Fortsetzung von Blog Nr. 239
7. Februar, Dienstag, 19.00 Uhr.
Silke war froh, als sie an diesem Freitagabend endlich in ihrem Wohnzimmer saß, mit einem vollen Glas Mederano. Was war das für ein Tag gewesen. Er erinnerte sie daran, dass sie noch siebzehn Jahre hatte, bis zu ihrer Rente: weit über 6.000 Tage bei der Lufthansa! Wenn sie nicht schon viel früher das Handtuch werfen würde, was ihr gerade heute abend nicht unrealistisch vorkam. Dabei mochte sie ihren Beruf — grundsätzlich. Immer in Bewegung sein, höher als die Wolken, das faszinierte sie auch noch nach Tausenden von Flügen rund um den Planeten.
Aber heute! In der Maschine von München nach Paris war Jacques Fortezza gesessen. Früher hatte Silke die Filme mit diesem Schauspieler geliebt, was hatte der Mann für eine Ausstrahlung gehabt. Kraftvoll, animalisch, aber auch sensibel und einfühlsam. Vielleicht war Fortezza nicht ganz unschuldig daran gewesen, dass sie sich in Dietmar verliebt hatte, damals. Dietmar wirkte ähnlich auf sie, immer noch. Aber was war aus dem „monumentalen Jacques“ geworden, wie er sich angeblich selbst nannte. Er war vor ungefähr drei Jahren in der Presse gewesen, weil er betrunken in einem Flugzeug randaliert hatte. Silke dachte sich damals, oh mein Gott, ein besonderes „Vergnügen“ für die Flugbegleiter, die diesen Flug mitmachen mussten.
Sie hatte Fortezza heute beinahe nicht erkannt, weit über sechzig und so fett, dass man der Frau neben ihm einen anderen freien Platz gegeben hatte. Es war eine gepflegte ältere Dame, sie war dankbar dafür gewesen. Fortezza ließ sich Bier und Wein servieren und das nicht zu knapp. Die Maschine war gerade über der französischen Grenze, da fing der Schauspieler an zu rufen, ihm sei schlecht, er müsse aufs Klosett. Silke war mit dem Servierwagen in seiner Nähe und bekam mit, wie er sich aufführte. Er hustete und würgte und wälzte sich hoch, aber weil er so fett war, kam er nur langsam auf den Mittelgang.
Direkt vor Silkes Servierwagen schrie er sie auf Französisch an. »Lass mich vorbei, du blöde Kuh, ich kotze gleich.« Fast gleichzeitig ergoss sich ein Schwall stinkender bröckeliger Brühe über die Getränke und Snacks auf dem Wagen. Silke selbst wurde auch tangiert, wenn man sich so gewählt ausdrücken möchte. Es war dermaßen eklig, dass ihr auch beinahe schecht geworden wäre. Fortezza stolperte, stürzte auf den Wagen, riss ihn um und fiel über ihn, wobei er sich auch noch an einer Metallkante aufschnitt und zu bluten anfing. Der junge Steward Eugen kam Silke zu Hilfe, irgendwie schaffte man es, den monumentalen Fortezza zu verbinden und ihn wieder in seinen Sitz zu wuchten, wo er röchelnd nach Bier verlangte. Was er allerdings nicht mehr bekam.
»Hi Mäusle! Wie war dein Tag?«
»Kennst du Jacques Fortezza? Der hat mich heute angekotzt. Im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Fortezza? Der immer die fetten Gangsterbosse spielt?«
»Fett ist er tatsächlich. Ziemlich.« Silke starrte auf Dietmars beachtlichen Bierbauch und bereute sofort, was sie gesagt hatte. Aber ihr Gatte ignorierte das Gott sei Dank.
»Oh, mein armes Mäusle! Dieses Schwein. Das muss im Flugzeug ja eine ziemliche Sauerei gegeben haben.«
»Das kannst du laut sagen. Und wie das gerochen hat. Wir haben danach an alle Passagiere in der Nähe von Fortezza kleine Parfümflakons verteilt, um sie zu besänftigen. Von dem werde ich mir bestimmt keinen Film mehr ansehen. Und bei dir?«
»Ach, auch kein Spaß heute. Verhören eines Verdächtigen im Mordfall Landauer. Das „good cop bad cop-Spiel“. Erfolglos. So ein Wimmerling! Kein Rückgrat.«
»Bist du wieder grob geworden, mein Schatz? Du darfst dich nicht immer so reinsteigern, das geht aufs Herz.«
»Jaja, das Herz. Keine Ahnung, wie lange ich den Scheiß noch mitmache. Fühle mich ausgebrannt.«
»Frag mich mal. Setz dich her, Mederano hilft.«
»Ich hole mir lieber einen Aperol Spritz. Ist der vom Käfer noch im Kühlschrank? Das brauche ich jetzt.«
Dietmar Bronzo setzte sich mit seinem Getränk zu seiner Liebsten.
»Wenn ich dich nicht hätte, Mäusle. Wenn ich dich nicht hätte.«
Fortsetzung folgt
Abbildung: Zinkl