Liebe Leserinnen und Leser,
das Autokino Aschheim wurde 1967 gegründet. Dort liefen so bedeutende Filme wie das erotische Meisterwerk Josephine Mutzenbacher, aber auch Winnetou und das Halbblut Apanatschi, eine der schwächeren Karl May-Verfilmungen, mit der taufrischen Uschi Glas als Halbblut Apanatschi.
Mein Vater interessierte sich sehr für dieses sagenhafte Autokino, heute würde man sagen: „Das ist der neue heiße Scheiß“. Damals sagte man so etwas noch nicht. Da ich und meine Schwester Cornelia ebenfalls mit dabei sein durften und Mutzenbacher nichts war für Kinder, entschied sich Papa Zinkl für Winnetou — damit war Zinkl junior hochzufrieden, denn er sympathisierte außerordentlich mit Lex Barker und Pierre Brice.
Ich weiß von dieser Unternehmung (ich war sieben oder acht) noch dreierlei:
1) Der Ketchup auf den Pommes roch und schmeckte eklig, was dazu führte, dass ich die nächsten 15 Jahre diese tomatige Flüssigkeit meiden würde wie der Teufel das Weihwasser.
2) Der lächerliche Mono-Lautsprecher, den sich mein Vater in den Ford Taunus holte, knisterte und krächzte derart, dass man kaum etwas von den Dialogen verstehen konnte.
3) Der Film musste nach einer halben Stunde abgebrochen werden, weil Nebel aufgekommen war, so dass man Old Shatterhand nur noch wie durch einen dichten grauen Schleier wahrnehmen konnte. Kleiner Tipp am Rande: Das Autokino Aschheim nicht unbedingt im November konsultieren.
Diese Kindheitserfahrung war so prägend, dass ich jenen Freiluftsaal und auch alle anderen Autokinos zeit meines langen und kinoreichen Lebens nie mehr besuchen würde. Bis auf gestern abend.
Alexandra wollte gerne den neuen Film mit Sigi Zimmerschied in der Hauptrolle sehen, und weil Weißbier im Blut nirgendwo in München lief, jedoch allerdings im AUTOKINO ASCHHEIM, war dies DIE Gelegenheit zu prüfen, wie intensiv der Zahn der Zeit an dieser legendären Institution genagt hatte.
Man schrieb den 30. Juni 2021, mit Nebel war also kaum zu rechnen. Evtl. mit Nieselregen, aber dieses Risiko waren wir bereit einzugehen. Der Film sollte um 22 Uhr beginnen, und weil der Zinkl bei Unternehmungen grundsätzlich, wegen diverser Erwägungen, immer gern sehr zeitig dran ist, verließen wir schon um 21 Uhr die Tiefgarage am Josephsplatz, um den Benz in Richtung Osten zu navigieren.
Tatsächlich hätten wir uns ohne Navi rettungslos verfahren, denn das besondere Areal liegt gut versteckt irgendwo in der Aschheimer Pampa und nachts sind ja auch alle Katzen grau. Ich hatte schon in München online bezahlt und den QR-Code auf dem iPhone parat — der freundliche Herr an der Einfahrt konnte ihn problemlos scannen. Hach, war das alles aufregend! Ich und mein Mädel im Autokino Aschheim!
Gut, dass wir so früh dran waren! So durften wir direkt vor der Leinwand in der ersten Reihe parken, mit optimaler Sicht auf das filmische Geschehen. Alexandra spendierte uns ein ordentliches Tüterl mit süßem Popcorn, ihr selbst noch ein Magnum und mir ein Eiskonfekt. So muss Kino! Und das Allerbeste: Wir durften uns den Film ohne FFP2 anschauen — das nenne ich wahren Luxus in diesen Coviddelta-Zeiten.
In den letzten 54 Jahren hat sich die Autokino-Audiotechnik ein wenig verbessert. Kein krächzender Billiglautsprecher mehr, sondern die 99,8 MHz-Frequenzangabe für das Autoradio. Diesmal gab es fetten Kinosound also aus der sorgfältig equalizierten Vier-Lautsprecher-Stereoanlage vom Zinklbenz. Nicht dass wir uns einen Actionfilm geben wollten, das war von dem beschaulichen Niederbayern-Krimi kaum zu erwarten. Und Sigi Zimmerschied ist ja auch kein Jackie Chan, Gott sei Dank also keine Hektik und keine Stakkato-Bildschnitttechnik. Aber ein guter Klang ist doch immer was Schönes.
Rechtzeitig zu Beginn des Films fing es an zu nieseln. Die Windschutzscheibe wurde Tröpfchen für Tröpfchen gleichmäßig benetzt, aber weil in Weißbier im Blut ein durchgehend trübes graubraunes Ambiente gezeigt wird und niederbayerische Einöde ohne Sonnenschein, hat das stimmungsmäßig gut dazugepasst. Irgendwie 3D-effektisch.
Herr Zimmerschied spielt einen heruntergekommenen, gleichgültigen Kommissar, der sich jeden Abend in einer trostlosen Wirtschaft, in welcher er der einzige Gast ist, mit viel Weißbier und Schnaps volllaufen lässt. Das macht er hervorragend.
Ein paar Tage vorher hatte ich ihn im BR-Stammtisch im Sonntagvormittagsfernsehen reden hören: Das sei die Rolle seines Lebens, der Kreuzeder sei ein Typ, der Illusionslosigkeit, Anarchie, aber auch Humanismus in sich vereine. In diesem Sinne löst er ganz entspannt den Mordfall. Wie bei den morbiden Austriakrimis mit Josef Hader gibt es keinen fröhlichen Klamauk, dafür viel feinen trockenen Humor, ein paar Stamperl Skurrilität und einen Seitenhieb auf die katholische Kirche (für einen Zimmerschied obligatorisch). Mehr verrate ich hier nicht, deshalb: kein Spoileralarm.
Mir hat das Lichtspiel jedenfalls gefallen, das Drehbuch hat gewisse Schwächen (Zimmerschied als Womanizer), das ausgiebige Zelebrieren von Bier- und Schnapsgesaufe störte mich, aber gut, das erforderte halt die Rolle — und es war für mich außerdem eine Premiere und Freude, während eines Kinobesuchs die Scheibenwischeranlage meines Mercedes immer mal wieder aktivieren zu dürfen. Alexandra hätte sich mehr eine Gaudi wie beim Eberhofer vorgestellt, aber das Kaiserschmarrndrama ist ja nicht mehr in allzuweiter Ferne. Ob wir es ebenfalls wieder an dieser ganz besonderen Örtlichkeit anschauen werden, ist noch nicht ausgemacht — ich bin nicht abgeneigt.
PS.: Es könnte auch sein, dass ich 1968 Winntou und Old Shatterhand im Tal der Toten gesehen habe, im Autokino Aschheim, und nicht Uschi Apanatschi. Meine Erinnerung ist da trügerisch, aber eines ist sicher: der Nebel verkürzte den Film drastisch, das habe ich nicht vergessen…
Lieber Toni,
Dein neuer erfrischender Blog-Beitrag kam grad zur rechten Zeit – am Ende eines verregneten 🌧️ Arbeitstages 👩💻.
Du bist ja nicht abgeneigt, das Kaiserschmarrndrama in Aschheim zu schauen. Wenn sich noch die eine oder der andere Zinkl-Blog- und FE/FEK-Begeistere im August in Aschheim mit uns in die erste Reihe stellen würde, könnten wir lustig untereinander Popcorn und Eiskonfekt austauschen 😃
… Aber: die Autos müssen ja leider eine Wagenbreite Abstand halten … Vielleicht trifft man sich doch besser vorher im Biergarten?
Schau ma moi, dann segn mas scho!
Alexandra
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Mein 18jähriger Sohn Felix geht bzw. fährt seit Corona regelmäßig mit seinen Freunden ins Autokino FFB. Davor dachte ich, so etwas gibt’s seit mindestens 30 Jahren nicht mehr, aber in Pandemiezeiten gehen die Uhren rückwärts. Da ich selbst noch nie im Autokino war, könnt ihr bei eurem nächsten Versuch auf mich zählen. Vintage-Eiskonfekt im Vintage-Autokino. Wie geil ist das denn?
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Ach ja, das Autokino Aschheim…!! Da war unser Papa auch mit seiner Dreyer-Meute (3) und wir sahen Dschungelbuch von Walt Disney, war damals ganz neu. Wir waren zu fünft, Mama war natürlich auch mit dabei, in einem VW 1500 Variant! Den kennt heute sicher keiner mehr. An den krächzenden Lautsprecher, den man sich ans Seitenfenster bzw. die Tür hängte, kann ich mich auch noch gut erinnern. Ich weiß auch noch, dass es in der Imbissbude „Hot Dogs“ gab, war der erste meines Lebens. Es war überhaupt, wie ich mich erinnere, alles etwas amerikanisch angehaucht! Viele Jahre später, als ich selbst schon ein Auto besaß, war ich noch zwei, drei mal dort, aber diese Filme habe ich komischerweise nicht mehr im Gedächtnis, aber ich denke ein James Bond war dabei!
Ansonsten war ich einige Male Samstagvormittag dort, da war immer Gebraucht-Automarkt! Sehr interessant, so viele Schlawiner auf einem Platz…!
Tja, Eberhofer im Autokino klingt verlockend und wäre mal was anderes, werd’s mir überlegen!
Gruaß Bäda
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