BvsN-12

Fortsetzung von Blog Nr. 249

20. Februar, Montag, 9.00 Uhr.

»Sag mal, Dietmar, was war denn da eigentlich los? Am Donnerstag, bei diesem Neumann. Du hast dich echt betäuben lassen? So steht’s jedenfalls im Bericht vom Berlaucher, der dich und diese Nachbarin, Luisa Kreitmayr, gefesselt und bewusstlos vorgefunden hat. Also, ich kann mit diesem Bericht nicht viel anfangen. Der Anrufer, der das gemeldet hat, war anscheinend Neumann selbst. Wer hätte es sonst sein sollen? Dieser Neumann ist doch ein völlig unbeschriebenes Blatt, der ist nicht registriert bei uns, der hat sich noch nie was zu schulden kommen lassen. Und dann macht der sowas? Ich bitte dich!«

»Okay, Markus. Das ist ein bisserl aus dem Ruder gelaufen, das kann ich aber erklären. Von vorne: Gerald Neumann hat mit der alten prominenten Frau Landauer öfters Torte gegessen und damit ihr Vertrauen gewonnen.«

»Zusammen Torte essen ist ja erstmal nicht verboten, die Landauer hat ihn offensichtlich gerne zu sich eingeladen.«

»Ich habe Neumann jedenfalls nochmal vorgeladen und ihn dazu befragt und er hat sich in seinen Aussagen ein paarmal widersprochen.«

»Inwiefern widersprochen? Er hat doch schon bei der ersten Befragung mit Erich Bleicher ausgesagt, dass er an dem Abend, an welchem der Mord passiert ist, beim Schafkopfen war. Und seine vier Mitspieler haben das bestätigt. Also, ich würde das als ein starkes Alibi bezeichnen.«

»Ja schon, aber er war während des Schafkopfens einmal länger auf dem Klo, angeblich weil er Durchfall hatte. So haben es seine Mitspieler ausgesagt. Diese Zeit hat vermutlich ausgereicht, dass er ein Stockwerk raufgegangen ist. Die Landauer hat ihn reingelassen, da hat er sie erschlagen. Und das Geld genommen, er wusste genau, wo es zu finden war. Und dann ist er wieder runter gegangen und hat weitergespielt.«

»Sag mal, Dietmar, machst du jetzt einen auf Columbo? Dazu fehlt es allerdings noch weit. Denn so einen Schmarrn habe ich schon lange nicht mehr gehört. Und es ist auch nicht zu beweisen. Oder hast du dafür Beweise?«

»Ich habe Neumann jedenfalls gründlich befragt und ein bisschen Druck gemacht und da hätte er fast gestanden.«

»Ein bisschen Druck! Hast du wieder dein beschissenes „good cop, bad cop“-Spielchen abgezogen? Ohne dein Verhör auf Band aufzunehmen noch dazu? Wäre ja nicht das erste Mal. Wenn du das Gespräch nicht aufnimmst, ist klar, dass du vorhast, grob zu werden. Dietmar, du kannst dich nicht aufführen wie Dirty Harry Eastwood, das habe ich dir schon öfters gesagt. Sowas geht heutzutage einfach nicht mehr.«

»Markus, deswegen bin ich ja am Donnerstag zu Neumann gefahren, um mich zu entschuldigen, für meine etwas unfreundliche Art.«

»Ach wirklich? Abgesehen davon, dass ich dir das mit der Entschuldigung einfach nicht abnehme: Das fand Neumann so schlimm, dass er dich mit einem Spezialmittel ins Reich der Träume geschickt hat? Das ist doch totaler Blödsinn. Und woher hatte er überhaupt so ein Mittel? Der Mann ist Grafiker und kein Apotheker. Er hatte außerdem auch noch Chloroform zur Hand!«

»Vielleicht hatte Neumann Angst, dass ich ihm was antue.«

»Eine Scheißangst muss er vor dir gehabt haben, wenn er sich auf deinen Besuch so vorbereitet hat. Womit hast du ihm gedroht, bei deinem Verhör? Und was hat es mit diesem Gummifinger in Blutwurstbatz auf sich, der als Packerl auf dem Tisch bei Neumann lag? Weißt du darüber Bescheid?«

»Von so einem Packerl weiß ich nichts. Als ich bei Neumann war, lag jedenfalls keines da. Vielleicht ein Faschingsscherz?«

»Ich sag’ dir eines, Dietmar: Diese Sache stinkt zum Himmel. Aber sowas von. Und ehrlich gesagt, will ich da gar nicht intensiver dran riechen. Dieser Neumann hat dich betäubt, okay. Dann wollte sich seine Nachbarin Eier borgen, hat den Bewusstlosen gesehen und bevor sie die Polizei rufen konnte, hat er die auch noch betäubt. Und euch beide danach gefesselt. Dann hat er so getan, als würde er nach Bali flüchten. Und hat die Polizei gerufen, damit man euch findet. Davor hat er sich verdünnisiert. Irgendwohin geflogen ist er nicht, das haben wir überprüft. Aber er könnte sich trotzdem längst ins Ausland abgesetzt haben.«

»Das sind die Fakten, Markus.«

»Sollen wir jetzt eine Großfahndung in ganz Europa nach ihm einleiten, weil er zwei Leute in den Schlaf geschickt hat? Er hätte dich und die Kreitmayr umbringen können, aber er ist vor Panik geflüchtet, die arme Sau. Und das ist wahrscheinlich alles nur deshalb passiert, weil du ihm bei einer Routinebefragung die Hölle heiß gemacht hast. Dietmar, du hast einen unschuldigen Mann zu einem Kriminellen gemacht, anstatt sauber zu recherchieren und einen Täter beweiskräftig zu überführen.« Leitinger stand auf, ging hin und her und deutete mit dem rechten Zeigefinger auf Bronzo.

»Du bist jetzt erstmal für zwei Monate beurlaubt. Dietmar, ich bin immer hinter dir gestanden, aber mit dieser Sache ist das Maß voll. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich dich noch länger halten kann, aber ich versuche es. Du bist ein verdienter Mitarbeiter, hast viele Fälle gelöst. Aber so wie es jetzt ausschaut, hast du es tatsächlich richtig verbockt. Ich bitte dich, fahr’ heim, leg’ dich ins Bett oder fliege meinetwegen mit deiner Frau nach Bali. Aber hier im Präsidium ist erstmal Pause für dich. Ich werde dich wissen lassen, wie wir diese Angelegenheit weiter behandeln werden. Und ich hoffe, wir finden diesen Neumann. Klar, er wird sich verantworten müssen für seine Tat, aber letztendlich ist er auch ein Opfer der Umstände geworden.«

»Neumann hat die Landauer umgebracht, Markus.«

»Wie gesagt, dafür gibt es keinerlei Beweise. Vielleicht werden wir es noch herausfinden, aber du lässt jetzt erstmal die Finger von der Sache, du bist von diesem Fall abgezogen, Dietmar.«

Bronzo verließ zügig das Präsidium. Dieser verfluchte Neumann. Nun wurde der auch noch zum Opfer stilisiert. Zum Kotzen war das. Aber natürlich hatte Bronzo dem Leitinger nicht die Sache mit dem Fingerabschneiden erklären können. Das würde dann wahrscheinlich rauskommen, wenn man Neumann fassen würde — und es wäre auch mit Sicherheit das endgültige Aus für Kommissar Bronzo. Seine Beamtenpension könnte man ihm in diesem Zusammenhang auch streichen!

Als er am nächsten Tag — es war Faschingsdienstag! — den Briefkasten öffnete, lag ein kleines Luftpolsterkuvert darin, ohne Absender. Aber diesmal war die Sendung nicht an Silke, sondern an Dietmar Bronzo adressiert. Auf dem Poststempel stand die Zahl 55. Das war ein Hinweis dafür, in welchem Briefzentrum das Paket abgestempelt worden war. Diese zweistellige Zahl stand für alle Postleitzahlen, die mit 55 begannen. Es war daher leicht herauszufinden, wo das Päckchen aufgegeben worden war.

Im Kuvert befand sich ein Parfüm-Probefläschchen, mit einem Aufkleber, auf welchem „Chloroform“ geschrieben stand. Sowie ein rosa Post-it-Zettel mit der handschriftlichen Notiz: „Nachschlag gefällig?“ Dieser verdammte Mistkerl.

Fortsetzung folgt

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Abbildung: SplitShire auf Pixabay