Liebe Leser,
gar nicht so leicht, erquicklichen Sport zu betreiben, in diesen Zeiten, die man getrost und gerne beklagen darf. Um draußen zum Schwimmen zu gehen, müsste man radikaler Finne sein. Um drinnen zum Schwimmen zu gehen, müsste man nachts in das Body and Soul-Fitness-Studio einbrechen, mit dem hohen Risiko verurteilt und verhaftet zu werden. Das Joggen im Freien belastet Zinkls marode Kniescheiben — bleibt also nur noch das absolut erfreuliche e-Bike-Radeln. Wenn es draußen nicht schneit oder regnet, Sauwetter, Winter, geh’ endlich weg!
Aber es gab kürzlich einen sehr schönen sonnigen Januartag, es war jener Freitag, der 22. Ich sattelte mein elektrisches Pferdchen und rollte gemütlich in den fernen Osten, nach Markt Schwaben, um meine liebe Frau Mama zu konsultieren, die sich in diesen Zeiten nicht mehr so gerne in die S-Bahn setzen mag, um ihren Sohn in Muc zu besuchen. Also kommt der Sohn in seinen muffigen Heimatort, immer mal wieder gerne.
Es gibt direkte und indirekte Wege mit dem Radl nach M.S. Ich bevorzuge die Tour über die Leopoldstraße, links hinüber in die Prinzregentenstraße, bis vor zum Burger King in Zamdorf, vorbei am Tierheim, vor Riem die Brücke über der Autobahn, vorbei an den mittlerweile ausgestorbenen Riem Arcaden, bis nach Feldkirchen, Heimstetten, Grub, Poing, Markt Schwaben. Eine beschauliche Fahrerei, um so nebenbei dem allerersten superfunky Album der Ohio Players zu lauschen. Diesmal war die beliebte Schotterstraße beim Poinger Wildpark allerdings durch Restbeschichtungen von Schnee und Eis so glatt, dass es mich beinahe geschmissen hätte. Nur beinahe wohlgemerkt.
Nach einer wunderbaren Kartoffelpufferei und launigem Zusammensein mit Mama Marianne schrie mein Rad: „Auf geht’s, du fauler Hund, wir müssen wieder los und heim!“ Ich leistete dem Folge und war kurz darauf erneut unterwegs, diesmal in westlicher Richtung. Zwecks der landschaftlichen Abwechslung nahm ich nun den Umweg über Finsing und den Ismaninger Speichersee. Vorbei an der legendären Finsinger Alm, die seit geraumer Zeit nur noch Brotzeit to go anbieten darf, ein Elend ist das. Egal, Finsinger Alm, im Sommer dann wieder im Biergarten zünftig ein Schnitzel verspeisen…
Normalerweise nehme ich bei dieser Strecke (nach der schnurgeraden Straße am BMW-Testgelände vorbei) ja den schmalen idyllischen „Hochweg“, der gleich neben dem Mittleren Isarkanal verläuft — im Sommer eine traumhafte Sache. Aber da ich befürchten musste, dass ich dort ebenfalls wegen Eisesglätte hinwegschlittern und in den winterlichen Kanal plumpsen könnte, ließ ich das diesmal bleiben. Sondern nahm stattdessen einen noch größeren Umweg in Kauf, Richtung Ismaning. Wie geil ist das denn, in Ismaning war ich noch nie mit dem Rad gewesen.
In Ismaning kannte ich mich nicht aus, aber das ist ja das Schöne: Man entdeckt Neues! Ich erblickte eine sehr einladende Straße mit Allee, die sollte mich, von Norden kommend, zurück in die Münchner Zone beamen. Diese Straße hätte ich also unheimlich gerne genommen, aber ein breitarschiger Laster mit Kran versperrte mir voll den Weg, um die laublosen Bäume zu stutzen. Der Lastermann ermahnte mich aufs Strengste, mich bloß nicht eng daran vorbeizudrücken. Was also tun, sprach Zeus?
Gleich neben der Allee lag der schwarze Kartoffelacker eines nicht anwesenden Bauern — auf seinem erdigen Grund verteilte sich das großzügig abgeschnittene Astwerk. Der findige Zinkl kam auf die ausgezeichnete Idee, sein Radl durch und über das hartgefrorene Erdreich zu schieben, vorbei an dem spitzigen Astgeflechtsgewirr, um nach 50 Metern wieder glücklich auf die gewünschte Straße zu wechseln. Beherzt trat ich hinein in den fruchtbaren Humus. Mein Radl stöhnte, aber es rollte. Noch.
Nun gut, apropos hartgefroren. Die fröhliche Januarssonne hatte den Acker ordentlich aufgeweicht, und der schlaue Zinkl erkannte ziemlich schnell aber doch etwas spät, dass er total im Batz watete. Die drehenden Räder holten sich gleich einem Schaufelrad in einer Mühle den braunen klebrigen Humus brockenweise herauf und kleisterten damit alle Zonen zu, die mein schönes E-Bike zu bieten hatte. Als ich dem gewahr wurde, verdüsterten sich meine Sinne. Dramatisch fluchend kehrte ich um, um das nun gefühlt doppelt so schwere Gefährt wieder auf den nahen Asphalt zu wuchten.
Mit ein paar Tempotaschentüchern und Schüttungen meines Lidl-Mineralwassers beseitigte ich am Straßenrand zumindest die Fahrradkette vom meisten klebrigen Dreck. Wie heißt dieser blöde Spruch: Hätte, hätte, Fahrradkette. Genau! Wie blöd kann man sein? Blöder als blöd. Blödest. Meine neuen Ugg-Winterstiefel und die Hose, die Hände natürlich sowieso, alles war verdreckt. Wenigstens stank es nicht, es war ja keine Hundescheiße, sondern nur guter ehrlicher Humus, der mein Rad zementiert hatte.
Verrückterweise konnte ich damit noch radeln. Nicht auszudenken, was alternativ zu tun gewesen wäre, im worst case. Lost in Ismaning, winterlicher Spätnachmittag, es wurde schon dunkel. Weit und breit kein Wasserschlauch. Mit dem verschlammten Gerät in die S-Bahn steigen? Und dort eine Riesensauerei anrichten? Wie auch immer, in meiner wuchtigen Blödheit hatte ich noch das Glück, dass ich heimrollen konnte, ab und zu auf der Münchner Straße den einen oder anderen Erdklumpen verlierend, ja mei.
Als ich daheim ankam, irgendwie schon auch glücklich und mir durchaus bewusst, dass ich ein Abenteuer allererster Güte erlebt hatte, hob ich das Bike in die Dusche und brauste es eine Stunde lang ab. Die Duschwanne sah aus wie ein Klärbecken, mit kleinen Ästen, Steinchen und vermatschtem Blattwerk durchwirkt. Dass der Abfluss nicht total verstopfte, ist eines dieser erstaunlichen Wunder, die einen dann doch an den großen Manitou glauben lassen.
Ich putzte das gesamte Bad, meine halbe Wohnung und mich selbst, bis nichts mehr daran erinnerte, was Arges vorgefallen war. Mein Rad hat danach jedenfalls selten so gestrahlt, wie an diesem Freitagabend, das darf ich euch verraten, meine lieben Freunde der ungestümen Sportlichkeit im oberbayerischen Hinterland.
Mein lieber Toni,
All diese Abenteuer direkt neben meiner Haustür, UND NICHT BEI MIR REINSCHAUN!
Ganz schön sträflich….
Ich weiß genau welchen Laster Du meinst und welche Bäume er gestutzt hat, und welcher Acker zu tief für Dich war. Ich kenne sie alle persönlich !
Cor
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Liebe Cordula, mit so einem versauten Radl besuche ich dich doch nicht! Ich komme aber bald mit einem ganz sauberen, wenn der Matsch weg ist, im Februar. Da freue ich mich schon drauf!
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Oh mei, da Toni! Wäre da nicht irgendwo eine Tankstelle gewesen? In Ismaning gibts meines Wissens derer drei und sicher auch einen Hochdruckstrahler der für 50cent ordentliche Arbeit leistet!! Na ja, viellweicht beim nächsten „offroad radeln“!
Gruaß Bäda
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Ein wahres „Glanzstück“ ist dieser, Dein, neuester Blogbeitrag.
Bei keinem habe ich bislang so gelacht – vom genialen Fotomotiv bis zum letzten wohlgewählten Wort 🙂
Gratulation zum Blog sowie dem heldenhaft bis zur allerletzten Konsequenz durchgezogenen Abenteuer, lieber Toni!
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Der Acker und der Batz, wer kennt sie nicht? Dieser wunderschöne Zinkl Blog hat lang verschüttete Erinnerungen an ein ganz ähnliches Radlerlebnis ans Tageslicht des Hansihirns gebracht. Ich war acht und wollte unter ganz ähnlichen Wetterbedingungen frühmorgens um halb acht in die Grundschule von Vohburg radeln. Da ich spät dran war, nahm ich die vermeintliche Abkürzung über den Kartoffelacker. Der Ortsteil, in dem wir wohnten, hieß auch noch ‚Hartacker“, eigentlich gab es nichts als Äcker rundherum und ein paar Saatkrähen. Leider war genau dieser Acker nicht „hart“, sondern blieb an den Reifen meines hochmodernen Bonanzaradels kleben wie Pattex, bis ich schließlich -mittendrin – absteigen und das Rad weiterschieben musste. Den Rest kann man sich vorstellen: viel zu spät im Unterricht, der ganze Hansi ein Batzi, Schadenfreude bei den lieben Mitschülern und Kopfschütteln bei dem Fräulein Geißler (so nannte man damals noch Grundschullehrerinnen). Was mir zuhause blühte, habe ich verdrängt, wahrscheinlich gab’s eine Mordstrum Watschn. Jedenfalls mache ich seit 50 Jahren einen großen Bogen um Kartoffeläcker. Der Toni musste 60 werden, um diese herrliche, lehmige, klebrige Erfahrung zu machen, aber besser spät als nie.
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