Liebe Leser,
diesmal erlaube ich mir einen Gastbeitrag von meiner hochverehrten Tochter Marlen Singer zu präsentieren. Es handelt sich dabei um den Bericht eines Restaurantbesuchs in dem mit drei Michelin-Sternen dekorierten Restaurant „Alan Ducasse at The Dorchester“ in London:
Die kleinen Gourmets (mein Mann Felix und ich) hatten es geschafft — wir konnten noch relativ kurzfristig bei Alain Ducasse einen Tisch reservieren. Allerdings schon für 18.30 Uhr, da die späteren Termine bereits vergeben waren. Mit einem leichten Grummeln nahm ich dies hin, denn normal esse ich lieber erst gegen 20 Uhr.
Vor unserem Besuch analysierte ich das Restaurant im Internet und mir fiel auf, dass es sowohl runde als auch eckige Tische gab. Mein Mann und ich mögen es beide nicht, zu weit voneinander entfernt zu sitzen — wer mag das schon? Runde Tische sind einfach besser. Kurzerhand rief ich an, denn unversucht sollte es nicht bleiben, einen Tischwunsch zu äußern. Glück im Unglück: Meine Reservierung existierte gar nicht! Unter vielen „Apologies“ bekam ich dafür nun einen Tisch um 19.45 Uhr.
Die Vorfreude war unendlich, ein phänomenaler Abend würde uns bevorstehen in einem der luxuriösesten Hotels Londons. The Dorchester. Phänomenal würde der Abend in vielerlei Hinsicht sein. Erwähnenswert auf jeden Fall der hervorragende Service, der uns die Gänge in Windeseile servieren würde, obwohl wir angemerkt hatten, dass wir gerne Pausen hätten. Pausen? Kennt man bei Ducasse nicht. Aber der Reihe nach…
Tatsächlich bekamen wir einen wunderschönen runden Tisch direkt in der goldenen Mitte des Restaurants. Es ging los mit einem Glas Champagner und einem Teller hohle weiche Brotbällchen. Ich liebe Brot — und diese Brotbällchen waren schon mal sagenhaft. Gut gestimmt freuten wir uns auf das Menü, welches ohne Amuse-Gueule direkt startete. Aber selbstverständlich erwartet man bei einem Menü für ganze 165 Pfund pro Person kein Amuse-Gueule.
Der erste Gang definierte sich durch eine dünne lange Scheibe Kohlrabi, die ähnlich schmeckte, wie wenn man sein erstes zartes ungewürztes Gemüse nach einer Fastenkur essen darf. Dazu gab es einen kleinen frittierten Wurm und ein Schupfnudelröllchen aus Krabben mit Kaviar. Nun gut. Allerdings befand sich in diesem Schupfnudelröllchen ein so großes Stück Krabbenschale, dass ich mir hätte ein Stück Zahn ausbeißen können. Mit „Apologies“ versprach man, den Küchenchef zu informieren. Von dem Küchenchef kamen weder Bedauern über den Vorfall, noch ein Glas kostenloser Champagner oder ähnliches zurück.
Der zweite Gang: ganz gute Fois Gras mit einer etwas bitteren Artischocke, passend zum Thema „Fastenrohkost“. Noch waren wir recht gut gestimmt.
Vor dem dritten Gang: Der Weg zur Toilette gestaltete sich hier als eine Art Miniaturwanderung durch eine Welt der Vereinigten Arabischen Emirate. Man verlässt das Restaurant und kommt in das prachtvolle luxuriöse große Foyer des Dorchester, an deren Tischen sich auschließlich unzufrieden aussehende Araber Clubsandwiches mit Pommes reinziehen. Man läuft weiter, gefühlt einen Kilometer durch das Hotel, bis man an der Toilette ankommt. Dort sitzt — wie bei einem Theater-Ticketverkauf — eine Dame hinter einem Fenster und erhofft sich ein paar Pfund. Man kann bei einem Abendessen für rund 500 Pfund also nicht mal ohne schlechtem Gewissen kostenlos die Toilette benutzen.
Der dritte Gang war der beste. Nudeln mit Hummer, um es derb auszudrücken. Laut meinem Mann war der Hummer unfassbar gut — ich fand das gesamte Ensemble sehr lecker, aber nicht zum Sterben lecker.
Nicht zum Sterben ging es auch weiter. Recht unspektakulärer Fisch ohne Geschmack, das Lammfleischgericht insgesamt auch eher gewöhnlich. Eine Käseplatte, so wie man sie aus vielen Restaurants kennt. Und damit war unsere Stimmung sehr weit im Keller — Felix war die Lust vergangen, seinen Käse anzurühren.
Das Dessert war ein undefinierbares hartes Schokomüsli mit Whiskygeschmack. Danach bekamen wir noch ein extra Souffle geschenkt. War das vielleicht der Ausgleich zur Krabbenschale im Schupfnudelröllchen? Wir wissen es nicht, denn es wurde wortlos serviert.
Da half es nun nur noch, die Praline von der „Pralinenrutsche“ (ein längliches Blech mit einer einzelnen Praline) sausen zu lassen und sämtliche Macarons in den enttäuschten Magen zu stopfen. Die Macarons kamen übrigens in einem Schälchen, welches nicht erahnen ließ, was sich darin befand — anstatt dass man sie wegen ihrer schönen Optik wohl besser auf einem Teller präsentiert hätte.
Danke Ducasse — und danke an das Dorchester für diesen unvergesslichen Abend. Den Afternoon Tea, welchen wir im Foyer für die kommenden Tage reserviert hatten, cancelten wir sogleich. Das durchaus leckere Essen hatte unserer Erwartungshaltung in keinster Weise entsprochen. Drei Michelin-Sterne? Dafür war es viel zu teuer gewesen — wir waren sehr enttäuscht. Immerhin: Der Wein war vom Sommelier sehr gut ausgesucht worden, obwohl wir das Budget dafür gezwungenermaßen schon ordentlich nach unten geschraubt hatten.
Am nächsten Tag gab es für uns einen großen „Korrektur-Burger“ im Hawley Arms — der beste Burger überhaupt!
PS:
Soeben kam eine E-Mail-Bestätigung des Dorchesters bei mir an, welche unseren Afternoon Tea für den 21. April 2019 bestätigt. Heute ist der 30 April 2019.
Ich lach mich schlapp.
LikeGefällt 1 Person
Tja, wer hoch hinaus will…, zahlt sein Lehrgeld! 😉 Wäre wohl besser beim hiesigen Italiener ums Eck oder sogar beim Kirchenwirt in Anzing gewesen!
Sorry für die bodenständige Meinung.
Bäda
LikeLike
@Bäda:
Es geht hier weniger um hoch hinaus, als sich weiter zu bilden, auf der Genuss- so wie auch der Arbeitsebene, nachdem mein Freund ein Sternekoch ist. In vielen anderen Sterne-Restaurants ist der hohe Preis gerechtfertigt und dafür hat man einen unvergesslichen Abend.
Da kann der hiesige Italiener ums Eck nicht mithalten. Das Geld spare ich mir lieber und koche mir Spaghetti daheim, als irgendwo zu sitzen, wo man noch selbst seinen Billig-Balsamico über den Salat schütten muss, während um einen herum Leute Spezi zum Essen trinken und die Speisekarte schlecht designt ist. Es kann auch günstigeres Essen gut sein, aber das ist selten der Fall…
LikeGefällt 1 Person
Hallo Tony-Blog und Marlen + Felix. Nicht aus Zufall sind die Engländer in der Hölle ausgewählt als zuständig für die Küche. Nur Engländer können ein Gericht „cooked to death“. Geschmacklos, Gemüse wässrig, Fleisch wie Schuhsohle – wenn in GB, geh auf Nummer sicher: Fish and Chips. Nicht vergessen: Es muß in Zeitungspapier gewickelt sein, denn die Druckschwärze ist das einzige Gewürz. LOL.
LikeGefällt 2 Personen