Liebe Leser,
Zinkl ist kurzfristig aus der Sommerfrische zurückgekehrt, an den Blog-Schreibtisch, um über ein arges Leid zu berichten. Es geht darum, dass der Bindestrich aus der deutschen Orthografie immer mehr verschwindet, weil die Menschen glauben, auf ihn verzichten zu können. Ja, man kann sagen: Der Bindestrich, dieses aparte Wesen, droht auszusterben.
Es ist noch nicht lange her, da schrieb man so:
Letzte Woche plagte mich eine ganz schlimme Magen-Darm-Grippe.
Vielleicht weil die englische Sprache den Bindestrich nicht kennt, lassen ihn nun auch deutschsprachige Zeitgenossen weg und schreiben:
Letzte Woche plagte mich eine ganz schlimme Magen Darm Grippe.
Wenn ich sowas sehe, bekomme ich sie unter Umständen gleich, die Magen Darm Grippe.
Oder: Man fährt mit seinem Neuwagen inzwischen nicht mehr zur Kfz-Zulassungsstelle, sondern zur Kfz Zulassungsstelle.
Oder: Man sieht im Fernsehen nicht mehr einen Bericht über den UNO-Sicherheitsrat, sondern über den UNO Sicherheitsrat.
Natürlich gibt es Fälle, in welchen man auch früher den guten Bindestrich nicht gebraucht hat, man schrieb z.B. Generalvollmacht. Blödiane schreiben das inzwischen gerne auseinander: General Vollmacht.
Döner Bude. Dinkel Mehl. Erdnuss Creme. Bei diesen Begriffen ist der Bindestrich nicht wirklich nötig, weil die Wörter kurz und problemlos verständlich sind. Aber wenn ich sie so auseinandergeschrieben sehe, bekomme ich den Augenkrebs.
Ich habe den Bindestrich immer geliebt und genossen, weil er Klarheit bringt. Er trennt Begriffe optisch und zeigt aber gleichzeitig eine deutliche Zusammengehörigkeit. Er ist auch praktisch, wenn es um etwas längere Wortverbindungen geht, wie:
Puppenwagenzubehör. Da kann man meinetwegen gerne schreiben: Puppenwagen-Zubehör. Aber doch bitte nicht Puppenwagen Zubehör oder noch schlimmer: Puppen Wagenzubehör.
Sogar von offizieller Seite hat man den armen Bindestrich wegrationalisiert. Beim Bayerischen Rundfunk schrieb man vor nicht allzulanger Zeit:
BAYERN 1-Programm.
Darauf hatte der Leiter der Marketingabteilung immer bestanden, wehe, der Bindestrich wurde an dieser Stelle vergessen. Doch inzwischen heißt es offiziell:
BAYERN 1 Programm. BAYERN 2 Sendeschema. BAYERN 3 Land.
Was soll der Scheiß, braucht’s des? Sieht das besser, sieht das cooler aus? Mein lieber Freund Hans sagte mir dazu, ihn störe das nicht, man verstehe es doch auch ohne den Bindestrich. Und er ist Deutschlehrer am Gymnasium! Da tun sich doch Abgründe auf.
Man mag mich als hoffnungslosen Spießer hinstellen, der die Zeichen der Zeit ignoriert, aber mich juckt das einfach. So habe ich es nicht gelernt, so empfinde ich es als falsch. Dass es so die Amis schreiben, das ist deren Angelegenheit, die kommen ja schmerzfrei durchs Leben ohne Bindestrich. Aber nicht der Zinkl, der braucht ihn, wie die Luft zum Atmen, den Bindestrich. Zinkl braucht Klarheit und Ordnung in seinem Leben.
Leider geht so manche liebevolle Verbindung den Bach hinunter. Was einst eindeutig zusammengehört hatte, scheinbar für die Ewigkeit, steht nun lose und frei interpretierbar nebeneinander, ohne echte und innige Zusammengehörigkeit zu signalisieren. Ein Trauer Spiel (Trauerspiel oder Trauer-Spiel).
Nie und nimmer habe ich mich gleich-gültig gegen-über der Verwendung des Binde-Strichs geäußert, lieber Herr Zink-l! Das muss ein schlimmes Missverständnis sein, ja geradezu ein Miss-Verständnis! Allenfalls habe ich gesagt, dass ich das Weglassen des Bindestrichs in bestimmten Fällen weniger schlimm finde als das überflüssige Hinzufügen eines Apostrophes. Denn das breitet sich wie eine Seuche aus: „Betty’s Bettenparadies“, „Durschty’s Getränkemarkt“, im schlimmsten Fall sogar als Pluralform: „Die Müller’s laden ein!“ – der Kabarettist Hans Klaffl nennt sich deshalb ironisch „Han’s Klaffl“.
Noch schlimmer ist das Verschwinden des Dativs, vor allem in Verbindung mit „Herr“. Fast täglich höre ich von meinen Schülern Sätze wie „Das muss ich mit Herr Schneider besprechen.“ Oder: „Ein Musical von Herr und Frau Schlicht.“ Verdammt, es heißt „mit Herrn Schneider“!! An einer Toilettenwand stand kürzlich „Fuck Herr Schlicht!“ – okay, kann man tun, aber bitte mit Dativ!
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Auch ich bin eine bekennende Adeptin des Bindestrichs (aber bitte ohne denselben) — und noch fast noch mehr seines längeren Bruders, des Gedankenstrichs. Der befindet sich leider auch auf dem Rückzug, zumindest in der digitalen Kommunikation. Mangels Unwissen, wie er auf der Tastastur produziert werden kann*, wird er mir nichts dir nichts durch den Bindestrich ersetzt. Ein kleiner Trost vielleicht für den Zinkl, dass dem Bindestrich zumindest auf diesem Einsatzgebiet eine goldene Zukunft beschieden ist.
*Tastenkombination: umschalt+wahltaste+bindestrich
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Bravo, Frau Wankerl!
Dieser Tastenkombinations-Hinweis ist für viele Leser sicher ein großartiger Tipp. Gut, dass es noch kundige Typographen wie dich gibt. Oh Gott, jetzt muss ich alle 101 Blogs nochmal durcharbeiten. Ich glaube nämlich, ich habe in meiner Nachlässigkeit anstelle eines ordentlichen Gedankenstrichs immer einen Bindestrich zum Einsatz gebracht! Das ist fürchterlich. Asche auf mein Haupt.
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