Liebe Leser*innen,
seit einiger Zeit hört man immer wieder in der endlosen Diskussion ums Impfen, man müsse die Ängste und Zweifel der Menschen ernst nehmen. Damit sind Leute gemeint, die Bedenken haben, dass sie vom Impfen irgendwann krank werden könnten. Wenn dieser Spruch kommt, nicken erst mal alle verständnisvoll: Natürlich. Selbstverständlich! Man muss die Menschen ernst nehmen!
Muss man auch einen Menschen ernst nehmen, der Bedenken hat, eine Kürbiscremesuppe im Restaurant zu verspeisen? Weil es ja sein könnte, dass ein mies gelaunter mit Corona infizierter Koch in der Küche in den Topf gespuckt hat. Muss man einen Menschen ernst nehmen, der befürchtet, in der Landsberger Straße von einem eingenickten Omnisbusfahrer platt gefahren zu werden? Muss man einen Menschen ernst nehmen, der Angst davor hat, in den Swimming Pool eines Fitness-Studios zu steigen? Weil es ja sein könnte, dass ein anderer Schwimmer seine Blase dort entlehrt und ihn mit irgendetwas Schädlichem infiziert.
Ich glaube, die meisten wären in diesen drei Fällen der Ansicht, die Betreffenden seien hysterisch und nicht ganz richtig im Oberstübchen dazu. Dabei sind das doch ganz normale, selbstverständliche Ängste und nicht mal unbegründet. Die oben aufgeführten Vorfälle könnten einem ja widerfahren. Man dürfte vor lauter Panik seine Wohnung nicht mehr verlassen. Und selbst in der eigenen Wohnung könnte man von einer Ratte gebissen werden, die zufällig durch das Klosett hochgespült worden ist.
Die Deutschen dürfen von riesigem Glück reden, dass der Coronavirus nicht schon 1960 anfing zu wüten, als die medizinische Wissenschaft noch nicht so weit fortgeschritten war, um dem etwas entgegenzusetzen. Wir können froh sein, dass der Virus so lange gewartet hat bzw. ein gewisses asiatisches Labor vor 2021 noch nicht in der Lage war, eine solch raffinierte Lebensform in die Freiheit zu entlassen.
Die Wissenschaftler haben wunderbarerweise in erstaunlich kurzer Zeit Impfstoffe entwickeln können, die dem Virus zwar nicht völlig den Garaus machen, die aber immerhin in den allermeisten Fällen einen guten Schutz bieten — auf den jeder vernünftige Zeitgenosse nicht verzichten sollte. Aber wie reagiert so mancher Deutsche darauf: mit ANGST. Angst davor, dass ihm durch die Impfung in einigen Jahren der Metabolismus so durcheinander gebracht wird, dass es ihm schlecht gehen könnte. Könnte ja sein. Sowas hat ein Impfstoff noch nie getan, aber dieser nicht jahrzehntelang getestete Sud, der könnte das ja vielleicht tun.
Ein junger Mensch wie Herr Kimmich hatte nie Bedenken davor, dass ihm ein aggressiver Gegenspieler das Hirn aus dem Kopf schießt oder ihn mit einem gut gezielten Tritt kastriert. Dieses Risiko war und ist anscheinend vertretbar. Aber vor einer kleinen Injektion, die seinem Körper helfen würde, den Virus weitgehendst schadlos zu überstehen: Davor hatte er Angst.
Ich bin auch ängstlich. Wenn ich einen Termin habe, sei es privat oder geschäftlich, dann bin ich fast immer eine halbe Stunde zu früh vor Ort. Weil es ja sein könnte, dass mich auf dem Weg dorthin irgendetwas Unvorhergesehenes aufhält. Als ich früher noch ab und zu geflogen bin, in den Urlaub, war ich immer nicht nur zu früh, sondern viiiiiiiiel zu früh am Flughafen. Aus Angst, vor dem Abflug auf dem falschen Terminal zu warten. Durch diese meine fast pathologische Übervorsicht hatte ich nie einen Nachteil, ich war nämlich in geistiger Konfusion tatsächlich schon auf einem falschen Terminal.
Aber vor dem inzwischen dreimaligen Impfen hatte ich keinerlei Bedenken oder Furcht. Ich wog das Risiko ganz einfach ab. Und entschied mich für die wahrscheinlichere Variante: dass ich gesünder bleibe MIT anstatt ohne den lächerlichen Pieks. Jawohl, da hat der Atheist Zinkl sogar Gottvertrauen. Nicht unbedingt in Gott, aber in die menschliche Wissenschaft. Er glaubt nicht, dass die Erde eine Scheibe ist. Er glaubt nicht an eine monströse Verschwörung gegen die Menschheit durch S.P.E.C.T.R.E. Er findet, dass die Wissenschaftler und auch die Politiker mit dieser Pandemie angesichts der fürchterlichen Ausnahmesituation nicht bestmöglich aber doch einigermaßen sinnvoll umgehen. Mehr ist halt nicht drin. Wir können doch saufroh sein, dass es die Möglichkeit des Impfens gibt. Und dass wir luxusverzärtelte Kreaturen nicht in ein armes Dorf in Afrika hineingeboren wurden, wo man kein Mittel gegen die Krankheit hat.
Deshalb finde ich, muss man die Ängste der Impfgegner NICHT ernst nehmen. Man muss ihnen sagen: Hört auf zu spinnen, hört auf mit blödsinnigen, höchst unwahrscheinlichen Theorien, hört auf mit eurer irrationalen Ängstlichkeit und verbissenen Sturheit. Niemand verlangt von euch, dass ihr auf einem speienden Vulkan tanzt oder euch wie die Lemminge in den Abgrund stürzt. Man verlangt von euch lediglich, dass ihr euch solidarisch erklärt mit der Absicht und den Maßnahmen, den Virus zu schwächen, um damit das Krankenhauspersonal zu entlasten. Das Krankwerden gehört zum Menschsein dazu, aber man kann es manchmal verhindern.
Ich werde mich alle sechs Monate gegen neue Coronamutationen impfen lassen, immer wieder, so lange es nötig ist. Und es wird vielleicht nötig sein. Ich werde aber auch weiterhin zu jedem Termin beim Zahnarzt oder vor der Zugabfahrt am Hauptbahnhof viel zu früh erscheinen. Diesen Wahnsinn leiste ich mir. Den Wahnsinn des Nichtgeimpftseins leiste ich mir keinesfalls.
Bravo! Hier endet mein Kommentar.
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Recht soooo – dem ist NICHTS hinzuzufügen…
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Besser hab ich’s noch nirgends gelesen. Respekt. Zinkl ist der neue Lauterbach.
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meinen Vorkommentatoren kann ich nichts hinzufügen
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122 / Ich lese schon mit 😉 – muß auch nicht alles kommentieren.
Aber zu dem Beitrag und Thema: mitreißend!
Chapeau Toni, hast gut g’sagt ❣️
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