch hat er als Kind gelehrt bekommen, dass man ab einem gewissen Alter eine Hose anziehen soll, wenn man das Haus verlässt — auch wenn draußen die Sonne ausreichend Wärme spendet. Dafür gönnt er sich seit geraumer Zeit die Freiheit, zumindest in den eigenen vier Wänden das eine oder andere Kleidungsstück von sich zu werfen — wenn er alleine ist. Kommt daher, dass ein mächtiger Heißwasserboiler seine erhitzende Wirkung auf die komplette Wohnung ausdehnt und man deshalb mit Pullover zugrunde gehen würde. Brit M. aus Ingolstadt hat ihn deshalb als Nudisten bezeichnet. Nudist! Pah! Da muss ich direkt an das Wort Nudel denken. Nudist, Nudel, P… — der Zusammenhang muss irgendwie zwanghaft zu denken sein.

Ich darf allerdings behaupten, dass man alleine und daheim gar kein Nudist sein kann! Alleine ist man höchstens nackert, erst zu dritt ist man Nudist! Höre ich hier einen Widerspruch? Nein? Hätte mich auch gewundert.

Jetzt ist mir noch was eingefallen, zu diesem Thema „nackt“. Der Wisent zieht sich ja bekanntermaßen keinen Stringtanga an, um sexuell reizvoller zu wirken. Und der Flamingo wird selten im schwarzen Lacklederbikini zu sehen sein, obwohl das sicher ein hübscher Farb- und Materialkontrast wäre, zum rosa Federkleid. Aber der Homo sapiens steigert seine sexuelle Lust mit solchen Mätzchen: Dezente Verhüllung ist gefragt und je raffinierter etwas dezent verhüllt ist, als umso reizvoller wird es empfunden. Wenn in den FKK-Reservaten die Leute mit minimaler Verdeckung herumstrawanzen würden, gäbe das einen sexuellen Lustüberschwang, dass man nur noch Kopulierende erblicken können würde. Dagegen — völlig nackt und faltig, wie die Evolution und ihre natürliche Auslese ihn schuf — ist der nudistische Mensch unter sich sexuell doch weitgehendst regungslos. Ist das nicht interessant?

Darüber darf nun gebrütet werden, gerne völlig entkleidet am Kaminfeuer, oder — um die schamlose Konklave am Feldmochinger See aufzuwühlen — dort mit lackrotem Push-up-Mini-Bikini auf einem bibelschwarzen Badehandtuch fläzend.

Ich freue mich auf eure Meinungen, liebe Leser. Achtung: Wer viel Eigenes und gerne auch Kluges zu dieser Thematik zu sagen hat, bekommt  zum Dank von mir einen eigenen Blogartikel. So wie es dem Herrn Prof. Dr. Schlicht in Blog Nr. 52 ergangen ist. Man schreibe mir! Wer sich öffentlich psychisch entblößen will und muss und möchte, hat hier die gute Gelegenheit dazu!

Ich will versuchen, ein weiteres Jahr mit Zinkl-Bloggereien zu füllen. Wenn mir nichts mehr einfällt, ist aber Schluss mit lustig. Wer mir für meine bisherigen Leistungen eine gute Flasche Champagner schicken will oder mich zum Essen einladen, dem rufe ich jetzt schon zu: Habt Dank dafür — und lasst uns alle nackt hingehen.

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