BvsN-26

Fortsetzung von Blog Nr. 264

26. Februar, Sonntag, 9.00 Uhr.

Babs war kurz rausgegangen, um fürs Frühstück Backwaren zu holen. Sie schien Großkollingers Nachricht weggesteckt zu haben, zumindest aber machte sie auf Gerald wieder einen fröhlicheren Eindruck als gestern Abend. Er sah raus auf den Gang, der Reinigungsservice war gerade unterwegs. In vier Metern Entfernung stand der Rollwagen, bestückt mit Handtüchern, Klopapierrollen, und Putzmitteln, vor einem offenen Zimmer. Die Servicedame hielt sich gerade drinnen auf, man hörte den Staubsauger. Gerald ging zu dem Rollwagen und studierte das Warenangebot. Spontan nahm er eine große rote Flasche Drano Powergel mit aufs Zimmer. Beseitigt stärkste Rohrverstopfungen. Die Flasche steckte er in seinen Rucksack, dann widmete er sich der Literatur — bevor Babs zurückkam.

»Schau, mein Liebster, ich habe uns ganz frische Weggli mitgebracht. Außerdem ein Burebrot, das kennst du vielleicht noch nicht. Eine echte Schweizer Backspezialität. Außerdem gibt’s Latwerge, so heißt bei uns das Pflaumenmus. Du bekommst von mir zu den guten Sachen gratis einen Kursus für Schweizer Spezialausdrücke. Gut, oder?«

»Ah, Pflaumenmus!« Gerald zog Babs an sich und gab ihr einen langen sinnlichen Zungenkuss. »Das nenne ich ein gutes Frühstück!«

»Du bist unersättlich, mein Lieber!«

»Es gibt nix Besseres als was Gutes. Das hat meine liebe Oma immer gesagt.«

Sie frühstückten ausführlich, dann nahm Babs Geralds Hand und sah ihn ernst an. »Du, ich muss dir was sehr Wichtiges sagen.«

»Oh Gott, du hast einen Mann und Kinder in Zürich!«

»Ach, hör auf mit dem Quatsch!« Sie lachte. »Pass auf Gerald. Zwei Dinge. Erstens: Ich will nicht, dass du zurück nach Meersburg fährst. Weil es zu gefährlich dort ist, wegen diesem Bronzo.«

»Ich verstehe. Aber …«

»Stop, warte. Zweitens: Ich will AUCH nicht mehr nach Meersburg zurück. Nicht dass ich Angst hätte vor diesem irren Kommissar, ganz sicher nicht, was kann mir der schon wollen. Nein, die Sache ist die und ich habe ein wenig Angst davor, dir das zu sagen.«

»Also bitte, Babs. Komm, rück’ raus damit.«

»Okay, also: Ich will bei dir bleiben. Ich gebe den Job im Café Mohler auf, der war sowieso nicht so toll und von mir immer als eine Übergangsbeschäftigung gedacht. Bin ja dafür eigentlich auch überqualifiziert. Was meinst du?«

Gerald sah sie lange an. »Weißt du eigentlich, dass mir das seit gestern ständig durch den Kopf gegangen ist und dass ich mir nichts mehr wünsche, als genau das, Babs? Ich hätte das aber nicht gesagt, denn das würde bedeuten, dich unter Druck zu setzen.«

»Aber jetzt habe ich damit angefangen.«

»Und darüber bin ich wahnsinnig überdimensional happy.«

»Sehr schön, Gerald, dann können wir jetzt ja in aller Ruhe weiter frühstücken — nachdem das geklärt ist.« Sie sah glücklich aus.

»Ich muss dir auch noch was sehr Wichtiges sagen, Babs: Ich liebe dich.«

»Finde ich gut!« Sie gab ihm einen Luftkuss.

»Du, ich gehe mal kurz runter an die Rezeption. Da liegen Zeitschriften herum, ich will mir welche hochholen, okay?«

»Klar, ich gehe derweil unter die Dusche.«

Gerald bat die nette Dame an der Rezeption um einen Umschlag für sein Brieflein und darum, ihm ein Taxi zu rufen. Er bezahlte die kurze Fahrt ins „Les Mignardises“ und gab dem Taxifahrer die Anweisung, einen Brief für Herrn Grosskollinger abzugeben. Dann wandte er sich dem Stapel Zeitschriften zu und nahm die Wochenendausgabe der Schaffhauser Nachrichten mit nach oben ins Zimmer.

Babs kam gerade aus dem Bad. »Hast du was Interessantes gefunden, Gerald?«

»Ich muss mal schauen, was die Schaffhauser Nachrichten aus der Region zu berichten haben. Vielleicht ist ein gewisser Großkollinger in der Rhein gefallen. Aber das würde ja jetzt noch nicht drinstehen.«

»Der Typ beschäftigt dich, gell? So eine Kacke wie gestern bleibt leider lange an einem kleben. Entschuldige meine Ausdrucksweise, aber ich muss auch immer noch dran denken.«

»Genau. Deshalb würde ich gern zu seinem Hotel fahren und ihn zur Rede stellen. Er muss sich schriftlich bei dir entschuldigen.«

»Das wird er niemals machen, Gerald. DER nicht. Der ist sowas von sich eingenommen, der platzt schier vor lauter Ego.«

»Er hat auch mich beleidigt und sowas lasse ich mir nicht mehr gefallen. Nicht mehr seit diesem beschissenen Verhör im Münchner Polizeipräsidium vor zwei Wochen.«

»Muss ich mitkommen, Gerald?«

»Du kommst auf keinen Fall mit, Babs. Das wäre eine Zumutung für dich. Nein, das will ich ganz alleine erledigen. Ich hoffe, du bist damit einverstanden, dass ich das mache.«

»Ja. Ich finde es gut, dass du das nicht auf uns sitzen lässt. Man braucht sich echt nicht alles gefallen lassen von so einem Dreckskerl. Aber du musst mich bitte auf dem Laufenden halten. Unbedingt.«

»Natürlich, Babs«.

Zur gleichen Zeit im „Les Mignardises“:

„Hi Joseph, du hast mich ziemlich überrascht mit dieser Rose. Ich scheine ja mal wieder Eindruck auf dich gemacht zu haben 🙂 Deine Ansprache auf dem Zettel fand ich zwar nicht soo toll, aber irgendwie hast du wohl recht. Dieser Gerald, mit dem ich hier abhänge, ist tatsächlich nicht so das Gelbe vom Ei. Mir ist jetzt schon langweilig mit ihm. Bist du alleine hier in Schaffhausen? Vielleicht könnten wir uns heute Nachmittag spontan treffen. Ich hätte schon LUST. Und werde um 14 Uhr vor dem Les Mignardises auf dich warten. LG, Barbara R.“

Joseph las das Brieflein dreimal durch, welches an der Rezeption für ihn von einem Taxi um 11 Uhr abgegeben worden war. Er konnte es nicht fassen. Träumte er einen Sonntagstraum? Sollte er nun tatsächlich endlich mal Erfolg bei der Raubinger haben? Geil. Aber wegen Gudrun musste er sich was ausdenken.

»Du Joseph, in Schaffhausen gibt es ein schönes Hallenbad, habe ich gerade gegoogelt. Gehst du da mit mir hin? Das wäre mir echt lieber, als nochmal draußen bei dem eisigen Wind herumzulaufen.«

»Meine Süße! Das ist eine fantastische Idee. Aber ich bin ja nicht so der Schwimmbad-Fan. Will es dir aber auch nicht ausreden. Was hältst du davon, wenn ich dich gegen Mittag hinfahre und nach drei Stunden wieder abhole? Du kannst baden, dich entspannen, in die Sauna gehen und ich gehe dir dabei nicht auf die Nerven. Wäre das okay für dich?«

»Ja, schade zwar, dass du nicht mitkommen magst, aber ich komme ohne dich auch klar.« Gudrun kicherte, umarmte ihn und gab ihm einen feuchten Kuss auf den Mund. »Danke, dass du mich hinbringst. Danach können wir noch ein wenig schmusen, bevor es abends zurückgeht, nach Zürich, oder?«

»Klar, darauf freue ich mich schon jetzt, meine Süße!«

Joseph dachte allerdings gerade nur an die Raubinger und war froh, dass er die Kleine so problemlos für einige Stunden los sein würde. Somit hätte sich die Investition für dieses Weekend gleich doppelt gelohnt. Seine
Gattin bekam von ihm eine sehr nette whatsapp — er war in allerbester Stimmung, es lief rund.

Um 12.30 Uhr ging Gerald mit seinem gepackten Rucksack in die Tiefgarage und fuhr den Porsche hoch. In Google Maps gab er Uhwiesen, Dorfstraße 20 ein. Vorher sah er sich noch auf booking.com Fotos vom Hotel an. Es war ein repräsentatives Fachwerkhaus, die Zimmer rustikal aber geschmackvoll ausgestattet — und teuer. Großkollinger wohnte eindeutig nobler als er und Babs.

Als er in der Dorfstraße angekommen war, parkte er den Wagen fünfzig Meter entfernt vom Hotel und spazierte langsam in dessen Richtung. Er war zwar über eine Stunde zu früh dran, aber das war goldrichtig. Denn so konnte er beobachten, wie Grosskollinger mit einer kleinen Blondine herauskam. Sie war sicher noch keine zwanzig. Der Typ war also nicht alleine hier. Er gab der jungen Frau einen Kuss auf den Mund, seine Tochter konnte es daher nicht sein. Sie hatte eine große Umhängetasche dabei. Großkollinger stieg mit ihr in einen silbernen Mercedes. Ein teurer Wagen, der passte perfekt zu dem feinen Pinkel aus Zürich. Dann fuhren die beiden davon.

Gerald dachte nach. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder hatte Grosskollinger das Brieflein ignoriert und machte stattdessen mit seiner Geliebten einen Ausflug. Oder er brachte das Mädchen weg, um Zeit zu haben für das Date mit Babs. Er beschloss, auf jeden Fall bis 14 Uhr abzuwarten. Vielleicht kam Grosskollinger ja wieder. Gerald fuhr den Porsche nun viel näher ran ans Hotel.

Es kam eine whatsapp von Babs. »Und?«

»Alles okay. Bin noch dabei. Ich melde mich wieder. Bitte sei geduldig, meine Liebste. Alles gut. Bussi.«

Die Zeit verging quälend langsam, aber dafür konnte sich Gerald genau überlegen, wie er vorgehen würde. Um 13.45 Uhr kam der Mercedes zurück. Joseph war alleine, stieg aus und sah den Porsche sofort. Grinsend winkte er und spazierte auf ihn zu. Gerald beobachtete das im Rückspiegel. Als Joseph nur noch ein paar Meter entfernt war, stieg Gerald aus und richtete seine täuschend echt wirkende Anzinger Spielzeugpistole auf ihn.

»Sie? Was soll das, was wollen Sie? Sind Sie verrückt? Nehmen Sie die Waffe weg!«

»Du tust jetzt genau, was ich dir sage, sonst schieße ich dir in beide Kniescheiben. Dann bist du für den Rest deines kümmerlichen Lebens ein Invalide. Hast du mich verstanden?«

Joseph war so schockiert von dieser Ansprache, dass ihm jedes Wort im Hals steckenblieb.

»Gerald öffnete die rechte hintere Türe des Porsche. »Steig ein. Und KEINEN Mucks, sonst schieße ich dir in deinen Scheißschädel.« Joseph stieg brav ein, Gerald lief schnell um den Wagen herum, öffnete die linke hintere Türe ein und setzte sich neben ihn. Die Waffe drückte er ihm sofort hart an die rechte Backe. »Jetzt ist Feierabend, Grosskollinger!«

»Bitte tun Sie das nicht. Ich habe Frau und Kinder. Bitte!«

»Hör mir zu, hör mir genau zu. Ich habe dich beobachtet. Wer ist die kleine Blondine, die du vorhin weggebracht hast?«

»Das ist Gudrun, eine Arbeitskollegin von mir.«

»Was sagt deine Frau dazu, dass du am Wochenende in einem Nobelhotel mit einer fast Minderjährigen fickst, weiß sie davon?«

»Nein, das weiß sie nicht. Was wollen Sie denn von mir?«

Gerald holte aus seiner Manteltasche die rote Flasche mit dem Drano Powergel heraus. »Weißt du, was das ist?«

»Ja, ein Rohrreiniger. Was ist damit?«

»Ich werde dich nicht töten. Aber ich schütte dir jetzt den kompletten Inhalt der Flasche auf deinen verdammten Schwanz und die Eier. Du weißt, was das mit dir macht? Das Zeug nennt sich Powergel. Es wirkt äußerst effektiv und löst deine Weichteile in nullkommanix auf. Das war’s dann für immer mit dem Sex, mein Freund. Wenn du dich wehrst, schieße ich dir in den Mund. Los, Hose aufmachen!«

»Bitte, ich bitte Sie, tun Sie das nicht. Ich mache alles, was Sie wollen. Alles.« Josephs Gesicht war jetzt rot und schweißnass.

»HOSE AUFMACHEN!« Die Pistole drückte auf Josephs Backe.

»Bitte! Ich bitte Sie inständig. Seien Sie gnädig. Ich tue alles.«

»Okay. Denkst du, du hast Gnade verdient, du Arschloch? Denkst du das?« Joseph lief der Rotz aus der Nase.

»Pass auf. Hier ist ein Zettel und ein Stift. SCHREIB: Liebe Frau Raubinger, ich entschuldige mich aus tiefstem Herzen für das, was ich Ihnen angetan habe. Ich widerliches Schwein habe Ihnen das Leben zur Hölle gemacht, durch meine Sexsucht und meine sadistische Veranlagung. Das tut mir sehr leid, ich bitte Sie um Verzeihung und wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft. Joseph Grosskollinger.«

Nachdem das Schriftstück mit zitternder Hand fertiggestellt war, drückte ihm Gerald den Waffenlauf grob an die Lippen.

»Solltest du von diesem Vorfall irgendwem erzählen oder sogar die Polizei rufen, dann geschieht ein großes Unglück. Ich werde dann nämlich einen Besuch machen, bei den Grosskollingers in Zürich. Und du möchtest nicht wissen, was dort passiert. Das möchtest du wirklich nicht wissen. Hast du mich gut verstanden?«

Joseph nickte heftig.

»SAG ES!«

»Ich werde niemandem davon erzählen. Ich schwöre es, bei allem, was mir heilig ist. Danke, dass Sie mir und meiner Familie nichts tun. Vielen Dank.«

»Und: Ab sofort ist Schluss mit deinen Affairen! Ich halte dich unter Beobachtung, Joseph, da kannst du sicher sein.«

Gerald entließ ihn aus dem Wagen, sah ihn langsam und wankend zu seinem Mercedes gehen, setzte sich ans Steuer und fuhr mit Babs’ Porsche zurück nach Schaffhausen.

Fortsetzung folgt

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Abbildung: Zinkl