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Liebe Leser,

eine sehr gefährliche Gehirnoperation ist bei mir vonnöten. Der junge attraktive und kompetente Chirurg gibt aber zu bedenken, dass die Operation so gut wie unmöglich ist, weil sie über den schwierigen Umweg hinten am Nacken verlaufen muss. Dazu muss der Arzt ein dick mit schwarzem Gaffer-Tape isoliertes Kabel umgehen, welches aus meinem seitlichen Kopfbereich in den Raum hineinragt und die Operation kompliziert macht. Er sagt, er müsse dafür eine Überbrückungsleitung herstellen, damit er mit dem Bohrer an der richtigen Stelle ansetzen kann.

Ich rede dem Arzt ins Gewissen: „Haben Sie wirklich die Nerven für diese komplizierte Operation?“ Er bestätigt mir dies mit festem Glauben: „Keine Angst, die Nerven dafür habe ich, ich muss es aber mit einem extrastarken Betonbohrer machen, sonst komme ich nicht durch die Gehirnschale.“ Ich sage, er solle loslegen, es hilft ja nichts. Es spritzt heftig Wasser aus dem Bohrer, wie beim Zahnarzt bei einer Zahnsteinbeseitigung. Der feine Wassernebel macht mein ganzes Gesicht nass. Ich spüre keine Schmerzen, als er in den Knochen eindringt. Es dröht und vibriert an dem fünf Meter hohen Aluminiumregalgestänge, an welchem ich festgezurrt bin.

Der Chirurg hört auf zu bohren, geht kurz weg. Schwere Erschütterungen machen das Regalgestänge wanken, keine Ahnung, woher die nun kommen, aber ich denke, es wird mich wohl halten. Doch der ältere OP-Assistent, von dem ich keine gute Meinung habe und welcher direkt neben mir hängt, steigt hinunter, um ein nebenstehendes anderes Aluminiumregal zu stabilisieren. Ich schreie ihm von oben herab zu, er solle das gefälligst lassen, weil es meine Stabilität und Sicherheit gefährdet.

Dann bingt mein Handy, eine SMS ist hereingekommen, Alexandra wünscht mir einen guten Morgen, obwohl es erst halb ein Uhr nachts ist. Sie hat ein rotes Herzchen drangehängt. Ich wache benommen auf und checke die Lage. Alles halb so wild, ich liege auf meinem schwarzen Sofa. Eine SMS ist zwar da von ihr, aber mit einem anderen Text „Bonne nuit mon amour“. Mit zwei roten Herzchen. Soo lieb.

Ich schlafe abends manchmal auf meinem schwarzen Sofa ein, diesmal, als ich nach dem Lesen eines e-Books (eine hochinteressante Biografie über den Led Zeppelin-Sänger Robert Plant) einen kurzen Müdigkeitsanfall hatte. Dann wache ich nach Mitternacht auf und bin so sehr im Aktivmodus, dass an weiteren Schlaf vor dem Morgengrauen nicht mehr zu denken ist. So auch diesmal.

Ich fange dann normalerweise an, den Kühlschrank zu öffnen, um ein Gelbwurstbrot mit Coca Cola zu mir zu nehmen. Heute nicht, weil ich abnehmen möchte. In dieser verdammten Lockdownzeit kann man ja keinen Sport mehr betreiben, welcher Spaß macht. Beim ALDI habe ich letzte Woche ein Fitnessgerät (ein Plastikbrett mit zwei nach oben ragenden Griffen) gekauft, damit macht man Liegestützen, indem man sich an den Griffen hochdrückt. Aktuell schaffe ich davon 12 Stück, wenn ich ganz langsam mache, schaffe ich nur 7 Stück. Laut Google werden bei Liegestützen 62 Prozent des Eigengewichts gehoben, das sind bei mir dann ungefähr 47,12 Kilogramm.

Man hat nun den Lockdown bis auf den 12. März verlängert. Ebenso auch die Ausgangsbeschränkung bis 21 Uhr beibehalten. Das ist eine große Idiotie, weil ich nachts gerne noch mit dem e-Bike eine Runde drehe oder auch im nächtlichen Februarschnee spazierengehen will – wie soll ich mich da bitte anstecken? Diese unsinningen Pauschalmaßnahmen kotzen mich an. Aber in den Discountern drängeln sich die Leute an den Regalen, das darf sein, der Mensch muss ja essen! Da hätte man im Fitnessstudio mit dem Hallenbad wesentlich weniger Nahkontakt mit Leuten, aber das bleibt selbstverständlich geschlossen, ebenso wie die vielen kleinen Läden, auch wenn man nur jeweils eine Person hineinlassen würde. Auf einmal gilt 35 als Inzidenzwert. Warum nicht 37 oder 28? Oder lieber gleich 15? Sicher ist sicher, sagen die Beamten. Kein Wunder, wenn man da von hochgefährlichen Gehirnoperationen träumt.

Was macht man um halb drei Uhr nachts? Eine spotify-Playlist erstellen? Chronologisch alle Alben der Rolling Stones anlegen, aber nicht die Live-Alben, das wird sonst zu viel, das kann man sich ja nie alles durchhören. Auch die vielen Best of Rolling Stones-Alben lasse ich weg. Eigentlich bin ich kein Stones-Fan. Ich könnte auch neue Musik komponieren, die „Tanzmusik für Roboter“ hat mich dem Reiz der kreativen Ton- und Klangreihungen wieder näher gebracht. Aber ich tue mich schwer, mich einem total weißen Blatt hinzugeben, der innere Schweinehund, ihr wisst ja. Vielleicht doch lieber ein Gelbwurstbrot, aber kein Cola dazu, sondern ein Glas Jim Beam. Nein, halt, ich will doch abnehmen! No Alk!

Es ist gar nicht so leicht, einen intensiven Traum nachträglich so in Worte zu fassen, dass er genau der Atmosphäre des Traumes entspricht. Was im Traum völlig logisch ist, wird beim Aufschreiben zur Surrealität. Und beim Aufschreiben verändert man leider sofort das, was man tatsächlich geträumt hat, das ist eigentlich nicht korrekt, aber es geht ja nicht anders, Traumerinnerungen sind trügerisch. Ich bin aber froh, dass mir das Operationserlebnis noch so gut im Kopf geblieben ist. So einen schönen Traum hat man ja selten.

Vor ein paar Tagen hatte ich noch einen anderen guten Traum. Ich habe einen supertollen Bungalow irgendwo in einem südlichen Land, Spanien oder so, bezogen. In einem Seitentrakt gab es einen sehr großen Swimmingpool, ganz für mich alleine. Als ich meinen Schwimmsport absolvieren wollte, waren in den umliegenden Räumen ganz viele ältere Menschen, die hier unerlaubt eingedrungen waren, um darin zu wohnen. Es gab auch einen Essraum, einfache Speisen für die hilfsbedürftigen, normalerweise obdachlosen Alten waren bereitgestellt von einer eifrigen dicken Frau, die sich um alles kümmerte und mich vorwurfsvoll anblickte. Im Pool, der tatsächlich nur sehr sehr klein war, fläzten ein paar junge Typen herum, an Schwimmen war da nicht mehr zu denken. Als Besitzer des Bungalows konnte ich es trotzdem nicht übers Herz bringen, die Leute rauszuwerfen, man ist ja kein Unmensch.

Vor vielen Jahren gab es einmal eine Unterhaltungsshow im Fernsehen, die hieß: DAS IST IHR LEBEN. Da wurde immer ein Prominenter eingeladen, und diesem wurden zu seiner großen und freudigen Überraschung liebe Menschen vorgestellt, die er schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Das gab ganz viele sentimentale Gefühle für den Prominenten. Ich weiß noch, dass einmal Dietmar Schönherr eingeladen war. Ich liebe Dietmar Schönherr als Commander Cliff Allister McLane.

Nun ist es bereits halb fünf am Morgen und ich werde mich langsam wieder hinlegen, um bis zum Mittagsfrühstück zu schlafen. Es ist ja nix los an diesem Freitag, da kann ich mir das schon erlauben. Freunde und Geschäftspartner wissen inzwischen, dass ich vormittags sowieso nicht denken kann. Das ist ihr Leben, Anton Zinkl. Genau.

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