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Liebe Leser,

der Zinkl hat schon eine geraume Weile nicht mehr über Krankheiten geschrieben. Das soll sich nun vorweihnachtlich ändern. Passt in diese stade Zeit auch hervorragend, denn traditionell stopft man sich da ja pfundweise Süßigkeiten, Gebäck und Fettes in den Magen, der damit dann seine liebe Not hat.

Als Jugendlicher habe ich literweise Wolfra-Orangensaft in mich hineingeschüttet. Als Mittedreißigjähriger gab ich mir tagtäglich mehrmals gepulverten Nescafé Gold mit Bärenmarke und viel Zucker. Und schließlich, als Mittevierzigjähriger tobte in meinem Magen nach jeder Mahlzeit der Säureteufel, als gäbe es kein Morgen.

Wenn ich damals nicht ein Tabletterl „Rennie räumt den Magen auf“ in der Hosentasche fand, war ich geliefert, komplett ver- und angesäuert, es war richtig unangenehm in und mit mir. Meine Ex Kiki kann davon ein schauriges Lied singen.
Ich weiß noch, wie wir mal im Sommer in Lissabon waren. Sonnigstes Wetter, wunderschöne Stadt, großartige Sehenswürdigenkeiten. Jedoch der Zinkl ist mit schmerzverzerrtem Säuremagengesicht die Gassen entlanggestolpert, auf der Suche nach der rettenden Apotheke.

Schließlich legte mir Ende der Nullerjahre mein freundlicher Hausarzt Dr. Jell ein völlig neues sensationelles Medikament ans Herz — mit den warmen Worten, Nebenwirkungen seien nicht bekannt. Nexium hieß das Wundermittel. Nur einen Mikro-Container davon am Tag und das Leben bekäme wieder einen Sinn.
Ich nahm diese Pille und nehme sie nun seit bestimmt schon zehn Jahren! Irgendwann hieß Nexium dann Esomeprazol, angeblich nachhaltig verträglicher. Gleicher Wirkstoff. Alles gut. Das Magensäureproblem war für immer Schnee von gestern.

Wer an die Heilkraft der Schulmedizin glaubt (und das tat Zinkl immer) und sich alles einwirft, was einem der Arzt aufträgt, der kann sich glücklich schätzen. Solange er davon nicht krank wird. Ich bin auch davon nicht krank geworden. Bisher. Glaube ich. Wissen tue ich es nicht.
Mit Esomeprazol konnte ich jedenfalls wieder hemmungslos Spekulatiuskekse und Weizenciabatta vertilgen und auch noch Orangensaft süffeln. Das Medikament modifizierte mir meinen Magen, so dass er völlig ohne Säureattacken funktionierte, es war wunderbar, es war paradiesisch. Kein versäuertes Lissabon mehr. Kein Rennie mehr, welches sowieso nur sehr kurzfristig und schwach funktioniert hatte.

Aber man muss nicht glauben, dass Zinkl wegen der jahrelangen Einnahme dieses durchaus kostspieligen Säureblockers — genannt auch Protonenpumpenhemmer (PPI) — in seinem flotten Restleben sorglos herumhüpfen darf, ohne irgendwann dafür hart zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Genau! Wenn man einen Handel mit Mephistopheles schließt, kann das eine Zeitlang recht vergnüglich sein. Eine lange Zeitlang.
Mein lieber Freund Chris, seines Zeichens Apotheker, warnte mich immer mal wieder vor dem Zeug, es würde die Knochen zerbröseln, die Nieren angreifen und so manch’ anderes Leid hervorrufen.
Gestern schickte er mir einen ausführlichen Artikel, der die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den sogenannten PPI’s darlegte, in den schwärzesten Farben ausgemalt, the dark side of the moon gewissermaßen. Wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe!

Es soll hier nicht meine Aufgabe sein, diese bitteren Erkenntnisse über die hilfreichen Säureblocker ausführlichst wiederzugeben. Nur eines: „erhöhtes Mortalitätsrisiko um 23 Prozent“. Was für ein arges Wort: Mortalitätsrisiko! Auf Deutsch: Dem Tode nah. Oh Gott, wenn es dich gibt, tu’ mir das nicht an. Keith Richards lebt zwar auch immer noch, aber der hat sich ja nie sowas Schlimmes gegeben!

Nun werde ich sofort diese Droge absetzen. Sofort.

Und dafür jeden Tag zwei Esslöffel Leinöl schlucken. Schmeckt sogar gut! Ich werde nie mehr Gebackenes mit Weizenmehl essen. Was für ein Jammer: die herrlichen Rosinenbrötchen von der Bäckerei Ziegler. Für immer sind sie nun für mich verloren.
Ich werde nicht Natron nehmen, wenn mir der Magen wegen dem Esomeprazol-Verlust die Hölle heiß machen wird. Und das wird er. Das wird er ganz sicher.
Warum nicht Natron? Weil mir die kluge Apothekersfrau in der Schleißheimer Straße gesagt hat, dass das völlig falsch wäre, sie verkaufte mir dafür ein Zeug namens Gaviscon Dual. Vor dem Schlafengehen davon ein Tüterl untes Kopfkissen legen und die Entzugserscheinungen mangels Esomeprazol wären aushaltbar. So sprach sie, die forsche Meisterin der Rezepturen.

Ich werde nur noch Äpfel und Paprikaschoten und Tomaten und Endiviensalat fressen, so wie es Vegetarier tun. Und enorm viel Rote Beete, gesünder geht es nicht. Keinesfalls eine Weizenwampe mehr zulassen, dafür Dinkelbrot mit Ajva beschmieren.

Milch und Käse sind sowieso toxische Lebensmittel. Sowas esse ich auch deshalb nicht mehr, weil sie den Magen verschleimen und weil Chris gesagt hat, dass man auf das Zeug problemlos verzichten kann. Eigelb ist laut Tabelle extrem in der Säurezone! Mensch! Dafür sind Rosinen die totalen Antisäureteilchen. Ich mag Rosinen, so ein irres Glück.

Wasser darf ich trinken. Das ist wunderbar. Einfach nur Wasser trinken. Gibt es Schöneres? Mein Lieblingslied von den Dire Straits heißt „Water of Love“. Passt.
Wer braucht süßen Rosé aus dem Badenland, wer braucht spanischen Mederano tinto aus dem Edeka? Halt! Mederano darf ich trinken, das ist gut für die Gesundheit. Es gibt das Märchen vom alten Hias, welcher jeden Abend ein Glas Rotwein getrunken hat und deshalb 127 Jahre alt geworden ist. Das glaube ich gern.
Kann ich noch Whiskey verkosten? Ich weiß es nicht. Mein Magen wird es mir zuflüstern, wenn er mal wieder ein Säurebad nimmt.

Ich werde mich mit dem Homöopathen Dr. Globoli treffen und mir winzige Pillchen geben lassen, die dann unter den Kühlschrank rollen oder in den Ausguss hüpfen. Vielleicht kann die eine oder andere dann doch meinen Hals passieren. Mein Magen wird sich krummlachen darüber und wird mit einer Säurekeule zurückschlagen, die sich gewaschen hat. „Globolis! Hah! Du dumme Sau!“ wird er mich anbrüllen und ich werde mich winden und in die Knie gehen.

Ich weiß nicht, was mir für Schmerzen bevorstehen werden. Aber ich bin gewillt, den Kampf aufzunehmen. Wer es schafft, sich jeden zweiten Tag einen Kilometer schwerelos im Hallenbad zu bewegen, der kann auch seine Ernährung umstellen. Jawohl.

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