Liebe Leser,
am vergangenen Sonntag wollte ich den letzten Spätsommertag genießen. Ich besitze ein ausgeklügelt zusammenfaltbares Niedrigsitzstühlchen, welches nach langer Zeit endlich wieder einmal zum Einsatz kommen sollte, nämlich am sagenhaften Feldmochinger See, beim Sonnen und beim Baden. Dieses äußerst bequeme Accessoire will ich nicht mehr missen — es lässt sich auch problemlos auf dem Radl mitnehmen.
Also bin ich losgezogen, ausgestattet mit meinem fabelhaften chinesischen Multifunktions-Backpack (siehe auch Blog Nr. 104), dem Sony Extrabass-Kopfhörer und besagtem Niedrigsitzstühlchen auf dem Gepäckträger.
Die Sonne brannte mir schön aufs Hirn, auf die Ohren gab’s „Close to the Edge“ von YES (die verschärfte Live-Version von YESSONGS), so rollte ich mit lässigen fünfzehn Stundenkilometern durch den Münchner Norden hinaus aufs sonnige Land und war dabei ein glücklicher Mann.
Jede Reise hat ein Ziel, mein Ziel war, wie bereits angedeutet, der idyllisch gelegene Feldmochinger See, gerne frequentiert von zahlreichen Sonnenanbetern und munteren Badewilligen.
Eine liebe Bekannte bezeichnet den von mir aufgesuchten Platz am See Nackedonien. Es handelt sich dabei um ein saftiges Stück Liegewiese, auf welchem sich eine eingeschworene Sippschaft schamloser alter Menschen tummelt.
Nun gut, die meisten davon sind erst mittelalt (so wie der Zinkl), aber sicher ist: Menschen zwischen zehn und dreißig meiden diesen Bereich wie der Teufel das Weihwasser. Verständlich. Denen graust es halt.
Zinkl jedoch schaut sich das mittlerweile recht gerne an und mischt sich drunter. Es ist harmlos und entspannt, man wird nicht erotisiert, keinerlei Grund zu ekstatischen Anwandlungen. Denn hier ist man frei vom Verlangen, welches die Jugend umtreibt. Ja mei, der ältere nackte Mensch ist selten eine Augenweide, das kann man akzeptieren und aushalten, warum denn nicht?
Übrigens habe ich vor einiger Zeit in Nackedonien den Rainer Langhans gesehen. Er saß auch auf einem Niedrigsitzstühlchen, rings um ihn herum scharte sich ein Teil seines Harems. Langhans ist schon großartig, auch wenn er nackt ist. Ich konnte ihn ausführlich studieren. Obwohl er eine Legende ist und ein Prominenter, den man nicht so einfach anspricht, habe ich das gewagt, denn so unter den Nackerten ist man ja auch ein gutes Stück hemmungslos.
„Lieber Herr Langhans, wie war das eigentlich damals mit der Uschi, der schönsten Frau der Welt, das muss doch fantastisch gewesen sein?“
Langhans starrte mich mit seiner kleinen Nickelbrille fassungslos an, ich dachte schon, er wird böse, da säuselte er sehr leise:
„Ach die Uschi, die Uschi, die war schon ein fesches Madl. Wissen Sie, Schönheit ist ja vergänglich, schauen Sie sich hier um.“ Er richtete langsam melancholische Blicke auf seine drei betagten Begleiterinnen.
„Ach die Uschi, die Uschi ist inzwischen auch älter geworden, aber immer noch ein heißer Feger, das ist wohl wahr. Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen, sie widerlicher Mensch.“
Langhans fletschte die Zähne und bevor er mir an die Gurgel springen konnte, machte ich mich schnellstens davon, zurück zu meinem Platz.
Als ich eine Zeitlang entblößt auf meinem Niedrigsitzstühlchen flackte und mir die Leute anguckte, musste ich an den berühmten Film „Die Zeitmaschine“ denken. An die wunderschönen jungen blonden Eloi, die sich völlig sorglos in ihrem Naturparadies tummelten und vergnügt im Wasser plantschten.
Im Film sind sie nicht nackt, das ging halt bei einem Hollywoodfilm von 1960 nicht. Aber es wäre sicher ein schöner Anblick gewesen, hüllenlos wie Gott sie schuf. Lecker und schmackhaft auf alle Fälle: für die schlimmen Morlocks, die sie mit einer unheilvollen Sirene in die düstere Unterwelt lockten, um sie dort zu schlachten und zu fressen.
Am Feldmochinger See war ein kleines Sportflugzeug zu hören, welches am strahlend blauen Himmel vorbeiflog. Jedoch keinesfalls eine unheilvolle Sirene. Verständlich. Vor dem vorhandenen Nahrungsmittel hätten sogar die ärgsten Kannibalenmonster mit bleichen Mienen das Weite gesucht. Auch bei denen isst doch das Auge mit!
So gesehen also keine Gefahr für die fröhlichen Nudisten. Früher erschien manchmal noch die uniformierte Polizei und wies darauf hin, dass solch kleiderloses Treiben ungesetzlich sei. Dann riss man den Beamten die Uniformen vom Leib und warf sie (die Beamten) in den See, welcher jetzt, Mitte Herbst, schon empfindlich kalt ist.
Aber seit geraumer Zeit gibt es keine Unruhe dieser Art mehr, letzten Sonntag war es jedenfalls so friedlich wie im Paradies vor dem Sündenfall.
Ach, das nackte faule Leben, es hat schon was für sich, meine lieben Leser. Befreit von Stoffen, die man ja eigentlich nur braucht, wenn es einen friert. Aber nun ist es damit leider vorbei, schon droht die WIESN — und nicht nur die alten Leut’ werfen sich dafür in Tracht, das tut auch die Jugend mit Begeisterung und findet sich so dermaßen schön dabei. Schön, wie Gott sie nicht schuf, wohlgemerkt.
Ja, ja…. am „Nudistenstrand“ und in der Sauna sieht man die Menschen, so wie Gott sie schuf und McDonalds sie formte!
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Was arbeitet der eigentlich, der Rainer Langhals? Man sieht ihn immer irgendwo sitzen, liegen oder rumstehen. Er muss ein Millionär sein — an Zeit… Und er ist nicht der Höhepunkt deiner Geschichte. Der Höhepunkt ist YES. Tolles Werk — noch heute. 🙂
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Rainer LangHALS ist gut 🙂
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Diesen spätsommerlichen Beitrag möchte ich dann doch noch kommentieren. Aus dem spätsommerlichen Griechenland geht das auch — noch.
Einerseits, weil mir hier selbst spätsommerlich zumute ist, andererseits, weil auch die zu nicht soviel Prominenz gekommenen Rainer Langhanses hier ihren Lebensabend zu verbrutzeln scheinen und einem des abends auf Schritt und Tritt in den kykladischen Tavernen begegnen. Eine dunkelbraunrot gebrannte, in lässige Hippiekleidung gewickelte internationale Bussigesellschaft gönnt sich hier das vermeintlich ursprüngliche Leben, umschwänzelt von routinierten Betreuern, die ‚den Griechen‘ geben und dank Krise zu diesem Schauspiel verpflichtet zu sein scheinen.
Man kennt sich und gehört nach mehreren Jahren dazu, Kurzurlauber werden mit Nichtachtung gestraft.
Ähnliche Beobachtungen habe ich dieses Jahr am Feringasee zu Unterföhring gemacht.
Dort gibt es auch einen Nacktbadestrand, der aber von einer eingeschworenen Gemeinde älterer Herrschaften mit, dank Rente, arbeitstäglicher Ganztagesfreizeit zugunsten der Runzelbucht gemieden wird. In der Runzelbucht auf der anderen Seite des Sees trifft man sich und stellt sich aus. In erster Reihe, direkt am Ufer, die Liegen quer gestellt, die Uschi Obermeiers, mindestens, aber auch höchstens zu zweit. In gebührender Entfernung, gerade noch in lauter Ratschweite, die Liegen längs gestellt, rittlings mit gespreizten Beinen das Gemächt zur Schau gestellt, die Rainer Langhanses, Glatze statt Wallemähne, Bier- statt Waschbrettbauch, Bildzeitung statt Kapital, wenn es überhaupt was zu lesen sein muss. Auf die einschlägigen Nachrichten werden dann Kommentare abgelassen, wie: „So einem g’hörad doch ois abgschniddn“.
Ab und zu gibt es einen Plätzetausch, eine der Uschis wechselt nach hinten auf eine der Liegen zu einem der Hanses, dafür bekommt einer der Hanses eine Audienz auf den vorderen Liegen. Es wird dann nur noch im Vertraulichen, in „Zimmerlautstärke“ gesprochen…
Eine berittene Polizei in Form eines 17jährigen drahtigen Kampfsportlers mit Migrationshintergrund in Begleitung eines Aufsichtsbeamten mit wenig Kondition, aber dafür mit Autorität, kommt alle zwei Stunden auch vorbei. Man kennt sich, es genügt, wenn man so tut, wie wenn man gerade aus dem Wasser kommt und ein Handtuch vorhält.
Ab 18:00 Uhr fängt der erste Hans an seine Liege und Bildzeitung zusammenzuklappen, alles auf eine Ultraleichtsackkarre zu laden und verabschiedet sich nach Hause zu seiner Frau ans andere Ende der Stadt. Die anderen Hanses folgen, nach und nach. Die Uschis bleiben noch eine Weile. Was sie dann machen, weiß man nicht…
Am nächsten Tag sind alle wieder da…
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Liebe Cordula,
ich bedanke mich ganz herzlich für diesen wunderbaren Beitrag. Eine großartige Ergänzung zu meiner Geschichte!
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