Liebe Leser,
der Zinkl war von Anfang an ein lausiger Schwimmer. In der Fruchtblase ging es vielleicht noch ganz gut, aber dann an der frischen Luft! Als Kind bekam er keinen gescheiten Schwimmunterricht — abgesehen davon, dass er sowieso Angst vor Wasser hatte, in welchem er untergehen könnte. Bei Sprüngen vom Einmeter-Brett verspürte er bereits Panik und Todesangst und weigerte sich, so früh schon zu sterben.
Irgendwann konnte das Zinklchen die knallroten Schwimmflügelchen weglassen, dann fing er an zu kraulen. Er hat es jedenfalls als Kraulen bezeichnet — wenn er sich selbst dabei gesehen hätte, hätte er sich arg geschämt. Aber das ist ja das Gute, dass man sich selbst fast nie agieren sieht. Man sieht sich nicht selbst auf dem Klo sitzen, man sieht sich nicht selbst Nasenbohren — und man sieht sich nicht selbst beim Sex, was das Allerschlimmste wäre.
Aber wir waren ja beim Schwimmen! Zeit meines langen Lebens bin ich immer so wenig geschwommen, dass ich nie eine ordentliche Kondition bekommen konnte. Im Sommer am romantischen Mückensee, unweit vom Feldmochinger Schwarzhölzl, schwimme ich immer nur 15 Meter weit raus, dann kehre ich um, bevor mich meine Kräfte verlassen und ich elendig ersaufen muss. Doch das soll sich nun ändern! Wie kommt’s?
Nun, bei einem meiner zahllosen Sommerdatings habe ich auch Sportmarion getroffen. Die war nix für mich, aber sie hat mir erzählt, sie wäre eine leidenschaftliche „Body and Soul“-Besucherin, sie sei da fast jeden Tag. Dort gäbe es nicht nur die ganzen Konditions- und Kraftmaschinen, sondern auch einen Swimming-Pool und eine Sauna und das Dampfbad und Kraftriegel und schöne Männer, denen man die Oberarmmuskeln abschlecken dürfte. Okay, das Letztere hat sie nicht gesagt, aber vielleicht gedacht.
Ich dagegen bin ja seit fünf Jahren ein eifriger Jünger des guten Herrn Kieser. Im Kieser-Studio in der Belgradstraße gibt es überhaupt keine Crosstrainer, Rudermaschinen oder festgeschraubte Fahrräder, sondern nur Muskelaufbaugeräte. Meister Kieser meint, auf Kondition kann man verzichten, wenn man seine Muskeln stählt. Es ist sehr puristisch dort und alles ist klinisch grauweiß, man sieht fast nur unattraktive Menschen, die sich plagen. Normale Leute halt, so wie ich einer bin, alt und dement.
Damit ich jetzt nicht missverstanden werde: Das Kieser-Prinzip ist super. Es hat meinen Rücken gestärkt, es hat meine Brust- und Oberarm- und Oberschenkelmuskeln gehärtet — Kieser hat mich zu einem anstandslosen Burschen gemacht. Aber es kommt die Zeit, da will man das Geriatrische um sich herum möglichst gering halten. Starkes Wort: geriatrisch. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Es bedeutet ganz einfach: Alt sein. Geriatrische Medizin ist Altersheilkunde. Es gibt den Begriff „geriatrietypische Multimorbidität“. Ist das nicht grauenhaft?
Deshalb bin ich zu „Body and Soul“ in Schwabing in der Ungererstraße hingeradelt und habe mir das angeschaut. Sehr stylish, sehr chic. Schöne junge Körper mit passenden Köpfen drauf, man sieht sie hier herumstrawanzen. In feschen Trainingsoutfits natürlich. Aber was mich dort sofort angetriggert hat, waren nicht die jungen sexy Mädels, die sind für mich tabu und unerreichbar sowieso. Nein — es war der wirklich große Swimming-Pool, in welchem gerade mal zwei Menschlein schwammen. An der Rezeption erzählte man mir, die Leute kämen wegen der Maschinen hierher, im Pool finde ab und zu Wassergymnastik statt, aber vor allem am späteren Abend sei er immer so gut wie unbeschwommen. Der Hammer! Ein goßer Pool fast ganz für mich alleine! Den habe ich sofort gekauft.
Ich fahre nun fast jeden Abend, so gegen 21 Uhr, zu meinem Exklusiv-Pool und schwimme dort so lange, wie ich kann. Ich habe dabei auch keine Panik und Todesangst, denn überall reicht mir das Wasser nur bis zu Brust. Da müsste ich schon einen Herzinfarkt bekommen, um zu ersaufen. Was allerdings fatal wäre, denn denn in so einem Exklusiv-Pool nachts um 23 Uhr als völlig einsame schwimmende Leiche? Unschöner Gedanke, hinfort mit ihm.
Ich werde mir nun die nächsten Monate eine Schwimmkondition zulegen, da kann sich Mark Spitz warm anziehen. Naja, Mister Spitz ist inzwischen zwar schon 68 (geriatrisch!), aber mir sicher konditionsmäßig immer noch 10.000 Jahre voraus. Egal. Ich tue, was ich kann. Keiner schaut mir zu, wie ich schwimme. Keiner kommt mir entgegen, ich muss niemandem ausweichen. Das Wasser ist nicht zu kalt und nicht zu warm. Es ist wie im Cluburlaub, nur nur ruhiger. Kein Kindergeschrei. Keine fetten reichen Russen.
„Body and Soul“ ist gar keine so schlechte Bezeichnung für diesen Ort, den ich nun als meinen angenommen habe. Es gibt dort auch eine sehr gemütliche Lounge mit braunen Ledersesseln und warmem flackernden Kaminfeuer direkt von der Mattscheibe. Dort sitzt man ordentlich abgearbeitet nach der Schufterei und checkt das Handy, ob man zwischenzeitlich von lieben Menschen eine Nachricht bekommen hat. Hat man keine, ist das zwar traurig, aber dafür liegt der Exklusiv-Pool allzeit bereit, um einen in seinen zärtlichen blauen Flossen zu wiegen. Mein Freund, der Pool. Der Soul-Pool.
Zum Kieser-Training gehe ich aber auch noch, mein Abo gilt schließlich bis zum kommenden Sommer. Geriatrisches Alterstraining und Soul-Pool. Das bin ich mir wert (Achtung, Ironie ohne Emoji-Unterstützung!).
Die Frage, ob man die vier Adventskerzen über die gesamte Adventszeit in Stufenform oder demokratisch gleichmäßig abbrennen lassen soll, erörtere ich vielleicht das nächste Mal. Bis dahin weiß ich dann auch, ob das Thema genügend hergibt, für ca. 800 Anschläge. Ich wünsche jedenfalls allen eine gesegnete Adventszeit. Nicht zu viele Spekulatiuskekse fressen, dafür mehr schwimmen. Ist zumindest jetzt meine Devise.
Ach, was für eine herrliche Frühstückslektüre. Das hat mir gleich gute Laune gemacht. 🙂 Auch wenn ich fast ein bisschen neidisch auf den menschenleeren Privatpool bin, wünsche ich dir da wunderbare, adventliche (ein bisschen warten musst du vermutlich ja schon, bis Mark Spitz neidisch am Poolrand stehen wird) und seelenverwöhnende Stunden.
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Ach wie schön – ich hätte in unserem Studio auch gerne einen Pool – aber das ist in MARKT SCHWABEN leider nicht drin :-((, und das nächste Body and Soul ist zu weit weg (Erding), da bin ich zu faul – sind mir die 3 KM nach MS schon fast zu weit, ja ja auch an mir nagt: „geriatrietypische Multimorbidität“ – ist nicht aufzuhalten (ist Mark SPITZ wirklich schon 68?).
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So schlecht schwimmt der Zinkl gar nicht, das ist ein klarer Fall von Understatement!
An dieser Stelle möchte ich aber aus gegebenem Anlass (heute ist in Bayern Nikolausabend) dem Zinkl eine Anregung geben, einen Schwank aus der Zinklschen Zivildienstzeit zum Besten zu geben, in der wir als Nikolaus-Krampus-Gespann in einem Altersheim ein Engagement hatten…
Weiter geht es als Gastbeitrag in Blog 064!
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