229_dark

Liebe Serienguckende,

Zeitreisen sind total angesagt zur Zeit. Ich hatte mir das Thema vorgenommen für mein letztes Musikprojekt „Der Radiolator“ (darüber zu lesen ist in meinen Blogs 216 und 225), aber auch Netflix tut sich hervor mit der Science Fiction-Serie „Dark“. Mit meiner Zeitreisepartnerin Alexandra hatte ich mir bereits zwei Staffeln dieser Fortsetzungsgeschichte einverleibt, aber gestern abend war ich von der dritten Folge der dritten Staffel so angenervt, dass ich hinwerfen werde. Für mich ist „Dark“ gegessen, wenn auch schlecht verdaut.

Es geht um Ereignisse im Jahre 2019 in dem deutschen Ort Winden, in welchem ein Atomkraftwerk steht. Aus unbekannten Gründen gibt es im Windener Wald tief in einem Höhlengang eine magische Tür, durch welche man 33 Jahre oder 66 Jahre oder 99 Jahre in die Vergangenheit oder 33 Jahre in die Zukunft gelangen kann. Im Laufe der ersten Folgen werden jede Menge Bewohner Windens vorgestellt, deren Namen zu merken gar nicht so leicht ist. Manche dieser Personen verschwinden unfreiwillig oder absichtlich in der Höhle und tauchen dann in einer anderen Zeit im Ort Winden wieder auf. Dort begegnen sie sich teilweise selbst, treffen ihre jüngeren oder älteren Ichs, was zu einer großen Verwirrung führt: bei den Protagonisten und bei Zuschauern (wie mir) erst recht. Irgendwann tauchen auch noch Zeitmaschinengeräte auf, dann braucht man die Höhle nicht mehr.

„The Dark“ ist eine deutsche Serie, geschrieben von deutschen Drehbuchautoren und gänzlich bestückt mit deutschen Schauspielern. Die Akteure hat man als fleißiger Tatort-Gucker fast alle schon mal gesehen, sogar der Berliner und der Frankfurter Kommissar spielen mit. Außerdem Frau Eichhorn, Herr Mendel und viele andere, deren Namen ich nicht weiß, junge und alte Darsteller.

Woran erkennt man noch, dass es sich um eine deutsche Serie handelt? Nun, die Dialoge sind so angelegt, dass ein Fragender erstmal eine Minute keine Antwort bekommt, sondern nur einen verwunderten oder entsetzten Blick erntet. Das ist wie bei deutschen Krimiserien, wenn total verstockte Zeugen verhört werden. Man möchte in den Fernsehbildschirm hineinschreien: „REDE ENDLICH MIT IHR!“. Es ist qualvoll, vielleicht auch für die Schauspieler schwer auszuhalten.

Im Kontrast zu den nervig zerdehnten Dialogszenen ist die Handlung chronisch zerschnitten, weil im Minutentakt zwischen den Jahren 2019, 1986, 1953 und 2052 hin- und her gewechselt wird. Dauend muss man sich als Zuschauer fragen: Wo (bzw. wann) sind wir gerade und wie heißt die Person, die da gerade agiert. Von wem ist die Person die Mutter oder der Vater oder der Großvater oder der Sohn oder die Tochter? Untermalt wird das — ebenfalls chronisch — von bedrohlichen Synthesizer-Klängen. Ständig ein düsteres Wabern und Dröhnen — es soll dem Zuschauern klarmachen: Uuh, wie unheimlich ist das alles.

Vieles in dem ausgetüftelten Handlungsgestrüpp bleibt vernebelt, manches in sich unlogisch und man denkt sich: Vielleicht wird das ja in einer der nächsten Folgen aufgeklärt. Naja, auf jeden Fall werden einem neue Unklarheiten aufgetischt. Man wartet geduldig auf die vielbeschworene Apokalypse, die durch einen Ausbruch von dunkler Antimaterie im Atomkraftwerk dann irgendwann auch endlich passiert. Kaum könnte man sich fragen, wer überlebt hat, geistern die Akteure schon wieder in anderen Zeitebenen herum, als blutjunge oder vergreiste Versionen ihrer selbst. Und schauen entsetzt-betroffen drein, beantworten keine Fragen. Informieren sich nicht über die Situation, sondern stiften bloß Unruhe.

Zugegeben, ich bin jetzt nicht der Allergeduldigste — aber diese Serie schüttet mir das deutsche Kraut aus. Ich habe die Staffeln der Serien „Breaking Bad“, „Better Call Saul“, „Game of Thrones“, „Goliath“ und „Vikings“ komplett und auch teilweise mit Begeisterung gesehen. Diese haben wirklich hervorragende und originelle Drehbücher und sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Das sind aber alles keine deutschen Serien. Auch die deutsche Netflix-Serie „Die Barbaren“ (Römer gegen Germanen) taugt nicht viel, was Drehbuch und Dialoge betrifft. Stereotyp und hölzern. Es ist grausam, aber ich muss leider sagen: Die Deutschen können es halt einfach nicht. Dabei liegt es gewiss nicht an den Darstellern (naja, das Genuschel!) oder am Ambiente, an den Kostümen oder an den special effects. Das ist alles ganz ordentlich. Aber die Drehbücher und deren Dialoge! Oh Gottogottogott, was sind da für Dilettanten am Werk, da hilft echt nur noch die Apokalypse.

Nun gibt es auf Netflix schon wieder eine Zeitreise-Serie mit dem Titel 1899. Da geht es um internationale Passagiere auf einem Reisedampfer, welcher in einen Zeitstrudel gerissen wird. Ich ahne schon Allerschlimmstes und werde mir das gewiss nicht antun, weil es sich die Macher von „Dark“ ausgedacht haben. Dann doch lieber auf den Christkindlmarkt spazieren und eine ganz persönliche Zeitreise machen, zu den Erinnerungen an die eigene Kindheit, als das Glitzern noch magisch war.

abstand-linie