208_Wassergymnastik

Liebe Leserinnen und Leser,

heute war „No Mask Day“. Davon kann man halten, was man will, mittlerweile hat sich sogar der hysterische Zinkl an die Maskentragerei gewöhnt. Was soll das? Plötzlich schaut man wieder in die grantigen Faces der Leute, die bei Lidl nach frischgebackenen Brezen angeln. Schön ist anders.

Jedoch in meinem angemieteten Fitness-Studio „Body and Soul“, an der Rezeption: Dort kann man nun die aparte indisch wirkende Dame (strahlend weißer Turban!) in ganzer Pracht bewundern. Sie lächelte freundlich und ich sah ihr an, wie erleichtert sie war, endlich die nervige Atembehinderung los zu sein. Da nahm ich mein Maskerl ebenfalls ab und hängte es an den nächsten freien Crosstrainer.

Ich weiß schon, die Maske schützt. Aber in dieses Etablissement dürfen ja sowieso nur GGG-Leute hinein und ich gönnte mir die kleine Freiheit, die Räumlichkeiten mit offengelegtem Gesicht zu durchschreiten. Ja, man wird übermütig. Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe!

Ich habe vor einiger Zeit beschlossen, mich nicht mehr an die Maschinen ketten zu lassen, um dort Schweißtreibendes zu verrichten. Nach der letzten Muskelzerrung lasse ich es damit gut sein. Ich halte mich an die allgemein akzeptierte Ansicht, dass Schwimmen und Radfahren die gesündesten Formen der flotten Bewegung sind. Man stärkt dabei ausreichend seine Tentakelmuskeln, bleibt frisch und setzt kein überflüssiges Fett an. Mehr will ich gar nicht. Es wäre zwar schön, einen Hollywoodkörper zu haben, aber ich habe ja bereits einen Oscar (den hat mir meine liebe Schwester Evi verliehen, für meine Verdienste als alter Bauer in dem glorreichen Theaterstück „Das Bauern-Epos“). Also schlurfte ich frank und frei direkt ins höhere Stockwerk zur Abteilung Schimmbad.

Schon durch die Glastüre vernahm ich den stampfenden Rhythmus der Animationsmucke, welche meist schwere Wasserverdrängungsteilnehmer dazu bringen soll, die schwabbeligen Gliedmaßen zu rühren. Es scheint ein ehernes Gesetz zu sein, dass man für diese Tätigkeit die scheußlichste Musik braucht, die auf dem Planeten zu finden ist. Dazu eine laut brüllende Schlanke, die hektisch Trockenübungen vorzeigt. Laut brüllen muss sie, weil sie sonst den Lärm nicht durchdringt, der aus den Lautsprecherboxen quillt. Oh, wie ich das nicht mag!

Zum Glück war die Gymnastiksession gerade zu Ende, die Musik wurde abgeschaltet und die bewegten Damen trudelten langsam zum Beckenrand. Der Pool war frei für den Zinkl und seine meditativen Brustschwimmereien. Ich war gerade bei meiner vierten Bahn, da bemerkte ich aus dem Augenwinkel meiner beschlagenen Schwimmbrille, dass Vorkehrungen getroffen wurden, um eine erneute Wassergymnastik einzuleiten. Das gibt’s doch nicht, Mensch!

Eine andere noch Schlankere steckte ihren Player ins Lautsprecherterminal und der Krach begann erneut. Ganz widerliche „Mickymaus“-Technomusik diesmal, Ohrenkrebsmaterial. Drei Frauen erhöhten mit ihrem Eindringen den Wasserspiegel und verteilten sich gleichmäßig übers Becken. Eine platzierte sich sehr nah an der Abtrennung zur sogenannten Sportschwimmbahn — die schmale Zone für Nichtgymnastiker*innen. Ich bin da nicht so gern, weil dort die Kampfschwimmer durchpflügen. Ich konnte gerade noch an der Dame vorbeigleiten und habe sie nicht berührt, aber sie schien empört. Ich sagte zu ihr frech, es sei doch genug Platz für alle. Sie hätte tatsächlich nur einen Schritt nach vorne zu machen brauchen, vor ihr waren drei Meter frei.

Ich war schon an ihr vorbei, da fing sie an mich von hinten anzuspritzen und die Regisseurin, die den Vorfall beobachtet hatte, schrie zu mir rüber, ich solle in das Sportbecken gehen. Ich winkte ab und tat genau das. Ein dortiger Schwimmer meinte noch, das sei lächerlich, die Antreiberin schrie erneut gellend, bei Wassergymnastik hätten Schwimmer das Becken zu räumen. Ich geriet in Rage und schrie ebenfalls, drei Personen für fast den ganzen Pool! Muss man da einen solchen Zirkus veranstalten?

Ich weiß schon: der Übermut und das Ego! Ich hätte besser meinen Mund gehalten. Der Vorfall war zwar vorbei, aber während meiner restlichen 36 Bahnen in der Sportbahn grollte es in mir, anstatt dass mich friedvolle meditative Schwingungen umflort hätten. Innerlich beschimpfte ich die Wassertreterfrauen und ihren Affenlärm, den sie dafür nötig hatten.

Schließlich verschwanden auch diese nach 20 Minuten und es wurde so wie ich diesen Bereich schätze: still und friedlich. Nach geraumer Zeit wurde es in mir ebenfalls: still und friedlich.

So ist das mit dem Ego, meine lieben Leserinnen und Leser. Es bläht sich auf, wenn es angegangen wird. Es geht auf Konfrontation, anstatt lässig drüber zu stehen. Was kann ich dafür, dass ich cholerische Gene in mir trage? Ich arbeite ja schon dran, verdammt noch einmal.

Aber nun ist alles gut. Beim nächsten Mal, wenn ich Anzeichen erkenne, dass wieder Wassergymnastik stattfindet, verziehe ich mich besser gleich in die Sauna. Dort tut mir keiner was.

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