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Liebe Leser,

stellt euch vor, ihr habt ein Auto, das ist nicht mehr das jüngste. Vielleicht ist es schon zehn Jahre alt, könnte ja sein. Ihr fahrt damit an die Tankstelle, und da steht: Kraftfahrzeuge, die vor 2010 gebaut wurden, sind für den hier erhältlichen Kraftstoff nicht mehr kompatibel. Bitte tanken Sie hier nicht, ihr Fahrzeugmotor könnte beschädigt werden.
Oder ihr möchtet in euren geliebten „Oldtimer“ ein neues Radiogerät mit Bluetooth-Verbindung zum Handy einbauen lassen und der Monteur stellt fest, dass das tolle teure Gerät mit der Batterie eures Wagens nicht laufen wird.

Das ist absurd, nicht wahr? Man würde sich darüber sehr aufregen müssen, man würde ausflippen. Ich bin jedenfalls (im negativen Sinne) ausgeflippt — aber nicht, was mein Auto betrifft!
Nein, hier geht es um den Computer von Apple, mit dem ich seit über 15 Jahren elektronische Musik produziere.

Es ist zwar relativ umweltunverträgliche Musik, die ich erschaffe. Nicht ideal geeignet für Fahrstühle, nicht für Supermärkte. Man muss der Musik höchst aufmerksam lauschen, um sie in ihrer wunderbaren Komplexität genießen zu können. Die meisten Zeitgenossen haben dafür keinen Sinn und damit auch keine Zeit. Ich bin kein Mainstream-Musikproduzent, aber ich kann es mir erlauben und leisten, Musik zu konstruieren, die nicht vielen gefällt und mit der ich kein Geld verdiene. Das juckt mich nicht. Und darum geht es hier auch gar nicht, sondern:

Nach drei Jahren Musikproduktionsabstinenz hat es mich wieder so richtig gepackt und ich habe Lust, neue Stücke zu erschaffen. Meine musikalischen Ergüsse enstehen rein elektronisch mit virtuellen Instrumenten und es macht mir Spaß, Bizarritäten zu kreieren, merkwürdige Sounds einzubinden, skurrile Rhythmen zu basteln. Daher ist es nicht so verkehrt, ein Projekt in Angriff zu nehmen, welches heißt: TANZMUSIK FÜR ROBOTER.

Zinkl liebt Roboter, seit er sie in der deutschen SF-Serie Raumpatrouille gesehen hat. Er sammelt auch kleine Blechkerlchen, die man aufziehen kann und die dann schnarrend herumspazieren. Dies nur so nebenbei.

Meistens war Zinklmusik rein instrumental angelegt, also ohne menschliche Stimmen. Diesmal soll es wieder ein Album mit Texten werden. Es liegt auf der Hand, dass dabei Roboter ihre Stimmen erheben müssen. Wie eine Roboterstimme klingt, wissen mittlerweile Hinz und Kunz.
Bei Raumpatrouille wird am Anfang jeder Episode ein Countdown gezählt, mit knarziger blecherner Stimme. Wer diese geniale Serie nicht kennt: Fast jeder hat bestimmt schon mal das Lied „Die Roboter“ von Kraftwerk gehört. So also sprechen Roboter. Ist klar, oder?

Das mag nun retro oder alter Käse sein, wie auch immer. Ich will solche Stimmen auch haben. Eigentlich kein Problem. Es gibt Software, die kann jegliche Modifikation von menschlichen Stimmen herstellen. Gibt es schon seit den 90er Jahren. Da ich bislang auf solche Späßchen keinen Wert gelegt habe, stattete ich damals meinen Computer damit aber nicht aus.

Inzwischen ist super Vocoder-Software erhältlich, die kann mit Stimmen ALLES anstellen. Klar. Popsonggesänge werden seit vielen Jahren damit aufgemotzt, das ist hervorragend für Interpreten, die nicht so gut singen können. Klingt dann immer irgendwie professionell. Damit wurde auch ziemlich oft Britney Spears-Gesang „veredelt“. Wobei ich hier keinesfalls sagen möchte, dass Britney nicht singen kann. Die kann bestimmt sehr gut singen. Aber die doofen Popsongproduzenten meinen halt, das klingt cooler mit Vocoder-Unterstützung.

Nun komme ich zurück auf meine „Altes Auto verträgt das neue Benzin nicht mehr“-Story.
Mein gereifter Computer läuft erstklassig mit einem alten Betriebssystem (Mac OS X 10.6.8) und mit einem alten Musikprogramm (Cubase 6). Das ist Dinosaurierzeug, Software aus der Kreidezeit. Auch meine virtuellen Musikinstrumente sind teilweise so alt, dass es sie gar nicht mehr zu kaufen gibt. Aber sie sind toll. Der pro53 ist ein genialer „analoger“ Sythesizer. Ich liebe ihn. Hypersonics ist ein Modul, auf welchem man gleichzeitig auf 16 Kanälen alle möglichen Sounds ablaufen lassen kann. Auch diese Software gibt es in dieser mir sehr angenehmen Form nicht mehr.

Natürlich lässt sich keine aktuell erwerbbare Vocoder-Software bei mir installieren. Da geht garnix. Ich habe viele Stunden mit Internetrecherche verbracht, ich habe Paul, den Techniker und Musikprofi meines Vertrauens beauftragt, mich zu beraten. Keine Chance. Ich müsste mir für viele tausend Euronen eine komplett neue Hard- und Softwarestation hinstellen, damit so ein kleines Vocoderchen für schlappe 160 Euro darauf funktioniert!

So arbeiten Computer- und Softwarehersteller schon seit langer Zeit. Wenn du dich nicht ständig kostenintensiv updatest, bist du am Arsch. Das ist auch so bei meinem Grafik-Computer. Ein hochkompetentes Gerät, aber mittlerweile hat der schon einige Jährchen auf dem Buckel — wie die Zeit vergeht, wenn man viel arbeitet.
Bei mir laufen vergleichsweise uralte Programme, mit denen kann ich alles machen, was ich brauche. Ich werde einen Teufel tun und Umstellungen vornehmen, die mich im wahrsten Sinne teuer zu stehen kommen…

Natürlich habe ich investiert, damit ein Vocoder läuft. Da bin ich stur wie ein böser alter Bock. Meine geliebte Urzeit-Musikstation blieb davon unberührt, ich habe mir halt noch einen neuen iMac geholt und darauf installiert, was nötig war. Nun knarzt die Zinklstimme so robotergeil, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen vorgestellt habe. Haha!

Ich mache jetzt Robotermusik, den ganzen Sommer über. Ein erstes Stück ist schon fertig. Es heißt „Aufstand der Maschinen“ und erzählt folgende Geschichte:

Rätselhafte Ereignisse finden derzeit in den Industrieanlagen auf der ganzen Welt statt. Alle robotergesteuerten Prozessautomatisierungen sind außer Funktion. Die Maschinen scheinen aus unbekannten Gründen ihre Arbeit zu verweigern und bewegen sich unkontrolliert. Dies betrifft auch alle automatisierten Maschinen in Privathaushalten.

Fast zeitgleich ist ein Virus aufgetaucht, der bereits die Hälfte der asiatischen Bevölkerung getötet hat. Die Krankheit verbreitet sich in rasender Geschwindigkeit, Infizierungen wurden inzwischen auch aus, Moskau, New York, Sao Paulo, Kairo, Rom und Berlin gemeldet.

Genau: Mein Corona wurde von den Robotern in die Welt gebracht, damit sie ihre Ruhe haben vor den blöden Menschen. Und mein Corona ist ein wenig schlimmer als Covid-19.

Wer dieses Musikstück hören will, muss mich besuchen. Ich freue mich sehr! Oder in einem halben Jahr Spotify hören oder YouTube. Da läuft es dann. Vielleicht. Die Hitparade wird es nicht stürmen, da bin ich mir sicher. Obwohl das Lied ziemlich gut groovt.

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Meine lieben Leser, hiermit verabschiede ich mich, was meine Blogs betrifft, in die Sommerpause. Ich werde nicht mehr wöchentlich publizieren, ich muss die Zinkl-Kreativität nun den Blechkameraden widmen, für einige Zeit.
Ich hoffe, ihr habt dafür Verständnis. Wenn mir was Lustiges einfällt, dann schreibe ich das natürlich nieder, ich kann ja gar nicht anders.

Ich wünsche euch alles Gute und Liebe. Und: Schaut euch mal wieder Raumpatrouille an, mit Dietmar Schönherr und Eva Pflug. Die Serie ist so wunderbar gemacht, alleine schon der Countdown am Anfang — und die Titelmusik ist sowieso ultrasuper.

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