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Liebe Leser,

nachdem aus mir im Blog der letzten Woche oberflächliche kapitalistische Snobismen herausgesprudelt sind, darf ich jetzt mal wieder etwas mehr an die Substanz gehen.

Bei der Informationsübertragung durch Mobiltelefone werden die Gesprächs- und Datensignale (whatsapp-Nachrichten, Fotos, Videos) digitalisiert und in hochfrequente Felder umgewandelt. Diese Felder werden von den Kommunizierenden bzw. deren Vertragsanbietern als Funkwellen mit Lichtgeschwindigkeit durch die Atmosphäre geschossen — und stören sich dabei erstaunlicherweise gegenseitig keineswegs.

Man stelle sich vor, was auf unserem Planeten passieren würde, wenn sich all diese Funkwellen urplötzlich in Spinnenfäden verwandeln würden. In nullkommanix wäre dann die Erde von einem gewaltig dicken harten Kokon umgeben und jegliches Leben wäre darin „einbetoniert“.
Die Menschheit kann von Glück reden, dass es böse Außerirdische noch nicht geschafft haben, dies technisch zu realisieren. Aber natürlich braucht es gar keine Aliens für unheilvolle Geschehnisse in Verbindung mit Strahlenwellen.

Weil Strahlen jeglicher Art keinen physischen Raum beanspruchen, sehen die Menschen nicht, was ihnen ununterbrochen ums und ins Gehirn schwirrt.
Der Zinkl hockt seit 27 Jahren tagtäglich viele Stunden vor Computerbildschirmen und seit 55 Jahren schon vor TV-Mattscheiben — und freilich hat er auch sein unersetzliches iPhone ständig 30 cm vor seinem Konglomerat an grauen Zellen, die sich dadurch nicht unbedingt wie in einem Kühlschrank frisch halten dürften.

Sein bemitleidenswertes Hirn war also viele Dekaden einem ständigen Strahlenbombardement ausgesetzt und das wird sich so schnell nicht ändern. Jetzt passiert es gerade wieder, beim Verfassen dieses Textes.

Schon ein Wunder, dass jener ununterbrochen mälträtierte Denkapparat noch fähig ist, sich Blogs auszudenken und niederzuschreiben.
Aber kein Wunder dürfte es sein, dass sich Zinkl immer öfter keine Namen von Schauspielern und sonstigen prominenten Persönlichkeiten mehr merken kann. Darin war er früher exzellent.
Er lässt gedankenverloren sein Umhängetascherl mit wichtigen Wertsachen in der Umkleide des Fitness-Studios liegen, obwohl sich das auffällige Ding direkt vor seinen Augen befindet.
Er scheitert bisweilen sekundenlang an der Ausführung eines supersimplen Vorgangs am Computer. In dieser Zeit schaltet und waltet sein Gehirn, als wären alle neuronalen Prozesse kurzfristig nach Tschechien ausgelagert worden.
Er braucht einen Einkaufszettel, auch wenn er nur eine Packung Milch, ein Glas Essiggurken und ein Tegernseer Helles kaufen möchte.
Er sagt zu seinem Hund Walter, obwohl er gar keinen Hund besitzt.

Es mag sein, dass an diesen mentalen Defiziten die diversen Strahlungen nicht die geringste Schuld haben, sondern dass Zinkl einfach nur dement wird. Aber das glaubt er nicht. Seine liebe 83-jährige Frau Mama hat solche Probleme nicht, die funktioniert noch wie ein Hochleistungsrechner, wenn sie ihm bei der Buchführung seines Betriebes hilft. Ihr Sohn dagegen verwandelt sich bei solchen Herausforderungen manchmal mental in einen halben Zombie. Und ihm sind aber auch männliche und weibliche Kollegen seiner Zunft bekannt, die in diesem Horrorfilm ein wenig mitspielen könnten.

Die unsichtbaren Strahlenwellen spinnen mich ein und ätzen sich in meine Gehirnwindungen, als wären sie Fäden von Spiderman, die mit Salzsäure benetzt sind. Sie werfen alles durcheinander, was einst gut sortiert war und hervorragend funktioniert hat. Ich schleppe einen Schrank mit Millionen von unbeschrifteten Schubladen mit mir herum und schiebe diese ratlos auf und zu, auf der Suche nach den Rollennamen von Wolfgang Völz oder Eva Plug oder Franz Schafheitlin (die haben alle drei bei Raumpatrouille Orion mitgespielt). Bin ja schon dankbar, wenn mir Dietmar Schönherr noch einfällt.

Ach Gottchen, soo dramatisch ist es nun auch wieder nicht. Dietmar Schönherr fällt mir immer ein und dass er Commander Cliff Alister McLane gewesen ist, weiß ich auch. Ich kann die jeweils ersten sechs Schallplatten von Genesis, Gentle Giant und Uriah Heep locker aufzählen, das ist als Jugendlicher gelernt worden. Damals war ich aber auch noch nicht so vielen Strahlungen ausgesetzt gewesen, genau!

Ich werde darüber nachdenken, auf die Hallig Hooge überzusiedeln. Ohne iPhone und ohne iMac. Ein Leben in frischer Luft und mit saftigen Wiesen um mich herum. In dreißig Jahren dürfte die Hallig noch nicht überflutet sein, für ein stilles unaufgeregtes Leben bis zum Tode ginge es also.

Aber ist es tatsächlich besser, in trüber Einsamkeit dahinzusiechen? Dann doch lieber langsam in fröhlicher Gesellschaft verblöden, oder? Dann doch lieber geschwätzige Blogs veröffentlichen, oder? Was meint ihr? Oder?

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