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Liebe Leser,

der Zinkl ist vor ein paar Tagen 21.535 Tage jung geworden. Also schon ziemlich oft am Morgen aufgewacht, einen gewissen Prozentsatz davon auch erst am Morgen ins Bett geschlupft — das ist dem Rhythmus des Vampirs geschuldet. Nach dieser Offenlegung eines scheinbar ewig währenden Lebens stellt sich der Blogger (der dieser unterhaltsamen Beschäftigung ja erst seit 485 Tagen nachgeht) die ungute Frage, wie lang der Spaß noch weitergehen könnte.

Seien wir mal optimistisch, aber nicht größenwahnsinnig: Einen Jopi Heesters wird man schwerlich übertrumpfen können, der ist nämlich 108 geworden = ungefähr 39.420 Tage. Einen Jochen Busse, der es inzwischen auf 28.470 Tage gebracht hat, sollte man aber doch toppen können. Gut, man weiß nicht, wie lange Busse noch seine Scherze treibt, aber er genießt ja eine junge Frau, die ist erst 20.075 Tage alt. Die wird ihn schon auf Trab halten.

Der Zinkl hat seit 67 Tagen auch wieder eine wunderbare Frau an seiner Seite, die ist 2.190 Tage jünger als er. Also erfreut er sich am Komfort eines vitalen und gleichzeitig schnuckeligen Herzschrittmachers — das ist ein großes Glück und ein relevanter Hinweis auf weitere zigtausend Jahre, äh, Tage Leben.

Jaja, ich weiß, diese Jahresangaben in Tagen nerven jetzt, denn ohne Taschenrechner checkt man die Fakten schwer. Ich höre damit ja auch schon auf, will nur noch sagen, dass ich ich vorhabe, weitere 11.315 Tage zu leben. Das ist absolut realistisch, weil ich dreimal die Woche einen Crosstrainer und mehrere Muskelfoltermaschinen zugrunde richte und meinen makellosen Körper in gechlortem blauem Wasser bade, auf dass es ihn konservieren möge.

Wenn man sein Leben in Tagen ausrechnet, dann zeigt sich doch, dass man ausreichend Zeit gehabt hätte, Spaß zu haben, diese Zeit weitestgehend aber für Zermürbung und Unbill verwendet hat. Das ist Shit, aber so sind wir Menschen gebaut: Wir türmen Probleme auf und verzweifeln daran, dass von Zeit zu Zeit die Klopapierrolle zur Neige geht. Flugs ist man ein alter Narr, der erkennen muss, dass die geistigen Kapazitäten schon lange nicht mehr genügen, um den noch verbleibenden Tagen Herr zu werden.

Nun gut, sei’s drum: Man soll nicht hadern mit dem unabänderlichen Schicksal eines anschwellenden geriatrischen Zustands. Wie anfangs bemerkt, kann ein liebesstürmisches Weibchen viel Gutes bewirken bei einem alten Zausel — in Zinkls Fall immerhin den Effekt eines erfrischenden Jungbrunnens erzielen. Und darüber ist er froh, ja so was von froh. Noch fröher als froh sogar!

Wenn man eine gesamtheitliche, gerne etwas wehmütige Rückschau betreiben will — obgleich der weise Guru der vollendeten Lebensbewältigung Eckhart Tolle gesagt hat, er habe keine Verwendung für die Vergangenheit, denn er lebe im Hier und Jetzt — also, wenn man trotzdem seine vergangenen Jahre an sich vorbeiziehen lassen will, kann man ja ruhig zugeben: So toll war das alles nicht.

Doch immerhin ist man in Bayern aufgewachsen und nicht in den Salzwüsten Mexikos! Alleine dafür darf man schon dankbar sein. Ich wüsste zwar nicht, welcher Gottheit ich dafür danken soll, aber Dankbarkeit ohne Empfänger ist trotzdem eine schöne Regung. Dankbarkeit verhindert Großkotztum, welches sich ja leicht einschleicht, wenn es einem zu gut geht. Auch das hat sich der liebe und unendlich weise Herr Tolle vielleicht vom Buddhismus abgeschaut: Begebe dich mental auf einen Baum und blicke auf dich herab und erkenne, wie saublöd du dich aufführst. Das hilft, wenn man wieder vor der roten Ampel steht und herumbrüllt, weil sie nicht schnell genug auf Grün umschaltet.

Übrigens: Wer es gut findet, für seine doofe Vergangenheit keine Verwendung mehr zu haben, der sollte unbedingt Eckhart Tolles Buch „Eine neue Erde“ lesen. Das ist eine geballte Ladung an Weisheit und Information, die wirklich hilft, froher und sogar glücklicher zu werden. Zinkl hat es jedenfalls geholfen, als er das Buch vor 5.475 Tagen gelesen hat. Nun hockt er auf dem mentalen Baum, hat zwar noch Verwendung für die Vergangenheit (guter Stoff für künftige Blogs), doch versucht er wenigstens zu vermeiden, darüber nachzudenken, wieviele Tausende von Tagen ihm noch bleiben, bis er zu Staub zerfällt.

Von einem lieben Freund habe ich kürzlich vernommen, gutes Essen sei der Sex im Alter. Naja, gegen gutes Essen hatte ich noch nie was einzuwenden, aber das kann man doch nicht vergleichen. Nach einem Essen, gerne auch nach einem hervorragenden, fühlt man sich voll, schwer und unangenehm müde. Nach einem Orgasmus dagegen fühlt man sich leer, leicht und angenehm müde. Ich finde, solange man es hinbekommt, jeden dritten oder vierten Tag einen Höhepunkt zu erleben, am besten zusammen mit der tollsten Frau, die man deshalb getrost Schnucki bezeichnen darf — solange lohnt es sich jedenfalls unbedingt, weiterzukrebsen in Richtung Old Jopi. Es ist leider weder bekannt, wann Jopi seine letzte Auster geschlürft hat noch wann er seinen allerletzten O. hatte, das wird seine geliebte Simone sicher auch für sich behalten.

Wer nun genervt aufschreit, dass nicht jede Kolumne mit Sex enden muss, dem sei gesagt: Es lohnt sich darüber hinaus „Supper’s Ready“ von Genesis zu hören und „The Revealing Science of God“ von Yes. Davon bekommt Zinkl musikalische Orgasmen, gepaart mit Tränen der Rührung. Wenn man diese beiden unendlich genialen Musikstücke kennt und schätzt, hat sich das Leben auf jeden Fall gelohnt, ganz gleich, wieviele tausend Tage man hinter sich bringt.

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