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Liebe Leser,

meine hochverehrte Zinklmama hat vor einigen Tagen im Dachspeicher ihres Markt Schwabener Domizils (jenem Haus, in welchem der kleine Zinkl seine Kindheit und Jugendzeit verbracht hat) beim Räumen einen sensationellen Fund gemacht. Sensationell sicher nicht für sie selbst und bestimmt auch nicht für meine beiden lieben Schwestern.

Doch sehr wohl für mich, denn nach jenem Buch hatte ich vor Jahren schon bei Google, ebay und sonstigen Such- und Findemedien erfolglos gefahndet.
Ein sehr bedeutendes literarisches Werk für den damals siebenjährigen Zinkl ist nun wieder aus 52-jähriger Versenkung aufgetaucht. Unglaublich, aber wahr. Nur der liebe Gott kann dies möglich gemacht haben!

Das Buch heißt (das wusste ich bei meiner vergeblichen Suchaktion leider nicht mehr): „An Gottes Hand“, und es wurde tatsächlich von Gott oder damaligen bayerischen Kultusbeamten in die noch völlig unschuldigen Hände von Markt Schwabener Grundschülern gelegt, um ihnen auf katholische Weise Fundamentales aus der Hl. Bibel nahe zu bringen.
Kurz gesagt, es war mein damaliges allererstes Religionsbuch, herausgegeben vom Kösel-Verlag München und, wie bereits erwähnt, für mich total verschollen — bis jetzt.

Nun darf sich der geneigte Leser mit Recht fragen: Wieso hat der inzwischen längst ergraute Zinkl nach diesem Buche aus seiner Kindheit so dringend gesucht? Das kann er euch sagen!

In dem reichhaltig mit bunten Zeichnungen ausgestatteten Werk gab und gibt es eine Seite, auf welcher anschaulich gezeigt wird, wie der schöne und edle Erzengel Michael den (ehemaligen) Erzengel Luzifer mit seinem langen heiligen Stab aus dem golden strahlenden Himmel ins tiefe Dunkle verstößt.
Luzifer ist grün wie Erbsensuppe, er hat Drachenflügel, einen Bocksfuß und ein häßliches, qualvoll verzerrtes Raubtiergesicht mit großen spitzigen Ohren am bärtigen Schädel.

So manches hat der Zinkl von seiner frühesten Schulzeit vergessen, aber nicht jenes Bild des frisch gebackenen Satans. Es hat dem kleinen Tonerl das erste richtige Gruseln seines Lebens beschert. Die Zeichnung brannte sich für immer in sein Gedächtnis ein — und der Zinkl der Gegenwart wollte soo gerne herausfinden, ob seine klare Erinnerung an dieses dämonische furchterregende magische Bild dem Original ähnlich kommt.

Nun weiß ich das endlich. Sehr ähnlich! Ich habe mir den schrecklichen Luzifer ganz hervorragend eingeprägt und bewahrt, so dass er die Dekaden in meinem Kopf sorglos überdauern konnte. Wie schön.

Ich bin übrigens sehr froh, dass mir dieser grüne 60er-Jahre-Teufel eine gescheite Initialzündung beschert hat, die sicher dabei geholfen hat, dass mich Gruselfilme in meiner Jugendzeit über alle Maßen fasziniert haben.
Murnaus Nosferatu war ein paar Jahre später mein erster Kontakt mit dem Grauen aus der Flimmerkiste. Es folgte Dr. Jekyll und Mr. Hyde, mit dem furchterregend affenartig zurechtmaskierten Fredric March — die deutsche Fassung gibt es skandalöserweise noch immer nicht auf DVD zu kaufen!

Als 1972 Christopher Lees blutdurstiger Graf Dracula im Markt Schwabener Kino gezeigt wurde, verbot mir meine fürsorgliche Mama leider den Besuch, denn sie fürchtete um mein Seelenheil. Pah, jenes hatte mir der gotteslästerliche Bösewicht aus dem Kinderreligionsbuch längst genommen.

Der unfreiwillige Verzicht auf den bleichen Hammer Horror-Vampir und auch auf den im Verließ an seinen Eisenketten wild rüttelnden Werwolf Oliver Reed steigerte meine Neugier und Schaulust nach diesen und ähnlichen Filmen nur noch.

Mein damaliger Horrorfilm-Höhepunkt war schließlich 1974 Der Exorcist, den ich in der Abendvorstellung in beschützender Begleitung meines älteren Cousins Peppi sehen durfte — ich saß in dem dunklen Kino und zitterte trotz Peppi wie Espenlaub.
Die widerlich grünen Schleim spuckende Megan (so grün wie mein Religionsbuchteufel!), heimgesucht vom obszönen Dämonen Pazuzu, hat mich danach wochenlang nicht mehr ruhig schlafen lassen. Dauernd glotzte es aus der Markt Schwabener Nacht in mein Schlafzimmerfenster, das aufs Schlimmste enstellte Mädel. Manchmal kam es auch hereingekrabbelt, den bösartig grinsenden Kopf um 360 Grad drehend.

Wie man sieht: Religion kann so viel Gutes bewirken, wenn sie nur zur rechten Zeit und mit den richtigen Mitteln zum Einsatz kommt. Ich hatte ja das große Glück einer insgesamt sehr sorglosen und behüteten Kindheit — gruselige Bilder und Filme haben mir darin aber einen relativ harmlosen Einblick in fantastische Gefilde des Abartigen beschert und mir kleine schauerliche Kicks verabreicht. Ohne mich in der Gewissheit wankend zu machen, dass das alles nur Visionen aus Lug und Trug sind.

Vor wahrem Horror bin ich zeit meines Lebens Erzengel Michael sei Dank verschont geblieben. Dafür hat er ganz bestimmt gesorgt, der große transparente Schutzengel, zu finden auf der Seite 9 von „An Gottes Hand“, direkt gegenüber vom Himmelssturz des Antichristen.

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PS.:
Übrigens gibt es dieses Buch bei ebay! Wenn man den Titel kennt, ist es ganz einfach zu finden. Aber jetzt habe ich es ja schon: Mein Original von damals!
Ich musste das ebay-Exemplar trotzdem erwerben: Bin der Ansicht, dass man gute Dinge auf jeden Fall doppelt haben sollte. Außerdem ist bei dieser Bestellung noch ein zweites Buch mit dabei: Ein Beichtbilderbuch für Kinder. Wie geil ist das denn?

PPS.:
An Gottes Hand“ gibt es auch noch mehrmals bei booklooker.de!
Liebe Leute, haltet euch ran, bevor das Werk eines Tages endgültig vergriffen sein wird. Wem die Bibel zu ausschweifend ist, der sollte mit diesem schönen Bilderbuch wirklich bestens bedient sein.

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