Liebe Leserinnen und Leser,
am Morgen des Vatertags 2023 wollte ich mich mit meinem lieben Freund Hansi am Münchner Marienplatz treffen: im unterirdischen Bereich, vor der S-Bahn. Wir hatten vereinbart, gemeinsam mit unseren Fahrrädern nach Grafing zu tuckern, um dem kalten Frühlingstag pedaltretend etwas abzutrotzen. Ich war zeitlich nicht knapp dran, das bin ich ja nie, weil ich mir immer mindestens eine Viertelstunde Puffer genehmige. Der Puffer löste sich diesmal aber flott auf, als ich am Fahrkartenautomaten eine Tageskarte für das Bike erwerben wollte. Ich mag keine Automaten, man kann ihnen nicht trauen, sie beantworten keine Fragen. Hinzu kommt: Die MVG-Automaten sind überhaupt nicht fahrradfreundlich, sie tun so, als wären Räder ungeliebte Gerätschaften, die man besser daheim lassen sollte, wenn man S-Bahn fahren will. Man muss erst alle Bildschirmoptionen durchspielen, bis man nach geraumer Zeit rein zufällig die Option „Fahrrad-Tageskarte“ erwischt. Ich war gerade dabei und mittendrin und bereits voll am Transpirieren, da sprach mich ein junger dunkelhäutiger Ausländer an, in einer mir unbekannten Sprache. Er zeigte mir ein paar Münzen und wollte offensichtlich Informationen von mir.
Ich kann schon seit sieben Jahren kein Multitasking mehr und konnte mich nicht auf sein Begehren einlassen. Ich stand auch unter Zeitdruck, also sagte ich zu ihm: „Duad ma leid, i ko jetz ned.“ Er ging weg und ich widmete mich wieder dem ignoranten Automaten. Als ich fast am Ziel angekommen war und meine EC-Karte aus dem Geldbeutel herausfingerte, um sie in den Schlitz zu stecken, stand der Typ erneut vor mir und fragte mich wieder etwas in seiner Kisuahelisprache. Ich antwortete ihm: „I hob leider koa Zeit, mei Zug geht glei.“ Der arme Kerl wandte sich wieder ab.
Als das Ticket ausgeworfen wurde, bin ich mit meinem Rad schnell zur Rolltreppe. Mein E-Bike ist schwer, wenn es auch noch zwei Gepäcktaschen dran hat und so musste ich damit kämpfen, dass es mich nicht in die Tiefe riss, bei der Rollfahrt zum Bahnsteig. In meiner Hektik hatte ich die EC-Karte im Automaten stecken lassen, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich bemerkte erst am nächsten Morgen an einer Tankstelle, dass sich die Karte in Luft aufgelöst hatte.
Das sind so Momente, wo ich mir denke: So, du Arschloch, das ist die Strafe dafür, dass du dem armen Ausländer nicht geholfen hast. Du hast dir mal wieder in deiner typischen hektischen Art und mit deinem typischen vernebelten Verstand das Leben unnötig schwer gemacht. Sofort wählte ich am Handy die Nummer 116 116 an, um meine verlorene EC-Karte sperren zu lassen. Das klingt leichter als es ist, weil man ein paar Sicherheitsfragen beantworten muss: Zum Beispiel muss man seinen Namen, die Wohnadresse und sein Geburtsdatum nennen. Das ist schwer genug. Aber dann hat mich die freundliche Dame auch noch nach der 25-stelligen Kartennummer meiner zweiten EC-Karte gefragt, die ich für meine kleine GmbH verwende. Diese Karte hatte ich Gott sei Dank auch im Geldbeutel und bisher noch NICHT verloren. Also konnte ich befriedigende Auskunft geben.
Ich dachte an den Kisuaheli-Mann, vielleicht war er nun im Besitz meiner EC-Karte und hatte sich damit beim Rossmann bereits gestern ein neues Rasierwasser gekauft. Bei kleinen Beträgen wird ja nicht nach der Geheimzahl verlangt. Böse Gedanken, düstere Gedanken. An diesem Nachvatertagstag war ich außerdem schon wieder unter Zeitdruck, denn ich musste Alexandra abholen: Wir wollten ein Wochenende im Altmühltal verbringen. Kann man ohne seine EC-Karte überhaupt ins Altmühltal fahren? Ja, wenn man auch noch Bares im Beutel stecken hat. Und 5 weitere Kreditkarten, die einem aber nichts nutzen, weil man deren Geheimzahlen vergessen hat. Man sollte die Geheimzahlen mit einem wasserfesten Filzstift direkt auf die Karte schreiben. Das wäre praktisch. Gute Idee, oder?
Im Altmühltal, einen Tag darauf, wurde plötzlich mein iPhone XS MAX schwarz. So schwarz wie die Nacht. Ich drückte eine Stunde wie ein Irrer darauf herum, aber es blieb schwarz. Bei einer bestimmten Kombination der drei seitlichen Tasten begann das Gerät kurz aber ganz schrecklich gequält laut zu jaulen. Diesen Sound hatten die Apple-Techniker bestimmt einprogrammiert, um dem Nutzer (dem USER!) zu signalisieren: Jetzt bloß die Finger weg, das Gerät explodiert sonst und reisst dir den linken Arm ab. Ich stürzte mental in ein tiefes schwarzes Loch, die guten Kalamari beim Treuchtlinger Griechen schmeckten mir nicht mehr. In einer Woche wollen Alexandra und ich unsere große Nordlandreise antreten und ich werde dann kein Google-Maps mehr haben und werde keine Fotos mehr knipsen können und werde keine whatsapp-Nachrichten und keinen Facebook-Klatsch mehr lesen können und werde über Bluetooth keine Musik mehr in den Kopfhörer bekommen und werde auch keine verlorene EC-Karte mehr sperren lassen können und überhaupt ist man heutzutage ohne Smartphone in der westlichen zivilisierten Welt nur noch ein Schatten seiner selbst.
Da beginnt man dann nachzudenken: Wie war es im vorigen Jahrhundert möglich gewesen, ein frohes Leben zu leben ohne Handy? Wie nur? Gewiss, es war sehr beschwerlich, alleine das Verreisen im Auto mit Landkarten auf Papier. Streit mit der Gattin, die einen Papierplan nicht lesen konnte. Wie informierte man die Polizei, wenn man mit seinem Opel Kadett auf einen VW-Käfer aufprallte? Wie kontaktierte man den ADAC, wenn man irgendwo in der Pampa einen Motorschaden hatte? Irgendwie muss es möglich gewesen sein, jedoch VORSTELLEN kann man sich das heutzutage nicht mehr. Aber Licht und Schatten liegen nicht weit voneinander entfernt: Nimm einem Menschen im 21. Jahrhundert sein Smartphone weg und er fühlt sich, als hätte man ihm ein lebensnotwendiges Organ aus dem Unterleib gerissen.
Ich habe mich dann nach einer halben schlaflosen Nacht wieder eingekriegt und gehe morgen in den Apple-Shop. Vielleicht kann dort das iPhone heile gemacht werden. Aber ich glaube, es ist endgültig den Jordan hinüberspaziert, weil ich mir diesen grausligen Jaul-Sound sechsmal angehört habe. Das wird mir das Handy nicht verzeihen. Es wird schwarz bleiben: Starless and Bible Black. Na schön, dann muss ich halt ganz schnell ein neues iPhone kaufen, die Apple-ID eingeben, die Gesichtserkennung programmieren, die ganzen Apps neu installieren, die Codes und Geheimzahlen hinterlegen — hoffentlich kann die Cloud alles bereitstellen. Die CLOUD: auch so ein völlig unbegreiflicher Wahnsinn.
Ich will das alles nicht mehr. Ich will nur noch analog sein. Ich will an die heilige Frau von Maria Brünnlein in Wemding glauben, von der ich mir in meinem Übermut (zu diesem Zeitpunkt funktionierte das iPhone noch) einen Anhänger für drei Euro gekauft habe, für den Schlüsselbund. Den Schlüsselbund kann ich nun nicht mehr verlieren, denn die Hl. Maria vom Brünnlein achtet drauf, echt wahr.
….und wie war’s dann in Grafing am Vatertag? War da übrigens auch, besser gesagt in „Stachet“ bei Jakobneuharting, ein ehemalieger Brauereigasthof, der in absehbarer Zeit wieder eröffnet wird! Ein lohnendes Ausflugsziel, vor allem für Radler. War dann auch noch am Grafinger Volksfest! Hätt ich’s gewusst, hätt ma uns verabreden können und a paar Hoibe (auch Radler) miteinander zu genießen!
Gruaß vom Bäda
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Ja, Bäda, saukalt war es am Vatertag. Aber die Weißwürste in Glonn waren hervorragend. Und der Kaiserschmarrn im Ayinger Kastanienhof auch. Laut singende Väter haben wir großzügig umfahren.
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Servus beieinand! Merci, Bäda, für den guten Tipp für eine baldige Sommerradtour nach der Nordlandtour! 😄🙏
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Gerne, vielleicht sieht man sich dann! Schönen Urlaub!!
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Keine Angst vor dem schwarzen Mann, lieber Toni! Den hatte dir nämlich die Muttergottes von Wemding geschickt. Er hat gar nicht Kisuaheli gesprochen, sondern Schwäbisch, heißt Heinz-Rüdiger und wollte dir nur sagen, dass der Automat Kreditkarten frisst und du lieber mit Münzen zahlen solltest. Deswegen hat er dir die Münzen gezeigt. Aber in der Aufregung hast du ihn nicht verstanden und das Zeichen der Muttergottes von Wemding ignoriert und wurdest mit dem Verlust deiner Karte bestraft, da kennt die Muttergottes von W. nämlich kein Pardon!
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Genauso wird es gewesen sein, lieber Hans. Aber die Muttergottes von Wemding hätte nicht so streng sein müssen, immerhin habe ich ihr 3 Euro in den Opferstock geworfen, für so einen Fan-Artikel.
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