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Liebe Leser,

es kommt selten vor, dass der Zinkl sein bayrisches Heimatland im Stich lässt und davonfährt. An Pfingsten jedoch ist es passiert. Er hat seinen allerbesten Kameraden, das unschätzbar wertvolle Zinkl-e-bike, auf den bronzeschillernden Smart aufgehuckt und ist in den Süden losgedüst, um eine Portion Istriensonne zu tanken.

Immerhin 586 km sind es bis Vrsar. Zinkl mag lange Autofahren eigentlich nicht. Weil er dabei Visionen hat, dass er eine hektische Bewegung macht und mit 120 km/h an einer Leitplanke zerschellt. Könnte ja vorkommen. Oder ein Monstertruckfahrer neben ihm nickt für 5 Sekunden ein und wuchtet den Smart ins tödliche Abseits. Erstaunlicherweise ist beides nicht geschehen, deshalb ist dieser Blog möglich.

Eigentlich wollte Zinkl am Pfingstsonntag um 4 Uhr früh aufbrechen, um Staus zu entgehen. Aber er konnte es nicht erwarten und ist schon am Samstag los, wegen der goldenen Spätnachmittagssonne im Salzburger Land. Frank Zappas allererstes Album „FREAK OUT!“ hat ihn dabei fröhlich unterstützt.

Weil Zinkl ein gemütlicher Smartfahrer ist, der Autobahnraststätten liebt, kam er erst am späten Abend durch Kärnten. Und war rechtschaffen müde. Hier nun sei die in der Peripherie von Villach zufällig aufgefundene Gaststätte „Pizza plus“ gepriesen, die ihm großzügigerweise ein luxuriöses Nachtlager zur Verfügung stellen konnte.

Am Pfingstsonntag passierte Zinkl mit wenig Wartezeit den berühmtberüchtigten Karawankentunnel, über welchen er in fremdsprachige Ländereien eindringen konnte. Früher hieß das alles Jugoslawien — überkommenes Schülerwissen.

Beleuchtet von der grellen Nachmittagssonne schob sich der tapfere Smart enge und steile Gassen das bergige Küstendorf Vrsar hinauf, auf der Suche nach dem gebuchten Domizil Casa di Rose — dieses idyllisch gelegen an der höchsten Stelle der Ortschaft, gegenüber dem romanischen Gotteshaus.
Noch vor zwanzig Jahren hätte Zinkl diese kleine Pension mit einem 5 kg schweren Autoatlas vergeblich gesucht und sicher auch erst nach 50 Flüchen gefunden. Aber Googlemaps ist schon ein cooles Teil.

Was macht Mann in Istrien, wenn die Geliebte mit ihrer pubertierenden Tochter und einem Hund namens Springginkerl ihre wohlverdiente Ferienzeit an einem Campingplatz verbringt, indem sie dort entweder am Laptop arbeitet oder am Strand in der Sonne brät?

Mann sattelt sein Zinkl-e-bike und erradelt sich das Land mit der rotbraunen Erde, immer in der guten Hoffnung, dass er auf den gewundenen Straßen nicht von einem kroatischen Kraftfahrzeug ins dornige Gebüsch geschmissen wird. Zinkl radelt trotzdem grundsätzlich ohne Helm, dafür aber mit Kopfhörer und iPod. Dank einem grimmigen Tom Waits werden die abenteuerlichen Erkundungen fremder Gefilde zum uneingeschränkten Vergnügen.

Zinkl rollt nach Poreč, wo er sich ein ganz wunderbares Muschelgericht einverleibt. Er radelt zum sagenhaften Limski-Kanal, wo er einen mit Feigen eingelegten Honigschnaps erwirbt. Er bewegt sich nach Pula, wo er zwei Fotos knipst vom römischen Amphitheater, in welchem vor ungefähr 2.000 Jahren Christen den Löwen zum Fraß vorgeworfen worden sind.

Einmal nachts kann Zinkl vor ärgsten Schmerzen im rechten Oberschenkel und Knie kein Auge zutun. Er gibt sich in seiner Not sechs 400 mg-Pillen Ibuprofen. Am Morgen ist der Schmerz fast weg, dafür wackelt Zinkls Kopf hin und her wie bei einem dementen Greis und er spricht wirr zu seiner Geliebten. Sie wirft ihm vor, dass er wahnsinnig sei, so viele Schmerzmittel zu fressen, das sei gefährlich. Was soll der Geiz, Elton John hat wesentlich mehr eingeworfen und es geht ihm bestens.

Schließlich passiert ein schreckliches Unglück. Das Scharnier der rechten Kopfhörermuschel bricht ab und das Gerät hält nicht mehr an Zinkls Kopf. Radlfahren in Istrien ohne musikalische Beschallung ist jedoch undenkbar. Also nötigt er sich dazu, am Campingstrand ins Meerwasser einzutauchen. Salzig ist es. Und der Wellengang so hoch, dass man um sein Leben fürchten muss. Scharfkantiges schlitzt die Handinnenflächen auf. Kein Vergleich mit den Luxuspools in den Münchner Body and Soul-Clubs. An dieser Stelle wird die Geliebte die Augen verdrehen. Sei’s drum.

Im Minimarkt von Vrsar erwirbt Zinkl einen Supersekundenkleber, weil er die wahnwitzige Hoffnung hegt, er könne das rechte Ohrmuschelscharnier wieder anpappen. Zinkl hat in seinem Leben mit Supersekundenklebern noch niemals Erfolg gehabt, so auch dieses Mal nicht. Er versucht es zwar bei einem Eiskaffee mit Geduld und größter Willenskraft, aber selbst im Reich der Magie wäre dieses Vorhaben nicht gelungen. Dafür hat er mühelos zwei Finger der rechten Hand untrennbar miteinander verklebt.

Konsequenterweise muss Zinkl das Land jetzt verlassen. Er lädt seine Geliebte, deren Töchterlein und Springginkerl zu einem letzten opulenten Abschiedsessen ein. Es gibt Gulaschgnocchi, Trüffelnudeln, Tomatensalat, Lamm vom Spieß, Wein und Mischmasch (eine im wahrsten Sinne des Wortes bunte Mischung aus Fanta und Rotwein) und abschließend vom Wirt geschenkt noch greißlichen Schnaps. Alles gut.

Um 5 Uhr früh am Freitag wird der treue Kamerad wieder aufgehuckt und Zinkl setzt sich — noch etwas betrunken vom Schnaps — ans Smartsteuer, um die endlose Heimreise anzutreten. Noch in Slowenien rastet er bei Dixieklos unter Fernfahrern, um nicht am Steuer wegzupennen. Am frühen Nachmittag sind Austrias Tunnel durchrollt, Zinkl hat bis dahin weder eine Leitplanke berührt noch hat er an einer Tankstelle versehentlich Diesel eingelassen.

Als die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland überschritten ist, wird Zinkl schmerzlich bewusst, dass es nun vorbei ist mit der gemütlichen Fahrerei. Ein weißer BMW zwingt ihn mit 220 km/h zackzack auf die rechte Spur, wo deutsche Kriecher hingehören. Autobahnkrieg. Wir sind wieder in good old Germany, wo man sich mit Protzkarossen beweisen darf. Na gut, das hält einen immerhin wach, wenn man aufpassen muss, dass man nicht weggerammt wird.

Ein schöner Urlaub ist es gewesen. Daheim beschäftigt sich Zinkl damit, stabilere Streetlife-Kopfhörer zu bestellen, um beim nächsten Mal besser gerüstet zu sein.

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