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Liebe Leser,

die einen nennen es Brieftasche, die anderen Portemonnaie, wiederum andere Geldbörse, für den bayrischen Zinkl ist es schlicht und einfach immer noch der „Geydbeitl“. Was für ein hochinteressantes Thema, werdet ihr nun denken, und das ist es durchaus.

Wie ich darauf komme? Nun, als ich kürzlich ein paar Tage im reizvollen Wien verbringen durfte, bin ich mit einem gemieteten e-Bike ziellos durch die Bezirke gerollt und da kam ich an so einem kleinen Kruschladen vorbei, der alles Nützliche und viel Unnützliches feilgeboten hat. In solche Läden gehe ich grundsätzlich rein, weil ich seit Jahrzehnten die Vision habe, für wenig Geld etwas ganz Wertvolles erwerben zu können.

Sofort sprang mir ein sogenanntes „Gastronomie-Kellner-Portemonnaie“ in den stechenden Blick, welches samt „Gürtel-Halftertasche“ nur schlappe 17,95 Euro kosten sollte. Sicher ein hochwertiges Asienprodukt mit einer Haltbarkeitsdauer von drei Monaten. Jedoch Zinkl (unter Berücksichtigung seiner im vorigen Textabsatz genannten Vision) musste das Teil trotzdem unbedingt erwerben.

Dazu sollte man allerdings wissen, dass mich Geldbeutel schon immer fasziniert haben. Ich bin seit vielen vielen Jahren auf der Suche nach dem perfekten Modell.
Früher mussten meine Devisen- und Dokumentenaufbewahrungsobjekte möglichst kleinformatig und dünn sein, damit sie in der rückwärtigen Hosentasche bequem Platz finden konnten.
Das hat leider nie zufriedenstellend funktioniert, weil man halt viel Kram dabei hat, und der ganze Kram muss Platz haben: ein Kilo Münzgeld, die ganzen Scheckkarten und der Führerschein und der Fahrzeugschein und der Personalausweis und Visitenkarten und natürlich die Geldscheine und auch noch Babyfotos von den Töchtern — es ist brutal viel Zeugs, was da zusammenkommt. Das passt freilich alles nicht gutsortiert auf die Arschbacke.

Nun gut, Zinkl hat im Laufe seines Lebens ca. 25 verschiedene, durchaus kostspielige und edle Brieftaschen erworben — war dabei stets darauf erpicht, die Inhalte in einer idealen Übersichtlichkeit sortiert zu haben.
Bei einigen Modellen stellte sich heraus, dass sich mit schöner Regelmäßigkeit das Münzgeld auf dem Asphalt verteilte, wirklich widerlich sowas.
Bei anderen gab es zu wenig Schlitze für Scheckkarten. Man hat ja selbst als kleiner Ottonormalverbraucher Plastikkarten ohne Ende, viele davon braucht man so gut wie nie: zum Beispiel die Metro-Karte. Diese braucht man nur dann, wenn man mal eine Tonne Parmesankäse einkaufen möchte. Oder die Jeans-Kaltenbach-Kundenkarte. Die braucht man nur dann, wenn man sich nach fünf Jahren mal wieder eine neue Jeans kaufen und dabei drei Prozent Rabatt einheimsen will. Dann gibt es noch die Payback-Karte, die goldene ADAC-Karte und die Krankenkassenkarte (die inzwischen Gesundheitskassenkarte genannt werden möchte). Außerdem: Visa — die Freiheit nehm’ ich mir. Es ist ein Gfrett. Da Zinkl für alle Eventualitäten gerüstet sein will, hat er das alles immer dabei!
Von weiteren Geldbeutel-Modellen und deren Defiziten möchte er hier gar nicht mehr berichten — einige Lederbehältnisse gingen natürlich wegen Überlastung den Jordan hinunter: Nähte rissen auf, Reißverschlüsse verklemmten sich, jeder kennt diese kleinen Malheure des Lebens.

Nun, langer Rede, bedeutender Sinn: Dieser prollige Laden in Wien hat Zinkl endlich klargemacht, dass er kein immens überfülltes Portemonnaie für die Pobackentasche mehr haben braucht, weil er nun die ideale Lösung gefunden hat: Eine große Kellnerbörse mit sieben Fächern. Sieht aus wie ein kleines Akkordeon aus Leder, von der Funktion her ultrageil. Denn:

Mit einem Blick hat man nun alles vor sich und griffbereit, sogar die blaue MVV-Streifenkarte bekommt endlich ihr eigenes exklusives Fach, es ist eine wahre Freude, das mitanzusehen.
Das Allerbeste ist aber der große Bereich für das Münzgeld! Euromünzen, die kleinen Beträge wie 1 Cent, 2 Cent, 5 Cent, 10 Cent lassen sich mit bloßem Auge ja kaum unterscheiden. Zusammengedrängt in einem herkömmlichen Minifach ist es für einen ungeduldigen Menschen wie Zinkl eine unendliche Arbeit und Mühe, das Gesuchte herauszuklamüsern. Aber die Quälerei hat ein Ende gefunden. Jetzt sind mit einem wackeren Schütteln alle Münzen auf einen Schlag sicht- und greifbar geworden. Und: Sie fallen auch nicht raus! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: SIE FALLEN AUCH NICHT RAUS! Ich schütte nun erstmals mein gesammeltes Kleingeld aus der Küchendose in den Beutel, um es beim Bäcker loszuwerden.

Natürlich hat sich meine Ex-Gattin Kiki gleich wieder lustig gemacht über mich. Eine Frau, die ihrer 16-jährigen Tochter für 1.000 Euro zum Geburtstag ein winziges rotes Gucci-Tascherl schenkt, in welches gerade mal das Smartphone hineingequetscht werden kann — die hat natürlich für den rein funktional arbeitenden Verstand ihres Ex-Gatten soviel Verständnis wie die Stadttaube für höhere Mathematik.

Ich pfeife aber ein schrilles Lied auf Konventionen und auf Markenimage erst recht (Gucci! Pah!) und bin schon immer ein Freund des „Gegen den Strich bürsten“ gewesen. Meine Art rebellisch zu sein im kleinen Spießerdasein. Diese Gastro-Börse für einen Nicht-Kellner ist Rebellion pur, aber nicht Rebellion rein um der Rebellion willen. Nein!
Dahinter steckt die wertvolle Philosphie, dass man sich im Leben nur noch auf das Wesentliche konzentrieren und beschränken sollte. Keine Zeit mehr damit verlieren, Münzen vom Boden aufzuklauben. Kein wirres Hin- und Herklappen von Scheckkarten-Einstecklaschen. Keine verwuzzelten 5-Euro-Scheine mehr herauspopeln. Kein endloses Kruscheln mehr nach dem verwaschenen Führerschein von 1978.

Ich habe mit dieser Gastro-Börse mein Leben wieder ein großes Stück einfacher und leichter gemacht. Natürlich transportiere ich sie im Rucksack und nicht in der Gesäßtasche, wo sich perfide Taschendiebe gütlich tun könnten.

Übrigens gibt es bei der Tante Amazon noch diverse, teilweise praktischere Modelle von Kellner-Börsen, zum Beispiel ideal: diese mit einem Magnetverschluss! Schneller und sicherer Zugriff. Ich habe das geprüft und mir das beste Exemplar bestellt. Den Wiener Prototyp bewahre ich aber gerne auf, er hat mich schließlich auf die Idee gebracht. Danke, Wien!

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